Montag, April 29, 2024
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Die „Welt“: George Soros der Menschenfreund

Richard Herzinger hat in der „Welt“ eine Verteidigungsrede für George Soros niedergeschrieben, die symptomatisch ist für den Zustand der „Qualitätsmedien“ hierzulande. Verglichen mit Herzingers Soros-Artikel sind die Märchen der Gebrüder Grimm wahre Augenzeugenberichte. Die Medienkritik.

Herzingers Artikel in der „Welt“ ist eine Ansammlung von Beschönigungen, Auslassungen und nicht gestellten Fragen. Es ist wirklich bemerkenswert, wie sehr sich der Mann verbiegt. Muß er das, um nicht – wie Horst Steltzner bei der FAZ –  im Streit gegangen zu werden? Der Eindruck drängt sich jedenfalls immer mehr auf, daß das System samt seiner System-Medien eher die Reihen schließt, als daß es sich infrage stellen lassen würde. Schon Herzingers Teaser ist eine einzige Schleimspur.

„Der US-Milliardär George Soros ist nicht nur das Feindbild Viktor Orbáns. Überall im Westen machen Rechtsnationale den Juden mit antisemitischem Unterton für die Übel der Globalisierung verantwortlich. Doch der Philanthrop macht sich auch angreifbar“. 

Da stellen sich gleich mehrere Fragen. Die erste: Rechtsnationale mit antisemitischem Unterton? Oder der Jude – Soros ist Jude –  mit antisemitischem Unterton? Die Frage ist berechtigt, weil Herzinger weiter unten in seinem Artikel berichten wird, daß Israels Netanjahu dem Ungarn Viktor Orbán beigesprungen ist, als der wegen seiner Äußerungen über Soros des Antisemitismus bezichtigt worden war. Die zweite: Wenn George Soros überall im Westen für die Übel der Globalisierung verantwortlich gemacht wird, wie wird es dann Herzinger gelingen, zu belegen, daß Leute „überall im Westen“ falsch liegen, er selbst hingegen richtig – und Frage drei: Wird Soros „überall im Westen“ auch von anderen Leuten kritisiert, oder tun das exclusiv „Rechtsnationale“. Frage vier: Dient das Wort „Rechtsnationale“ im Text etwa nur dazu, die Soroskritiker schon einmal in der richtigen Schublade des Leserhirns einzusortieren, bevor es mit dem eigentlichen Text losgeht? Zweifelhaft ist dieses Vorgehen auf jeden Fall, da sich erst kürzlich der Politikprofessor Nölke von der Goethe Universität in Frankfurt für den Nationalstaat stark gemacht hat. Und der ist Mitglied der Linken. Frage fünf: Ist jeder, der sich als Philanthrop ausgibt, tatsächlich ein Philanthrop, oder wäre Philanthropie nicht auch die bestmögliche Verkleidung für einen Misanthropen zur Verfolgung seiner inhumanen Ziele? Eines steht fest: Wer es schafft, am Anfang eines Artikels in nur drei Sätzen so viele Fragen aufzuwerfen wie Herzinger hier, der hat wahrscheinlich nicht vor, sich eindeutig zu positionieren, sondern der plant eher, sich so durchzulavieren, daß hinterher niemand sagen kann, er hätte etwas behauptet. „Sich angreifbar machen“ heißt: In der Sache recht zu haben, aber ungeschickt zu agieren. Soros agiert demnach ungeschickt, Herzinger hat das erkannt und würde es folglich selbst besser machen, um zweifelsfrei als Philanthrop durchzugehen. Wer´s glaubt, wird selig.

Den 1930 in Budapest geborenen und nach dem Krieg zuerst nach England, dann in die USA emigrierten Milliardär und Philanthropen George Soros für alle Übel verantwortlich zu machen, die den Völkern von der Globalisierung, dem international operierenden Finanzkapital sowie von Migranten und Flüchtlingen vornehmlich aus islamischen Ländern drohten, ist zu einer Art Erkennungscode rechtsnationaler Parteien, Politiker und Verschwörungstheoretiker in der gesamten westlichen Welt geworden.

Das muß dem Leser gleich mal ins Hirn gehämmert werden: Soros ist Philanthrop. Deswegen kann Herzinger diese unbewiesene Behauptung gar nicht oft genug wiederholen. So viel steht aber fest: Ein Philanthrop ist jemand, der dem Menschen als solchem zugeneigt ist, nicht einer Menschenmasse. Soros denkt aber nachgewiesermaßen nicht in der Größenordnung 1, sondern in der Größenordnung „alle“. Was niemanden verwundert. Schließlich denkt Soros auch nicht nur an einen Dollar, sondern an alle Dollars. Im übrigen ist das ein sehr schmaler Grat, den Herzinger hier beschreitet: Sollte sich nämlich unwiderlegbar herausstellen, daß George Soros mitnichten ein Philanthrop ist, dann wäre der zwingende Schluß, daß rechtsnationale Parteien, Politiker und Verschwörungstheoretiker in der gesamten westlichen Welt recht hatten. Und das wäre ein Desaster für alle anderen, weil der „Erkennungscode“ dann Ausweis der Klugheit der Einen – und seine Abwesenheit bei den Anderen Ausweis ihrer Borniertheit geworden sein würde.

Dass Viktor Orbán den Juden und Holocaust-Überlebenden Soros seit Jahren als eine Art Volksfeind Nummer eins denunziert, hatte die Europäische Volkspartei (EVP), der Zusammenschluss demokratisch-konservativer Parteien im Europäischen Parlament, bisher hingenommen.

