Dienstag, Mai 7, 2024
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Der leise Umbau der Republik durch „Terror“ und Geheimdienste

Foto: Porters Lodge - Portsmouth Historic Dockyard - Counter Terrorism Response Level Heightened / Elliott Brown / flickr / CC BY 2.0

Na, das war ja eine Gaudi: pünktlich zu Silvester hatten die Sicherheitsbehörden den Münchnern die Party versaut. Plötzlich war alles voller schwer

gepanzerter Polizisten – ich denke, da hat sich kaum noch einer getraut, einen Knaller anzuzünden.

Hätte schrecklich schiefgehen können. Natürlich war es wichtig, dass

die Polizei die Bahnhöfe absperrt, ja, es war nicht nur wichtig, es war sogar höchst symbolisch: der Münchener Bahnhof war ja der Paradebahnhof der Flüchtlingskrise, dort kommen ja täglich neue Flüchtlinge an, die Bilder der begeisterten Menschen, die dort Kriegsflüchtlinge empfingen, gingen um die Welt. Ein seltsames Ziel für eine Anschlag von Irakern und Syrern, die – normalerweise – vom Bundeskriminalamt als „unauffällig“ gelten (siehe u.a. Kieler Nachrichten): immerhin wären bei einem erfolgreichen Anschlag ihre eigenen Leute – und ihre eigenen Interessen – betroffen. Aber: wir fangen ja wieder an, uns Gedanken zu machen – gerade das sollen wir ja nicht mehr, wir stören da im Kampf gegen den Terror.

Ja – das haben wir gelernt aus dem Terroranschlag in Hannover, bei dem ein Fussballspiel abgesagt wurde, dem viele eifrig entgegenfieberten. Es gab ja auch einen guten Grund für das massive Auftreten schwer gepanzerter Polizei und der Evakuierung zehntausender Fans: jemand hatte einen Jutebeutel mit Elektroschrott liegen gelassen – angeblich ein Ingenieur aus dem Ruhrgebiet (siehe FAZ). Bomben dieser Art finden sich allein in meinem Keller noch einige Dutzend, sie stammen aus den Resten von vierzig Jahren Unterhaltungselektronik – würde man jedesmal einen solchen Aufmarsch machen, nur weil jemand sich nicht an die Vorschriften zur korrekten Müllentsorgung gehalten hat: wir hätten einen Polizeistaat – völlig ohne Putsch.

 

Gerade Hannover hat uns ja einen ganz besonderen Scherz beschert (siehe Spiegel):

„De Maizière stellte sich auf einer Pressekonferenz kurzerhand selbst die erwartbaren Fragen nach dem genauen Grund der Absage – und dann sagte er, warum er sie nicht beantworten könne: „Ein Teil der Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“

Dreist, oder? Fanden alle lustig, dabei sollte einem dabei gar nicht zum Lachen sein, denn das Dienstverständnis des Ministers läßt da sehr zu wünschen übrig. Das ist der Obrigkeitsstaat pur: „wir Klugen hier oben, die Ahnung haben, die wissen, was richtig und falsch ist“ und „ihr da unten, die nur wie Vieh von Emotionen durchs Leben gepeitscht werdet“. Es ist viel über diesen Satz gelacht worden – dabei ist es er selber, der nicht nur Teile der Bevölkerung verunsichern sollte, sondern alle. In dem oben zitierten Artikel setzt „Spiegel-online“ noch einen drauf, gibt konkrete Anweisungen für ordentliches Bürgerverhalten:

„Aber die Details des nächsten kranken Terrorplots können wir denen überlassen, die sich beruflich damit beschäftigen, ihn zu verhindern. Vielleicht ist es besser, nicht alles zu wissen, was geschehen könnte, was geplant sein könnte, was droht – weil sonst der Alltag unmöglich würde. Und wenn es doch passiert, trotz aller Vorkehrungen der Behörden, werden wir davon erfahren, zwangsläufig. Oder, viel lieber, nachdem ein Anschlag vereitelt wurde. Mir persönlich wäre das früh genug.“

