Samstag, April 20, 2024
StartPolitikEuropa„Die mächtigste Frau der Welt ziemlich machtlos“: Kann Merkel einen Lockdown verhindern?

„Die mächtigste Frau der Welt ziemlich machtlos“: Kann Merkel einen Lockdown verhindern?

„Risikogebiet Deutschland – Schaffen wir die Wende?“ lautete das Thema des jüngsten „Maybrit Illner“-Talks. Das Fazit: Vor allem die Regierung braucht eine Wende, und zwar in Bezug auf den Tonfall, in dem sie mit der Bevölkerung über die Pandemie redet. Die von Merkel und Co. betriebene Einschüchterungspolitik hat sich nämlich abgenützt.

Die Infektionszahlen in Deutschland sind hoch wie noch nie. Der Warnwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner ist überschritten, hieß es im Einspieler der Sendung. Ganz Deutschland verwandelt sich in ein Risikogebiet – und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo die Bevölkerung eine starke pandemische Erschöpfung aufweist und all die Einschränkungen hinter sich zu haben glaubte.

„Keine Prävention durch Repression“

„Die Prävention lässt sich nicht durch Repression durchsetzen“, behauptete der Investigativ-Journalist Georg Mascolo. Die Meldung, am kommenden Wochenende werde es in Berlin zu einem großen Einsatz kommen, unter anderem von der Bundespolizei, sei nicht zielführend und bewirke eher das Gegenteil, weil sich die Einschüchterungspolitik „sich abnützt“. Erforderlich sei das Vertrauen der Menschen in das Handeln der Politiker, die sie durch diese Krise führen.

„Der Ansatz muss sein, dass so viele wie möglich sich freiwillig an die Regeln halten“, so der ehemalige „Spiegel“-Chefredakteur. „Der Einsatz staatlicher Mittel sollte nur für die angewandt werden, die es überhaupt nicht begreifen wollen.“

Diese Meinung teilte auch die Schriftstellerin und Kolumnistin Jagoda Marinic. „Mir ist die ‚Wir-schaffen-das‘-Merkel lieber als die ‚Unheil‘-Merkel“, meinte sie, denn „der permanente Alarm-Modus treibt die Menschen in den Trotz“. Statt die Menschen mit ihren „Unheil“-Äußerungen Angst einzujagen, sollte die Bundeskanzlerin den Solidaritätsgeist in der Bevölkerung aufwecken und zu einem gemeinsamen, ja partnerschaftlichen Handeln mobilisieren.

Was jetzt nicht unbedingt problemlos erscheint, wo die Krisenmanager in der Politik in letzter Zeit durch unüberlegte, anscheinend durch wachsende Panik diktierte Kurzschlussentscheidungen – Paradebeispiel „Beherbergungsverbot“ – einiges an Glaubwürdigkeit verloren haben. Die Akzeptanz für die Corona-Maßnahmen ist im Lande infolge derart falscher Entscheidungen, die innerhalb weniger Tage von den Verwaltungsgerichten gekippt bzw. von Landesregierungen selbst zurückgerufen wurden, ganz spürbar zurückgegangen.

„Herr Tschintscher, Sie sind ein vornehmer Mann“

Beim Thema „Beherbergungsverbot“ regte sich Christian Lindner besonders auf. „Die Qualität der politischen Entscheidungen muss besser werden“, postulierte der FDP-Vorsitzende in der Talk-Runde. „Ich bin fest davon überzeugt, dass eine Fehleinschätzung wie das Beherbergungsverbot nie zustande gekommen wäre, wenn das vorher im Bundestag diskutiert worden wäre. In einem parlamentarischen Verfahren hatte man das Beherbergungsverbot als unverhältnismäßig zurückgewiesen.“

Das Gegenargument von Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschintscher in der schwer durchschaubaren und sich schnell verändernden Pandemie-Situation gehe es um rasche Entscheidungen, ließ Lindner nicht gelten: Der Bundestag sei durchaus in der Lage, auf komplizierte Probleme schnell zu reagieren. Außerdem würden sich die Kritiker und Skeptiker halbwegs mitgenommen fühlen, wenn ihre Argumente im Parlament abgewogen würden. „Das trägt zur Versöhnung in der Gesellschaft bei“, behauptete Lindner – was allerdings eher als frommer Wunsch erscheint: Nicht allzu viele Querdenker und „Corona-Leugner“ würden jedenfalls in Lindners Person gern ihren Wortführer sehen.

Nicht entgehen ließ Lindner auch die Gelegenheit, dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder einen Seitenhieb zu verpassen. Da dieser aber bei „Maybrit Illner“ nicht anwesend war, gebrauchte der FDP-Chef den Hamburger Stadtvater quasi als dessen „Stellvertreter“: „Herr Tschentscher, Sie sind ein vornehmer Mann, anderer Regierungschef sprechen davon, es sollten die Zügel angezogen werden! Was ist das allein schon für ein Vokabular gegen dem Souverän, dem Bürger!“

„Die mächtigste Frau der Welt ist ziemlich machtlos“

„Die Kanzlerin wird von vielen in der Welt als die mächtigste Frau der Welt tituliert, aber wenn es um Fragen des Infektionsschutzes geht, ist sie tatsächlich ziemlich machtlos“, stellte Georg Mascolo fest.

Ihre „rechte Hand“ beim Anti-Pandemie-Kampf, Gesundheitsminister Jens Spahn, hat sich ein Corona-Virus eingeholt – und mit ihm nicht nur sein Ehemann, sondern auch gleich mehrere Angestellte seines Ministeriums. Dabei muss man ja eigentlich fest davon ausgehen, dass der Minister all die von ihm gepredigten Vorsichtsmaßnahmen – Maske, Hygiene, Abstand, Lüften – strikt eingehalten hatte. Wenn sich all das selbst bei ihm nicht richtig funktioniert hat – was sollen die „einfachen Leute“ von diesen Predigten halten? Und wo selbst der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, den Nutzen von Alltagsmasken bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie anzweifelt, droht das gesamte Corona-Schutz-Konstrukt ins Wanken zu kommen.

„Das Fiese am Virus ist, dass man Arbeiten gehen kann, aber vieles verboten ist, was Spaß in der Freizeit macht“, so Mascolo. Alles in allem: Deutschland steht ein düsterer Winter bevor, in dem die Regierenden mit dem Fußvolk möglichst sanft reden sollten, damit dieses denen halbwegs Folge leistet und nach Möglichkeit Selbstverantwortung an den Tag legt.

Denn ein neuer Lockdown muss verhindert werden – darüber waren sich alle am „Maybrit Illner“-Tisch einig.

Eine Art Happyend hatte die Redaktion des TV-Talks schon vorgesehen: Gegen Schluss wurde Stefan Oschmann, CEO und Geschäftsführer des Pharmakonzerns Merck, aus München zugeschaltet, der sich „vorsichtig optimistisch“ äußerte: „Ich hoffe sehr, dass wir bald mehrere Impfstoffe haben werden.“ So durfte Tschentscher die Sendung auch mit aufbauenden Worten beenden: „Ich bin mir sicher, dass wir im Frühjahr in einer besseren Lage sein werden.“

* Die Meinung des Autors muss nicht der der Redaktion entsprechen.

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