Leider ist es aber so, daß es bei der Frage danach, ob jemand Volksfeind Nummer eins ist, nicht die geringste Rolle spielt, ob er Jude und Holocaust-Überlebender ist. Zumal Soros selbst erzählt hat, daß er den Holocaust als Nazi-Kollaborateur überlebt hat, was man ihm zwar keinesfalls vorwerfen darf, deswegen aber noch nicht ignoriert werden kann.

Die ZEIT schrieb am 14.10.2017: „Soros selbst hat seine Erlebnisse während des Holocaust als Motivation für sein Engagement genannt. Als die Nazis 1944 Budapest besetzten, gelang es Soros‘ Vater, einem Anwalt, seine Familie und andere mit falschen Identitäten auszustatten. Der knapp 14-jährige George kam als angeblicher Patensohn in die Obhut eines nichtjüdischen Beamten des Landwirtschaftsministeriums. Als dieser im Auftrag der neuen Machthaber Besitz von jüdischen Bürgern einzog, begleitete ihn der Junge. Soros Familie überlebte.“

Wer sich also bemüßigt fühlt, statt „Börsenspekulant und Multimilliardär Soros“ ständig von „Philanthrop Soros“ und „Jude und Holocaust-Überlebender Soros“ zu schreiben, obwohl das Erste nichts als eine unbewiesene Vermutung anhand eines konstruierten Images – , und Zweiteres eine in der Sache überflüssige Information ist, der setzt sich dem Verdacht aus, ein ganz bestimmtes Bild von Soros kreieren zu wollen – und zwar eines, von dem er annimmt, daß es sich in einer hypermoralischen Gesellschaft mit etabliertem Nazi-Schuldkomplex zuverlässig etablieren läßt. Herzinger agiert manipulativ. Und er allein weiß, warum er der Ansicht ist, das so machen zu müssen. Vermutlich macht er das deswegen, weil er auch weiß, daß sich anders das Bild nicht herstellen läßt, das er gern kreieren würde. Soros ist bekanntlich Popper-Adept. Das vielleicht bekannteste Werk von Karl Popper wiederum trägt den Titel „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“. Und nicht umsonst ist Soros Stifter der „Open Society Foundation“, die sich mit ihren Krakenarmen überall in die Politik demokratisch gewählter Regierungen einmischt, ohne für irgendetwas davon von irgendwem gewählt worden zu sein.

Gideon Rachman, selbst Sohn jüdischer Eltern, schrieb in der  Financial Times, George Soros sei der perfekte Bösewicht, weil er ein Internationalist in einem nationalistischen Zeitalter sei. Dieser Rachman aber auch. Er scheint wohl mit Viktor Orbán die „antisemitischen Untertöne“ (Herzinger) zu teilen und dabei mit Benjamin Netanjahu gegen den „Philanthropen Soros“ zu kollaborieren. Wer auch das noch glaubt, der wird schon wieder selig.

Was Herzinger komplett unbeleuchtet läßt in seinem Artikel, ist aber die folgende – und wichtigste Frage: Was geht es einen Bankmenschen und Börsenspekulanten ungeachtet seines sagenhaften Reichtums als ungewählter Bürger eigentlich an, was demokratisch gewählte Regierungen tun? Ist es in Ordnung, daß jemand mit seinem Geld Politik macht, Regierungen direkt beeinflußt und sozusagen zur Durchsetzung seiner eigenen Überzeugungen „einkauft“? Warum sollte Bürger Soros mehr Einfluß auf politische Entscheidungen haben, als ein vergleichweise armer Bürger? Weil das besonders demokratisch ist, oder weshalb?

Leonid Bershidsky, Politikkommentator für den Finanznachrichtendienst Bloomberg Viewschrieb, es sei kein Zufall, dass sich ausgerechnet in jenen Ländern, denen Soros mit seinen Stiftungen zu mehr Demokratie verhelfen wollte, Regierungschefs mit autokratischen Tendenzen herausgebildet hätten. Man denkt unwillkürlich an Frau Merkel bei seinen Worten. Soros‘ Ideen hätten bei deren Völkern nie richtig Fuß gefasst, schreibt Bershidsky. Einmal davon abgesehen, daß er mit „mehr Demokratie“ schon deswegen daneben liegt, weil es mehr oder weniger Demokratie nicht geben kann, sondern nur Demokratie oder keine: Da werden Herzingers „Rechtsnationale“ samt ihren „antisemitischen Untertönen“ doch urplötzlich zu Demokraten – und Herzinger zum Apolegeten des leibhaftigen Antidemokraten. So gesehen passen Herzinger und die „Welt“ nicht nur unter kommerziellen Gesichtspunkten gut in eine deutsche Gegenwartsepoche, in der die Demokratie zielstrebig zugunsten einer zivilreligiösen, stocktotalitären Ziviltheokratie abgeschafft werden soll. Der in Harvard lehrende Historiker Niall Ferguson formulierte das dieser Tage in der NZZ folgendermaßen: „Als Rechter bist du ein potenzieller Nazi. Kommunisten hingegen sind moralisch einwandfreie Sozialdemokraten.

Das dürfte das mediale Umfeld und die Bedingungen bestens beschreiben, zu denen „Welt“-Autor Herzinger veröffentlichen darf. Wahrscheinlich hat er keine Lust, der nächste Steltzner zu werden. Diese Möglichkeit sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man der Schleimspur in seinem Artikel von Absatz zu Absatz folgt.

@jouwatch

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