Sonntag, April 28, 2024
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Egon von Greyerz: Finanzmarkt-Debakel – reale Welt vs. virtuelle Welt

Echtes Gold gegen Pokémon GO? Das ist für die meisten Menschen eine einfache Entscheidung, denn kurz nach der Einführung gibt es bereits mehr als 30 Millionen Nutzer des Spiels Pokémon GO (PG). Für lange Zeit hat Gold nicht dasselbe Interesse bekommen, aber dies wird sich in den nächsten paar Jahren wahrscheinlich ändern.

Gold und PG konkurrieren nicht im selben Markt. In der heutigen virtuellen Welt wird ein neues bahnbrechendes virtuelles Spiel immer das größere Interesse von Seiten der Durchschnittsperson erhalten. Solange Gold ein barbarisches Relikt ist – wie John Maynard Keynes es nannte -, repräsentiert PG alles worum es heutzutage geht: Fantasterei und Träumerei.

Darüber hinaus ist PG so real, dass die Spieler nicht einmal mehr wissen, ob es Fiktion oder Fakt ist. Was PG anders macht, ist dass es in der realen Welt gespielt wird. Man läuft durch die Gegend und benutzt das GPS des Mobiltelefons, um in einer nahegelegenen Straße virtuelle Monster wie Pikachu und Jigglypuff zu finden. Die Spieler jagen die Straße herunter und rennen dabei in reale Autos und Zäune hinein.

Das $ 100 Billionen Ponzi-Schema

In vielen Bereichen der Gesellschaft ist die Grenze zwischen der “realen“ Welt und der virtuellen Realität sehr verschwommen. In der Investment-Welt hat die virtuelle Realität in großem Ausmaß das Investieren in “reale“ Dinge ersetzt. Wir haben eine Welt voller virtuellem Geld, virtuellem Gold und virtuellen Vermögen. Geld wurde einmal durch Gold gedeckt, aber das ist ein vollkommen überholtes Konzept. Heutige Regierungen und Zentralbanker können jeden Betrag erschaffen, ohne ihn durch irgendwas zu decken.

Stattdessen drucken sie ein Stück Papier und nennen es Geld. Und gleichzeitig geben sie ein weiteres Stück Papier heraus und nennen es Staats- oder Bundesanleihe. Im Vereinigten Königreich werden diese Staatsanleihen “Gilts“ [gilt=vergoldet] genannt, was den Eindruck erweckt, dass sie durch Gold gedeckt seien. Leider findet sich das einzige Gold im gedruckten Goldrand auf diesen Anleihen.

Staatsanleihen sind Schuldscheine mit einem Zahlungsversprechen. Aber in der Praxis belügen alle Regierungen ihre Bevölkerung wenn sie diese Staatsanleihen herausgeben, denn sie wissen, dass diese niemals mit echtem Geld zurückgezahlt werden. Folglich betrügen die Regierungen ihr Volk im größten Ponzi-Schema der Geschichte, welches jetzt weltweit annähernd $ 100 Billionen groß ist.

Aber nicht nur, dass Regierungen ihre Schulden niemals zurückzahlen, sie haben jetzt ein Stadium erreicht, in dem sie sich nicht einmal mehr die Zinsen für diese Staatsanleihen leisten können und deswegen liegt der Zins auf die meisten Staatspapiere bei Null oder im Negativbereich. Es ist absolut unbegreiflich, wie ein Investor eine Staatsanleihe mit Null- oder Negativzins kaufen kann, die dazu niemals ausgelöst werden wird. Um es mit den Worten von Mark Twain zu sagen:

“I am as concerned about the lack of return ON my money as the return OF my money.“

[“Ich mache mir ebenso große Sorgen um den Ertrag meines Geldes, wie um die Rückzahlung meines Geldes.“]

Realistische Spiele wie PG tragen dazu bei, die virtuelle Welt der realen Welt noch weiter anzunähern. Deshalb kaufen Investoren auch fröhlich ETFs, Futures oder Papiergold. Der prozentual größte Anteil an Investitionen ist heute virtuell oder in Derivaten. Das bedeutet, dass es keine zugrundeliegenden realen Werte gibt, sondern nur Papiere, die in den kommenden Jahren wahrscheinlich wertlos werden. Zusätzlich zu den meisten ETFs – welche synthetisch sind -, gibt es $ 1,1 bis $ 1,5 Billiarden an ausstehenden Derivaten. Die meisten davon sind rein virtuell, was bedeutet, dass sie keinerlei realen Wert haben und somit wahrscheinlich ebenfalls wertlos werden.

