Montag, April 29, 2024
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Der nächste Großkonflikt

(Eigener Bericht) – Inmitten der eskalierenden Krisen in und um Europa bereitet das außen- und militärpolitische Strategiezentrum der Bundesregierung die deutsche “Strategic Community” auf einen möglichen nächsten Großkonflikt vor – den Machtkampf gegen 

 

 

China. Zwar sei man zur Zeit vollauf damit beschäftigt, den Machtkampf gegen Russland sowie die Kriege gegen Jihadisten in Nahost und im nördlichen Afrika zu führen, erklärt der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), Karl-Heinz Kamp. Dennoch dürfe man den Aufstieg Chinas nicht aus dem Blick verlieren; man müsse dessen ost- und südostasiatische Rivalen stärken – denn “die westlich geprägte Weltordnung” sei bedroht. Die BAKS legt aktuell einen Schwerpunkt auf die Beschäftigung mit China und hat ihr das jüngste “Führungskräfteseminar” gewidmet, das der Bildung strategisch denkender Eliten dient. Zwar hieß es auf dem Seminar, eine etwaige “Blockbildung gegen die Volksrepublik” sei “nicht im europäischen Interesse”; schließlich profitiert die deutsche Wirtschaft stark vom China-Geschäft. Dennoch enthält die aktuelle deutsche Asien-Politik bereits Elemente einer künftigen Konfrontation. Parallelen zur Russland-Politik, die lange Zeit aus ökonomischen Gründen auf Kooperation zielte, aber dennoch vor zwei Jahren in einen erbitterten Machtkampf mündete, sind nicht zu übersehen.

 

Der 360-Grad-Blick
Inmitten der eskalierenden Krisen in und um Europa bereitet die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), das außen- und militärpolitische Strategiezentrum der Bundesregierung, die deutsche “Strategic Community” auf den Machtkampf gegen China vor. “Obwohl es vor unserer Haustür brodelt, haben wir nicht den Luxus, uns nur auf die besonders brennenden Fragen zu konzentrieren”, behauptet BAKS-Präsident Karl-Heinz Kamp: “Deutsche und europäische Sicherheitspolitik muss den 360-Grad-Blick behalten.” Dies bedeute, dass die Auseinandersetzung mit Beijing stärkere Aufmerksamkeit erhalten müsse. Die Volksrepublik erlebe weiterhin “einen fulminanten wirtschaftlichen und machtpolitischen Aufstieg, durch den die Karten im asiatisch-pazifischen Raum neu gemischt werden”; sie sei “in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer der führenden Gestaltungsmächte herangewachsen” – nicht nur “in der Region”, sondern “auch weltweit”.[1] Deshalb befasst sich die BAKS gegenwärtig in einer Reihe von Veranstaltungen mit China und hat das Land in den Mittelpunkt ihres jüngsten “Führungskräfteseminars” gestellt, mit dem sie Spitzenpersonal aus der deutschen “Strategic Community” schult (german-foreign-policy.com berichtete [2]). Es gehe in dem Seminar darum, “Optionen” für die Berliner Weltpolitik zu entwickeln, teilt das Strategiezentrum mit.

 

 
Ökonomisch einbinden
Politisch sendet die BAKS jene Doppelbotschaft aus, die für die deutsche China-Politik schon seit Jahren charakteristisch ist. Einerseits heißt es in einem Bericht vom “Führungskräfteseminar”, das im Februar durchgeführt wurde und im Herbst wiederholt werden soll, man sei sich “einig”, dass “die EU und Deutschland … eine stabile asiatisch-pazifische Region mit einer florierenden Wirtschaft” wünschten. “Eine mögliche Blockbildung gegen die Volksrepublik” sei “nicht im europäischen Interesse”.[3] Vielmehr solle Deutschland “in der Region als ‘ehrlicher Partner’ eine wichtige Rolle” spielen. Zudem seien “Kooperationsmöglichkeiten im Rahmen der VN zu nutzen”.[4] Es gelte, “alle Möglichkeiten, China weiter einzubinden …, in einer gesamteuropäischen Anstrengung” wahrzunehmen.[5] All dies reflektiert das anhaltend große Interesse der deutschen Wirtschaft an einer engen Zusammenarbeit mit China, das sich in den vergangenen Jahren zum zweitwichtigsten Zielland deutscher Unternehmen außerhalb Europas entwickelt hat. Die Volksrepublik ist – mit beträchtlichem Abstand vor der Nummer drei – zweitgrößter deutscher Investitionsstandort deutscher Firmen außerhalb der EU und zweitgrößter außereuropäischer Käufer deutscher Waren; außerdem ist sie seit dem vergangenen Jahr größter Lieferant der Bundesrepublik überhaupt. Eine Eintrübung der deutschen Beziehungen zu China gilt als ökonomisch riskant.

