Freitag, Mai 3, 2024
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„Betrug am Wähler“: Willy Wimmer erwartet mit AKK und von der Leyen „nichts Gutes“

Zwei CDU-Frauen freuen sich über neue Posten: Ursula von der Leyen wird EU-Kommissionspräsidentin, Annegret Kramp-Karrenbauer übernimmt das Amt der Verteidigungsministerin. Für den Frieden und die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland heißt das nichts Gutes, sagt Willy Wimmer. Der Verteidigungsexperte spricht von Betrug am Wähler.

Willy Wimmer war von 1985 bis 1992 verteidigungspolitischer Sprecher von CDU/CSU und später Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium. Er befürchtet, dass mit den drei CDU-Frauen Merkel, Von der Leyen und Kramp-Karrenbauer die Militarisierung der EU und eine Konfrontationspolitik gegenüber Russland zunehmen wird.

Herr Wimmer, lassen Sie uns zunächst über Frau Von der Leyen sprechen, sie wird neue EU-Kommissionspräsidentin. Hatten Sie mit einer solch knappen Wahl gerechnet?

Man musste durch die vorherigen Entwicklungen ja eigentlich mit einer Niederlage rechnen. Vor diesem Hintergrund ist dies das Ergebnis eines Wahlverfahrens, das von vielen Faktoren bestimmt worden ist. Wenn man das nüchtern sieht, ist Frau Von der Leyen mit ihrer fulminanten Bewerbungsrede krachend auf dem Holzweg gelandet. Und jetzt wird man sehen, was daraus wird.

Mit gerade einmal neun Stimmen Vorsprung hat sie die Wahl gewonnen. Woher hat Ihrer Meinung nach Frau Von der Leyen nun doch die knappe Mehrheit bekommen?

Das ist für mich nicht zu durchschauen, woher die Stimmen letztlich gekommen sind. Denn man muss sehen, dass Frau Von der Leyen im Vorfeld mit einem Korb voll Angeboten für jedermann eigentlich nur eins getan hat: Die Spaltungen innerhalb der Europäischen Unionzu übertünchen. Und da sind vor allen Dingen die osteuropäischen Staaten mit ihrem Verständnis der Europäischen Union gemeint, das dem der EU-Gründungsväter entspricht, aber nicht dem der Frans Timmermanns dieser Welt. Vor diesem Hintergrund gehe ich davon aus, dass muntere Zeiten über das europäische Selbstverständnis auf uns zukommen werden. Das hat sich auch in diesem Wahlergebnis geäußert.

Frau Von der Leyen wird die Nachfolge von Jean-Claude Juncker erst in einigen Monaten antreten. Was trauen Sie ihr in dem Amt zu und was eher nicht?

Wenn man diese Wahl nüchtern sieht, dann ist es eigentlich eine Zumutung für den Rest Europas, eine im Kern gescheiterte Verteidigungsministerin in dieses höchste europäische Amt zu hieven. Natürlich kann jeder in einem neuen Job herausstellen, dass das bisherige Urteil danebengelegen hat. Aber es ist eine Zumutung für Europa, jemanden in dieses Amt zu bringen, der in Deutschland nicht den Nachweis geliefert hat, dass er mit einer Groß-Behörde umgehen kann. Bei allem Respekt für ihre Bewerbungsrede, muss man das trotzdem in aller Deutlichkeit an die Adresse von Frau Von der Leyen sagen.

Und sie steht nicht für den Frieden in Europa. Auch das muss man in aller Deutlichkeit sagen. Denn es gibt wohl niemanden im Bundeskabinett, der bisher so martialisch gegenüber einem östlichen Nachbarn aufgetreten ist, wie Frau Von der Leyen, wenn ich an ihre Aussagen über die Russische Föderation denke. Das europäische Friedensprojekt äußert sich ja nicht darin, dass man die osteuropäischen Staaten mundtot macht und über die Russische Föderation herfällt. Das geht nicht. Und dafür steht Frau Von der Leyen.

Wird sie sich gegenüber den EU-Staats- und Regierungschefs überhaupt durchsetzen können?

Da muss man nun wirklich schlucken, wenn man diese Frage beantworten will. Denn sie ist ja eine Kreation aus dieser Runde der Staats- und Regierungschefs. Damit sind auch alle vorherigen Wahlaussagen zur vergangenen Europawahl gebrochen worden. Es ist ebenfalls interessant, dass man sehen kann, wie die Netzwerkpresse heute in Europa alles tut, um das alles als „normalen Vorgang“ zu klassifizieren, was zu diesem Wahlvorschlag Von der Leyens geführt hat.

Das ist ja ein Betrug am europäischen Wähler, man hatte ja etwas ganz anderes im Zusammenhang mit Spitzenkandidaten gesagt. Wenn man anschließend aus der Not heraus etwas anderes machen muss – und es ist ja nichts anderes als Not, vor dem Hintergrund der europäischen Entwicklung – dann soll man wenigsten ehrlich bleiben. Darauf hat der Wähler einen Anspruch.