15 Mal so viele Derivate, wie das jährliche Welt-BIP

Es sind aber nicht nur ETFs und Derivatemärkte, welche rein virtuell sind. Sowohl Aktienmärkte, als auch Bondmärkte haben immer weniger mit der Realität zu tun, weil Regierungen weltweit jetzt unbegrenzte Mengen wertloser Schulden herausgeben, um die Anlagemärkte zu stützen – Aktien und Bonds inbegriffen. Während sich Investoren in vielen Ländern aus den Aktienmärkten zurückziehen, kaufen Regierungen wachsende Mengen an Aktien und Bonds. Sowohl die Europäische Zentralbank, als auch die Bank of Japan treiben diese Märkte aktiv nach oben.

Die BoJ ist unter den Top 10 der Aktienhalter bei 90 % aller aktiennotierten japanischen Unternehmen. Was aber noch schlimmer ist, die BoJ ist der derzeit einzige Käufer japanischer Staatsanleihen und besitzt aktuell 50 % aller ausstehenden Bonds. Die EZB ist ebenso aktiv in den meisten Anlagemärkten und kauft Unternehmensanleihen in der Größenordnung von € 400 Millionen am Tag.

Weil viele große Zentralbanken die Märkte aktiv stützen, steigen viele Aktienmärkte auf neue Höchststände. Aus diesem Grund erreichen die Indizes schwindelerregende Höhen. Die Schiller P/E-Ratio für den S&P steht jetzt beispielsweise bei 27X. Der Durchschnitt liegt dagegen bei 16,7X, was eine aktuelle Überbewertung von 62 % bedeutet.

Zentralbanken kaufen unglaubliche Mengen an Aktien und Bonds

Der alte Bernanke-Ausdruck “Helikopter-Geld“ ist nun wieder zu einem Modewort geworden. Aufgrund des Zustands der Welt, mit Rekorddefiziten, Rekordschulden und keinerlei Möglichkeit diese Schulden jemals zurückzuzahlen – selbst bei Null- oder Negativzinsen -, kennen Zentralbanken nur eine Lösung: mehr Geldschöpfung und mehr Schulden.

An dieser Stelle kommt der Helikopter zum Zug. Alles was nötig ist, ist unbegrenzte Mengen gedruckten und wertlosen Geldes über der Welt abzuwerfen und zu hoffen, dass dadurch das Problem gelöst wird, welches durch die Schulden überhaupt erst erschaffen wurde. Das Problem ist jedoch, dass das Gewicht dieses ganzen Papiers die Helikopter letztlich zum Absturz und das Weltfinanzsystem zur Implosion bringen wird.

Vorher wird dieses virtuelle Falschgeld noch eine hyperinflationäre Phase erschaffen, welche die Weimarer Republik oder Zimbabwe vermutlich in den Schatten stellen wird. Dies könnte problemlos zu noch mehr Überbewertungen bei Aktien führen, bevor sie garantiert kollabieren. Auch wird es dazu führen, dass die Staatsanleihen-Märkte zusammenbrechen und die Zinsen auf unvorstellbare Niveaus steigen.

In dem kommenden Debakel in den Welt-Finanzmärkten und der Weltwirtschaft ist Gold nicht nur ein Investment, denn Gold ist die Lebensversicherung gegen eine zerbrechliche und verfaulte Welt. Physisches Gold wird in der kommenden hyperinflationären Zeit nicht nur als Schutz gegen die Zerstörung der Papiergelder dienen, Gold wird auch Investoren vor der nachfolgenden deflationären Implosion schützen. Denn es werden, wenn überhaupt, nur sehr wenige Banken überleben und Gold wird die einzige Liquidität darstellen, bis das Finanzsystem wiederhergestellt ist.

Egon von GreyerzVon Egon von Greyerz

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