Sonntag, April 28, 2024
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Das Sterben der Nato: Nur Muskeln, aber wenig Hirn

Deutschland soll künftig einen genauso hohen Anteil an den Gemeinschaftskosten der Nato tragen wie die USA. Die dann noch bleibende Finanzierungslücke füllen anteilig die anderen Nato-Staaten mit Ausnahme Frankreichs. Der Abgeordnete der Linkspartei Alexander Neu kritisiert den neuen Finanzierungsschlüssel im Sputnik-Interview.

Wie Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag bestätigte, haben sich die 29 Mitgliedstaaten kurz vor dem Jubiläumsgipfel in London darauf verständigt, den Kostenaufteilungsschlüssel des transatlantischen Bündnisses zu ändern: „Die USA werden weniger zahlen, Deutschland wird mehr zahlen“, sagte Stoltenberg bei einer Pressekonferenz mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Mehrkosten ohne mehr Rechte

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sieht der neue Aufteilungsschlüssel vor, dass ab 2021 der US-Anteil an den Gemeinschaftskosten von derzeit 22,1 Prozent auf 16,35 Prozent gesenkt und der deutsche Anteil von 14,8 Prozent auf 16,35 Prozent erhöht wird. Die noch bleibende Finanzierungslücke füllen anteilig die anderen Nato-Staaten mit Ausnahme Frankreichs.

Der Verteidigungsexperte der Linksfraktion im Bundestag Alexander Neu ist kein Freund  des transatlantischen Nato-Bündnisses. Insofern lehnt er auch die neuen Finanzierungspläne ab. Seiner Meinung nach könnte man aber selbst als neutraler Beobachter genug Kritik daran sehen:

„Wenn man eine kritische Mittelposition einnimmt – davon bin ich weit entfernt – dann könnte man natürlich sagen, dass die Nato das Instrument der US-Amerikaner ist: Das Nato-Hauptquartier in Brüssel ist US-amerikanisch. Alle wesentlichen Funktionen sind quasi in US-Hand, bis auf diese ‚Witzfigur‘ Generalsekretär. Es findet keine Entscheidung gegen die USA statt. Es wird geführt von den USA. Wenn man das alles in den Kontext der Bewertung mit einbezieht, dann ist es natürlich nicht gerechtfertigt. Dann würde Deutschland und andere Mitgliedstaaten, mehr zahlen, aber nicht mehr Rechte haben.“

Nato-kritisches Frankreich

Die Regierung in Paris habe den Plan als nicht zielführend abgelehnt, hieß es von Diplomaten. In Frankreich werde vermutet, dass es nur darum gehe, US-Präsident Donald Trump einen Gefallen zu tun. Neu erinnert daran, dass die Franzosen sich unter Präsident Charles De Gaulle 1966 aus der integrierten militärischen Kommandostruktur der Nato zurückgezogen haben und erst 2009 unter Nicolas Sarkozy wieder zum Vollmitglied aufgestiegen seien. Der Linkspolitiker erklärt:

„Die Franzosen haben eine andere sicherheitspolitische Ausrichtung, sie möchten eine starke militärische EU haben und da ist die Nato eher ein Konkurrenzmodell. Von daher sind sie überhaupt nicht [von den Finanzierungsplänen] begeistert. Die Deutschen sind wesentlich transatlantischer und vasallenhafter als es die Franzosen sind.“   

Hirntote Nato?

In diesem Jahr zahlen die Vereinigten Staaten von den betroffenen Gemeinschaftsausgaben in Höhe von etwa 2,12 Milliarden Euro fast 470 Millionen Euro, während Deutschland nur rund 313 Millionen Euro überweist.

Wie viel Geld ein Land zu den Gemeinschaftskosten beitragen muss, richtet sich grundsätzlich nach dem Bruttonationaleinkommen. Für die USA gibt es aber eine Obergrenze, da sie sonst rund die Hälfte der Gemeinschaftskosten tragen müssten.

Zu dem zweitägigen Nato-Gipfel werden am Dienstag alle 29 Staats- und Regierungschefs in London erwartet – darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, Trump und Frankreichs Präsident Macron, der das Bündnis jüngst als hirntot bezeichnet hatte und mehr europäische Eigenständigkeit in Verteidigungsfragen fordert.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) übte am Donnerstag noch einmal Kritik am Kurs von Macron. „Gedankenspiele über eine Entkoppelung amerikanischer und europäischer Sicherheit machen mir Sorgen, nicht nur mit Blick auf unsere eigene Sicherheit“, sagte der SPD-Politiker laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Ich befürchte, dass sie Europa entzweien.“

Interessenkonflikte unter Bündnispartnern

Neu wiederum kritisiert die Überlegungen von Maas, eine Expertengruppe für Reformvorschläge einzusetzen. Dies wäre nach dem Credo: „Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis“, gehandelt. Neu betont:

„Das Bündnis war schon immer Hirntot. Es hatte nur Muskeln, aber wenig Hirn. Macron hat vollkommen recht mit seiner Diagnose. Wenn die Bundesregierung klug wäre, würde sie die Kritik von Macron konstruktiv aufnehmen. “

Ursache für die Situation in der Nato sei der Interessenantagonismus und die Heterogenität in der Nato. Bei 29 Staaten mit unterschiedlichen Interessen, würden zunehmend die zentrifugalen Kräfte anstatt die integrativen Kräfte innerhalb der Nato dominieren.

Sterbende Nato

Außenminister Maas und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) würden versuchen sich den US-Amerikanern anzudienen. Das aber seien „peinliche Versuche ein Pflästerchen drüber zu kleben und den USA zu gefallen.“  Neu glaubt, dass die Nato tatsächlich Anfang der Nuller-Jahre mit dem Einsatz in Afghanistan ihren Zenit längst überschritten habe. Sein Fazit:

„Wir beobachten gerade ein Sterben der Nato. Sie mag formal noch weiter existieren, vielleicht auch noch zwanzig Jahre noch, aber inhaltlich und vom Spirit her ist sie tot. Eben weil die Interessenunterschiede innerhalb der Europäer und  zwischen Europa und den USA zu groß sind.“

Quelle!:

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