Sonntag, April 28, 2024
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„Das Maß ist voll! Treten Sie zurück Herr Scheuer“ – Verfassungsbruch und schöngerechnete PKW-Maut?

Die Grünen erheben neue, schwere Vorwürfe gegen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Er habe mit dem Abschluss des Vertrages zur gescheiterten PKW-Maut gegen das Grundgesetz verstoßen. Und Medienberichten zufolge sollen „vertrauliche Dokumente“ nun zeigen, das Verkehrsministerium hat die Kosten der Maut um rund eine Milliarde Euro schöngerechnet.

Dokumente, die der „Süddeutscher Zeitung“ (SZ) und dem „WDR“ vorliegen, sollen zeigen, dass das Betreiberkonsortium mit einem Angebot vom Oktober 2018 gut eine Milliarde über dem vom Bundestag genehmigten Kostenrahmen von zwei Milliarden Euro lag. Die Summe soll bis zum Vertragsabschluss Ende Dezember um eine Milliarde Euro gedrückt worden sein, berichtet die „SZ“.

2,08 Milliarden Euro war die Summe, die Scheuer im Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt wurde, um die Pkw-Maut 2018 einzuführen und zwölf Jahre zu betreiben. Doch aus den Dokumenten gehe hervor, dass das finale Angebot der erfolgreichen Bieter zunächst bei mehr als drei Milliarden Euro gelegen habe. In einem als Verschlusssache eingestuften Vermerk aus dem Bundesverkehrsministerium von November 2018 an den zuständigen Staatssekretär hätten die Beamten Probleme eingeräumt, berichtet die Zeitung und zitiert aus den vorliegenden Papieren: „Auf Basis der noch laufenden Auswertung des Angebots zeichnet sich ab, dass die bisher im Haushalt hinterlegte Summe nicht ausreichend ist, um einen Vertragsschluss mit dem Bieter zu vollziehen.“ Es ergebe sich „ein fehlender Betrag von ca. 1,067 Milliarden Euro, der zum Vertragsschluss (…) auf Basis des vorgelegten Angebots benötigt würde.“

Scheuers Verfassungsbruch?

Zudem habe Scheuer beim Abschluss eines Vertrags zur gescheiterten Pkw-Maut nach Ansicht der Grünen gegen das Grundgesetz verstoßen. Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten zweier Rechtsexperten der Hamburger Helmut-Schmidt-Universität, das die Bundestagsfraktion der Grünen in Auftrag gegeben hatte. Demnach hätte der CSU-Politiker die gesetzliche Erlaubnis des Bundestags gebraucht, um den Vertrag zur Erhebung der Pkw-Maut mit seinen Regelungen zum Schadenersatz für die geplanten Betreiber abzuschließen. „Die Bundesregierung hat kein Recht – ohne Zustimmung des Parlamentes – ins Risiko zu gehen und die Folgen dem Bundeshaushalt haushaltsrelevante Garantien für ungewisse Ereignisse zu übernehmen“, teilte die Grünenfraktion im Bundestag mit.

Rücktrittsforderungen: Das Aus für Scheuer?

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer forderte am Freitag Scheuers Rücktritt: Dieser sei „als Minister untragbar“. Das Gutachten werde nun in der Fraktion bewertet – man prüfe, den Fall vors Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu bringen, und arbeite weiter daran, „dass es einen Untersuchungsausschuss gibt“.

„Treten Sie zurück, Herr Scheuer und ersparen Sie uns einen Untersuchungsausschuss“, twitterte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Stephan Kühn. Auch FDP und Linke hatten Scheuer mit einem Untersuchungsausschuss gedroht. Scheuer hat bereits die Maut-Verträge und viele weitere Dokumente veröffentlicht und „vollständige Transparenz“ zugesagt.

Der Haushaltspolitiker der Grünenfraktion im Bundestag, Sven Kindler, wirft dem Verkehrsminister Andreas Scheuer vor, das Parlament und die Öffentlichkeit über die wahren Kosten der PKW-Maut „gezielt belogen“ zu haben.

Eine Reaktion des Verkehrsministeriums auf die Vorwürfe stand am Montagnachmittag noch aus.

Gutachten: Bund trägt „das gesamte Risiko“

Scheuer hatte die Verträge zur Kontrolle und zur Erhebung des CSU-Prestigeprojekts Pkw-Maut unterzeichnen lassen, bevor das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vorlag. Im Juni kippte das EU-Gericht die Maut, Scheuer ließ die Verträge umgehend kündigen. Den eigentlich geplanten Betreibern „Kapsch“ und „CTS Eventim“ könnte deswegen Schadenersatz zustehen – die Rede ist oft von einem dreistelligen Millionenbetrag, allerdings liegen noch keine Forderungen vor. Die Kündigung wird am 30. September wirksam.

Der Wirtschaftsrechtler Wagner-von Papp erklärte, der Vertrag zur Maut-Kontrolle enthalte „erwartbare Entschädigungsregelungen“ für den Fall einer Kündigung aus EU-rechtlichen Gründen. Das berichtet die Deutsche Presse-Agentur (DPA). Die Entschädigungsklausel im Vertrag zur Maut-Erhebung setze dagegen den „Bruttounternehmenswert“ als Schadenersatz an. Es werde also die gesamte Vergütung und der gesamte Gewinn über die reguläre Laufzeit von zwölf Jahren fällig. Der Bund trage „das gesamte Risiko“ einer Kündigung aus ordnungspolitischen Gründen, zu denen das EU-Urteil zählt, „einseitig und vollständig“.

Es sei „kaum nachvollziehbar“, dass der Bund sich auf dieses „Garantieversprechen“ eingelassen habe, sagte Wagner-von Papp. Die Wahrscheinlichkeit, dass der EuGH die Maut als diskriminierend und damit europarechtswidrig einstufen würde, sei „relativ hoch“ gewesen. So kam es am 18. Juni dann auch. Nach Scheuers Darstellung hat der Bund die Verträge zwar auch aufgrund des Urteils gekündigt – es habe aber weitere Gründe gegeben, darunter schlechte Leistungen der Vertragspartner.

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