Freitag, April 19, 2024
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Egon Bahr schockt die Schüler: “Es kann Krieg geben”

 

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SPD-Urgestein Egon Bahr traf in der Ebert-Gedenkstätte Heidelberger Schüler – und sprach über ein ganz anderes Thema als erwartet: Statt um Willy Brandt ging es in seinem Vortrag um die Gefahren eines…

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“Cyber War”, also eines digitalen Krieges.

Egon Bahr hat die Schüler nach drei Sätzen in der Tasche. Weil er Humor hat. Als Michael Braun von der Ebert-Gedenkstätte ihm wortreich das Gästebuch anreicht, in das der 91-Jährige seine Unterschrift setzen möge, fragt Bahr nur: “Sie sind sich nicht ganz sicher, ob ich meinen Namen noch schreiben kann, stimmt’s?” Die Zwölftklässler des Bunsen-Gymnasiums sind hingerissen von Bahrs Schlagfertigkeit.

Doch dann legt der SPD-Grande los. 45 Minuten lang spricht er frei und ohne Pause. Aber nicht über Willy Brandt, nicht über die Neue Ostpolitik, wie alle erwartet hatten – sondern über Krieg und Frieden. “Hitler bedeutet Krieg”, habe sein Vater 1933 zu ihm gesagt. Als Heranwachsender habe er das nicht geglaubt. Und so sei das jetzt wieder: “Ich, ein alter Mann, sage euch, dass wir in einer Vorkriegszeit leben.” Und die jungen Leute, sagte er, würden es ihm nicht glauben.

Bahr schlägt einen Bogen, wie es nur ein politisch versierter Zeitzeuge kann: von Hitler über den Kalten Krieg bis zur seiner Ansicht nach größten Gefahr der Gegenwart – dem Internet. “Wir weigern uns, zur Kenntnis zu nehmen, dass es das erste Mal wäre, dass eine bahnbrechende neue Erfindung nicht für den Krieg missbraucht wird.” Das Internet als die Atombombe des 21. Jahrhunderts? Eine steile These aus Sicht der Schüler, die aber umso gebannter an Bahrs Lippen hängen. Keiner zückt sein Smartphone, um mal kurz die Mails zu checken, während der Architekt der Ostverträge spricht.

Faszinierend, mit welcher Stringenz und rhetorischen Klarheit der 91 Jahre alte Mann seine Warnung herleitet und untermauert. Die USA und Russland hätten den “Cyber War” ja schon ausprobiert, erstere im Iran etwa. “Wir brauchen eine internationale Vereinbarung zur Eindämmung elektronischer Kriegsführung – so wie wir es früher mit konventionellen und den atomaren Waffen gemacht haben.”

Bahr ist fertig und das muss bei den Schülern erst mal sacken. Fragen zu Bahrs selbst gewähltem Thema haben sie nicht. Aber dafür umso mehr zu dessen Lebensthema: Willy Brandt, Wandel durch Annäherung, Entspannung. Warum er SPD-Mitglied wurde (“Um dafür zu sorgen, dass es nie wieder Krieg gibt”) und ob er mit Brandt immer einig war (“In der grundsätzlichen Richtung unserer Politik, ja”), wollen Philipp Ohlheiser und Felix Martel wissen. Die beiden 17-Jährigen haben zuvor im Unterricht die Fragen ihrer Mitschüler gesammelt.

Ein-Satz-Antworten gibt es bei Bahr nicht. Zum Glück, denn seine Anekdoten machen Geschichte lebendig. Etwa jene, wie er in Moskau 1970 am Kopf frierend ein Hutgeschäft suchte. “Die Scheiben waren alle vereist, man sah nicht, welche Waren angeboten wurden.”

Nach 90 Minuten ist Schluss und Cleo Körnig ist baff. “Wir er all diese Themen verknüpft hat, wow”, sagt die Schülerin. Das sei ein ganz neuer, ein ganz anderer Blick auf die Geschichte als im Unterricht. Und ihre Freundin Büsra Yilmaz meint: “Aber ein wenig Angst hat er uns ja schon gemacht.”

Der wichtigste Tipp Bahrs an die Schüler? “In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.” Das werden die Schüler sicher nie vergessen.

Quelle: rnz.de vom 04.12.2013

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