 

 
Politisch einkreisen
Andererseits warnt die BAKS, der Aufstieg Chinas bedrohe die globale westliche Hegemonie. In den vergangenen Jahren habe sich “gezeigt”, dass “die westlich geprägte Weltordnung” sich möglicherweise “nicht durchsetzen” könne, heißt es bei der Institution.[6] “Die westliche liberale Weltordnung steht weltweit unter Druck”, erklärte BAKS-Präsident Kamp unlängst bei einer Veranstaltung im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz. Die “Bedrohungslage” sei “ernst”: Man werde im Osten von Russland, im Süden von Jihadisten bedrängt; in der asiatisch-pazifischen Region baue China sich “zu einem Gegengewicht zur bisherigen Ordnungsmacht USA auf”. Gleichzeitig schwinde “die Überlegenheit der westlichen Waffensysteme”.[7] “Ein engerer Schulterschluss der westlichen Welt ist dringend erforderlich”, riet Kamp: “Das umfasst nicht nur Europa und Nordamerika, sondern alle Demokratien westlichen Typs”, darunter nicht zuletzt “Israel, Japan und Australien”. Entsprechend heißt es in einem knappen Strategiepapier, das vom jüngsten BAKS-“Führungskräfteseminar” beschlossen wurde, “Deutschland und die EU” sollten in Ostasien “vor allem” die Annäherung an Japan, Vietnam und Südkorea fördern. Dies solle nur “im Sinne einer Mächtebalance” geschehen und dürfe nicht “als Beitrag zur Einkreisung Chinas verstanden” werden, heißt es weiter in dem Dokument [8] – ein hilfloser Versuch, die strategische Einnahme antichinesischer Positionen verbal als angeblich ausgleichenden Akt zu kaschieren.

 

 
Die Stunde der Entscheidung
Unklar ist, wie lange sich die widersprüchlichen Positionen der deutschen China-Politik verbinden lassen. Mit der Frage hat sich die außenpolitisch einflussreiche Hamburger Körber-Stiftung schon 2011 in einem “Policy Game” befasst. Sie kam zu dem Schluss, zwar werde Berlin möglicherweise versuchen, “eine Politik der Äquidistanz gegenüber Washington und Peking zu verfolgen”. Doch werde “diese Politik bei einer Konflikteskalation zwischen China und den USA an ihre Grenzen” stoßen – vor allem, weil die ökonomischen und finanziellen Bindungen Deutschlands an die Vereinigten Staaten weiterhin viel enger seien als die entsprechenden Bindungen an die Volksrepublik. Berlin werde sich – aus Eigeninteresse – im Fall der Fälle auf die Seite Washingtons schlagen müssen.[9] Aus heutiger Sicht ließe sich hinzufügen, dass eine ähnliche Entwicklung – der Umschlag einer Phase der ökonomisch bedingten Kooperation in eine Phase der strategischen Konfrontation – in den vergangenen zwei Jahren in den Beziehungen zu Russland stattgefunden hat. Zu berücksichtigen wäre auch, dass die deutschen Investitionen in den USA diejenigen in China immer noch um das Fünffache übersteigen und die Vereinigten Staaten inzwischen Deutschlands Exportland Nummer eins sind – deutlich vor der Volksrepublik, die aus deutscher Sicht bis heute im Schatten der Vereinigten Staaten steht. TTIP dürfte die exklusiven Wirtschaftsbeziehungen weiter vertiefen und die transatlantischen Prioritäten stärken. Gleichzeitig fehlt es wegen der aggressiven US-Politik in Ostasien keinesfalls am Potenzial zu einer Eskalation, die die Bundesrepublik zur Entscheidung zwingen könnte.[10]

 

 
Deutsche Prioritäten
Tatsächlich hat die BAKS bereits mehrfach Szenarien für – auch bewaffnete – Konflikte mit China durchdiskutiert (german-foreign-policy.com berichtete [11]). Die Bundesregierung bemüht sich zudem seit Jahren systematisch – wenn auch mit gemischtem Erfolg – um eine engere Kooperation mit tatsächlichen oder potenziellen ost- und südostasiatischen Rivalen der Volksrepublik von Thailand über Indonesien und Vietnam bis Südkorea und Japan.[12] Auf welche Seite Berlin sich im Falle eines bewaffneten Konflikts schlagen dürfte, lassen seit Jahren die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung erahnen: Während China nach wie vor mit einem Waffenembargo belegt ist, erhalten nicht wenige Staaten Ost- und Südostasiens große Mengen an Militärgerät aus der Bundesrepublik. So befanden sich Südkorea und Singapur in den vergangenen zehn Jahren fast immer unter den zehn größten Abnehmern deutscher Rüstungsprodukte. Seit 2013 zählt auch Indonesien zu den Top 10-Käufern deutschen Kriegsgeräts; selbst das kleine Sultanat Brunei schaffte es jüngst zweimal unter die ersten zehn. Laut Angaben der Bundesregierung hat Südkorea 2015 erneut mehr als eine halbe Milliarde Euro für Einkäufe bei deutschen Waffenschmieden ausgegeben und dabei unter anderem Lenkflugkörper im Wert von 270 Millionen Euro erworben. Während Berlin aus der Kooperation mit der Volksrepublik so lange wie möglich Profit zu ziehen sucht, rüstet es Chinas Rivalen für einen potenziell eskalierenden Konflikt mit Beijing auf – damit bestätigend, dass die Bewahrung der globalen westlichen Hegemonie aus deutscher Sicht im Fall der Fälle bis heute Priorität genießt.

 

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