Ja – das ist die uns zugedachte Rolle: wir sollen kuschen und gehorchen. Der Terrorstaat ist da – obwohl es in Deutschland noch gar keine Anschläge gab. Aber wie nützlich diese Anschläge doch waren: 60 Millionen Franzosen haben noch monatelang Kriegsrecht im eigenen Land, die französischen Geheimdienste können in der Zeit tun und lassen was sie wollen – und nutzen das auch weidlich aus. Das konnte man während der Klimakonferenz beobachten: bekannten Aktivisten wurde Hausarrest verordnet. Das hat wenig mit Demokratie und Meinungsfreiheit noch mit Kampf gegen Terrorismus zu tun, sondern mit der Geburt eines Polizeistaates, in dem Geheimdienste dank Terror allmächtig geworden sind. Lesen Sie mal das „Neue Deutschland“ und erfahren, wie der Alltag in Frankreich jetzt aussieht (siehe Neues Deutschland):

„Bisher war darin Hausarrest nur vorgesehen, wenn »akute Gefahr für die Sicherheit« besteht. Das wurde auf Wunsch der Regierung erweitert – nun reicht bereits der »Verdacht auf Gefahr für die Sicherheit und die Störung der öffentlichen Ordnung«. Unter Berufung auf diese Befugnisse haben Polizei und Gendarmerie seit Mitte November mehr als 3000 Hausdurchsuchungen durchgeführt. Über 360 Verdächtige wurden unter Hausarrest gestellt. Bei den Hausdurchsuchungen, die oft mit brutaler Gewalt durchgeführt wurden und bei denen nicht selten hoher Sachschaden entstand, wurde in weniger als zehn Prozent der Fälle »Verdachtsmaterial« sichergestellt. Dazu gehörten neben 443 Feuerwaffen auch Rauschgift und nachgemachte Markenartikel, denn die Polizei legte ihren Auftrag zur Terrorbekämpfung sehr großzügig aus.“

Wir sollten besonders auf einen Punkt der Argumentation achten – weil dies für alle Autoren von Neopresse gelten kann: „Störung der öffentlichen Ordnung“. Ja – da drohen uns auch Hausdurchsuchungen, vielleicht findet man ja irgendetwas. Elektroschrott, zum Beispiel.

Können Sie sich noch an die „Rainbow Warrier“ erinnern? Das war ein Schiff von Greenpeace, es wurde am 10.7.1985 von Agenten des französischen Geheimdienstes in einem neuseeländischen Hafen in die Luft gesprengt (ist kaum noch was im Netz vorhanden, deshalb: Wikipedia). Ich erwähne das nur, um zu verdeutlichen, welche Dimensionen das Denken und Handeln der Geheimdienstler erreichen kann. Oder denken Sie an das, was jetzt gerade bekannt wurde: der CIA finanzierte jahrelang Anschläge – auch Brandanschläge – in der DDR (siehe Spiegel). Oder Deutschland: hören wir, was der langjährige Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes neulich von sich gegeben hat (siehe ARD):

„Ja gut, es wird eine Bruchlinie geben, und zwar in dem Moment, wo – wer auch immer uns dann regiert – den Einsatzkräften, unseren Sicherheitsbehörden den Befehl erteilt, gegen das eigene Volk vorzugehen.“ Die Sicherheitskräfte, die ihm bekannt seien, würden solchen Anordnungen keine Folge leisten. „Dann wird nicht mehr von Wahlen die Rede sein. Dann gibt es einen Umsturz.“

Ich weiß, viele halten diese Aussage für ganz toll: die Sicherheitsapparate werden nicht gegen das eigene Volk vorgehen. Jeder findet solche Aussagen toll, weil jeder denkt, dass er zum Volk dazugehören würde – doch wer „Volk“ ist und wer nicht, entscheiden im Falle eines Umsturzes andere. Spannend auch, dass es da wohl schon Gespräche drüber gegeben hat – zwischen den einzelnen Sicherheitsdiensten. Oder der Mann lügt einfach frech – wir sind immerhin in der Welt der Geheimdienste, da wird gelogen, dass sich die Balken biegen.