Die deutschen Sozialdemokraten hatten sich bis zuletzt gegen Von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin gesträubt. Ist ihre Wahl jetzt eine Niederlage für die SPD und welche Auswirkungen hat das auf die Regierungsarbeit in Berlin?

Bei der Regierungsarbeit in Berlin erwartet man ja eigentlich jeden Tag den Exitus. So ist die Lage und man sollte sie auch nicht beschönigen. Und das macht natürlich deutlich, dass hier unterschiedliche Konzepte in Europa so gegeneinander stehen, dass das was über viele Jahrzehnte gegolten hat – eine Kompromissbereitschaft innerhalb des Europäischen Parlaments zu Gunsten eines Spitzenkandidaten – nicht mehr gegeben ist. Und die Sozialdemokraten bringen nur zum Ausdruck, was jeder in Deutschland und in Europa weiß.

Am Kabinettstisch wird es nach dem Ausscheiden Von der Leyens bald ein neues Gesicht geben: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wird Verteidigungsministerin. Viele hatten die Saarländerin gar nicht auf dem Zettel. Sind Sie auch überrascht?

Das ist auch eine Notgeburt. Hier sucht jemand einen Job, weil er ansonsten in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Und sie greift sich ausgerechnet das Verteidigungsministerium. Anders kann man das Ganze ja nicht werten. Und die Tragik für die Bundeswehr – unabhängig von allen anderen Fragen – besteht darin, dass niemand in diesen Job geht, der sich wirklich einmal um die Truppe und auch die zivilen Mitarbeiter kümmert. Sondern wir haben es immer wieder mit Personen zu tun, die in diesen Job gehen, um nach einem anderen Amt zu greifen. Und das ist ja nun bei Frau Kramp-Karrenbauer augenfällig. Das hat die Bundeswehr eigentlich nicht verdient. Man sollte sorgfältiger mit den Überlegungen umgehen: Was dient der Truppe und was dient Deutschland in Zusammenhang mit Frieden in Europa und der Welt. Das ist bei dieser Dame nicht gewährleistet.

Welchen von den im Vorfeld genannten Kandidaten auf den Ministerposten hätten sie eher bevorzugt?

In Anbetracht dieses Gruselkabinetts eigentlich niemanden.

Bisher ist Frau Kramp-Karrenbauer verteidigungspolitisch eher nur mit der Forderung nach einem deutsch-französischen Flugzeugträger aufgefallen. Das hat sogar innerhalb der Truppe für Irritationen gesorgt. Wohin wird sie die deutsche Truppe wohl führen?

Vielleicht werden wir von ihr ja hören, dass dieser Flugzeugträger für den Bodensee angeschafft werden soll. Das macht die ganze Dimension dieser Ernennung deutlich. Die Bundeswehr als sensibler Bestandteil der deutschen Politik braucht eigentlich jemanden, der sich in der Sache kümmert und in diesem Amt aufgeht. Man muss das hier schon wieder als Durchstieg sehen, nach dem Motto: Frau Kramp-Karrenbauer geht jetzt in diesen Job, um Bundeskanzlerin zu werden. Das ist aus meiner Sicht von vornherein zum Scheitern verurteilt. 

Was bedeuten die beiden Personalien, Von der Leyen an der Spitze der EU und AKK an der Spitze der Bundewehr, eigentlich für die Beziehungen Deutschland – Russland?

Das kann nichts Gutes werden. Denn ein eigenständiges Urteil geht offenbar beiden Persönlichkeiten ab. Das kann man auch mit Blick auf die erklärte Politik von Frau Von der Leyen mit Fug und Recht sagen. Denn die Überlegungen in Zusammenhang mit einer europäischen Armee gehen ja nicht dahin zu sagen: „Wir wollen alles tun um uns in Europa sachgerecht und mit ausreichend bescheidenen Mitteln zu verteidigen“. Sondern damit ist ja die globale Aggressionsfähigkeit der Europäischen Union in Stil der Nato gemeint gewesen. Alle Papiere gehen in diese Richtung. Das sieht man auch bei der Rüstungspolitik.

Und unser Nachbar Russland – das muss man bei nun 30 Jahren Mauerfall sagen – hat uns nicht nur die Wiedervereinigung gegeben, sondern auch die Möglichkeit, ein gemeinsames Haus Europa aufzubauen. Das ist in der Charta von Paris im November 1990 ausdrücklich so festgestellt worden. Doch es wird seit Jahren unter Frau Merkel, Frau Von der Leyen und Frau Kramp-Karrenbauer nichts anderes gesagt als: „Die Russen wollen wir nicht am Tisch haben und sie gehören da auch nicht hin“. Wer sich so verhält, dient nicht dem Frieden in Europa. Das muss man in Zusammenhang mit diesen drei Persönlichkeiten in aller Dramatik sagen.

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