Man überlege sich mal, welche Macht Geheimdienste in Europa plötzlich haben: sie müssen nur „TERROR!“ rufen – und schon werden Länderspiele abgesagt, Bahnhöfe gesperrt, Menschen willkürlich verhaftet. So kann man auch jede Sitzung des Parlamentes unterbrechen, überall den Verkehr lahmlegen, jederzeit wo man will die öffentliche Ordnung lahmlegen und die Bürgerrechte außer Kraft setzen: ein Paradies für Psychopathen. Endlich kann man das blöde Volk mal so richtig nach seiner Pfeife tanzen lassen.

Was wissen wir eigentlich zu der Gefahr in München? Hören wir die Tagesschau – 24 Stunden nach dem Desaster (siehe ARD):

 

„Vor der Terrorwarnung habe die Polizei aus dem Ausland geheimdienstliche Hinweise auf fünf bis sieben Verdächtige erhalten. Zu etwa der Hälfte dieser Gruppe seien der Polizei auch Personalien übermittelt worden. Es solle sich um Iraker und Syrer handeln.

Die Ermittlungen hätten allerdings bislang „keinerlei Erkenntnisse“ zu den Personen gebracht: „Ob es die Personen tatsächlich gibt, wissen wir nicht.“ Die Namen habe man weder in München noch sonst irgendwo lokalisieren können. Die Abklärungen liefen noch.“

Man sollte nicht glauben, was man da liest: „ob es die Personen tatsächlich gibt, weiß man nicht“. Aber es wird mit Hochdruck nach ihnen gefahndet (siehe Spiegel):

„Wir arbeiten nach wie vor mit Nachdruck an der Ermittlung möglicher Tatverdächtiger.“

Nur: es gab ja gar keine Tat – wonach genau wird da also gefahndet? Nach Menschen, denen man nie geplante Anschläge in die Schuhe schieben kann? Wie die Zeit am 2. Januar mitteilte, war immer noch unklar, ob und wie überhaupt Anschläge geplant gewesen seien (siehe Zeit). Auf jeden Fall war die Gefahr nach wenigen Stunden völlig vorbei – obwohl … laut Theorie … immer noch unbekannte Personen mit viel Sprengstoff unterwegs sein müssten.

Dementgegen meldet heute die Polizei (siehe diese und weitere Zitate: Focus-online):

„Es besteht nach wie vor eine konkrete Gefährdungslage“, sagte eine Sprecherin der Polizei zu FOCUS Online. Nach wie vor laufen die Ermittlungen auf Hochtouren und die Polizei ist in München verstärkt vertreten. An die Bevölkerung gerichtet hieß es von Seiten der Polizei: „Wir sind auch auf Hinweise angewiesen. Wer etwas Verdächtiges beobachtet, sollte lieber einmal zu viel als einmal zu wenig die 110 wählen.“

Das hält München auf Trab, jeder Syrer und Iraker mit Tasche ist verdächtig – man kann wunderbar viele Häuser durchsuchen. Diese Meldung kam um 9 Uhr 35.  Zwei Stunden später die Meldung vom bayrischen Innenminister:

„11.36: Die aktuelle Gefahrenlage für München bewertet Andrä als genauso wie vor dem Terror-Alarm.“

Also: null. Trotzdem: Augen auf? Nein.

„11.39 Uhr: Andrä empfiehlt verunsicherten Bürgern nach dem Terror-Alarm ihr„Leben so zuleben, wie sie es gewohnt sind.“

Das verstehe, wer will.

An einem anderen Hauptbahnhof hingegen gab es echten Terror – in Köln (siehe Focus):

„Gegen 23 Uhr hätte die Polizisten die Meldung erreicht, dass sich am Bahnhof 400 Ausländer eine Schlägerei liefern würden. Als der Beamte zum Bahnhof kam, erlebte er jedoch andere Szenen: „Tatsächlich waren dort knapp 2000 Personen, die sich mit verbotenen Polen-Böllern und Silvester-Raketen bewarfen.“

Auch Beamte und Passanten wurden mit diesen Böllern beworfen. Zahlreiche Frauen wurden sexuell belästigt, Augenzeugen sprechen von Vergewaltigung. Über 30 Frauen haben bisher Anzeige erstattet, offen wird zugegeben, dass die Bundespolizei „nicht mehr Herr der Lage war„: „Es klingt so unglaublich wie erschreckend.“ (siehe Kölner Stadtanzeiger).

Reaktion der Behörden? Keine. Allerdings reagierte Facebook auf die Diskussion (siehe Kölner Stadtanzeiger):

„In der Facebook-Gruppe Netzwerk Köln gab es mehrere Beiträge über die Situation. Der ursprüngliche Post wies eine ausländerfeindliche Tendenz auf, Frauen würden in Deutschland immer mehr zu Freiwild, hieß es darin. Die Netzwerk-Betreiber reagierten prompt und löschten den Beitrag.“

Offensichtlich hatte das Treffen zwischen Justizminister Heiko Maas und dem Facebookverantwortlichen doch Folgen – anders, als die Medien berichteten (sieheSüddeutsche).  Werden Gäste aus nordarabischen Ländern so, wie Rechtsradikale es beständig unterstellen, wird die Meinung einfach gelöscht. Die Folgen sind klar: die Republik radikalisiert sich, die Eskalation schreitet weiter fort – heute gibt es in Hessen erste Schüsse auf ein Asylbewerberheim, ein Flüchtling wurde verletzt (siehe Spiegel).

Wem mag daran wohl gelegen sein? Jenen, die von einem geheimen Putsch träumen, von jener Zeit, wo nicht mehr von Wahlen die Rede sein wird?

Bleiben wir in Köln. Vor kurzer Zeit wurde die dortige OB-Kandidatin Henriette Reker von einem Rechtsradikalen niedergestochen – die Republik war entsetzt, die schlimmsten Vergleiche zu 1933 wurden angestellt. Dann jedoch tauchten Gerüchte auf, der Täter könnte ein V-Mann der Geheimdienste gewesen sein. Die Grünen gingen dem Gerücht nach – und erhielten eine erstaunliche Antwort (BT -Drucksache 18/6513 siehe Volkerbeck.de):

„Zu 14 c)
Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Frage nicht erfolgen kann. Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann.“

Nicht nur wir stören im Kampf gegen den Terror – das ganze Parlament stört dabei. Unglaublich, dass solche Sätze in diesem Land inzwischen möglich sind. Und was nicht noch alles möglich ist: jederzeit und überall kann die öffentliche Ordnung durch Polizeigewalt zum Erliegen kommen … man muss nur ein paar Informationen (Terror!) ins System einschleusen, schon läuft das Uhrwerk. Der Bund: das sind wir. Das Land: das sind wir. Ebenso: das Parlament. Welche Informationen sind das also, die vor uns geheim gehalten werden müßten, weil sie uns gefährden würden?

Wie wird wohl die Kölner Bevölkerung auf das Toben des Mobs am Bahnhof reagieren: dort hätte man gut 500 schwerbewaffnete Polizisten gebrauchen können, die aber leider in München waren um dort Menschen zu jagen, die  es vielleicht gar nicht gibt. Überhaupt: über den echten Terror (also: den in Köln) erfahren Sie so gut wie nichts in den bundesweiten Medien – dabei ist es keine Kleinigkeit, wenn das Gewaltmonopol des Staates durch bewaffnete Banden (wie in Syrien, Libyen und dem Irak) ausgehebelt wird – egal, welche Nationalität diese Banden haben.

Viel Material, sich Gedanken zu machen – Gedanken über den seltsamen Kurs dieses Landes. Aber das sollen wir nicht mehr. Wir sollen „unseren Alltag leben“ und die Welt der Politik anderen überlassen – den Geheimdiensten.

Machen wir dies – so brauchen wir keinen Putsch mehr, um ein ganz anderes Land zu bekommen.

Verteiler: Neopresse

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