Montag, Mai 6, 2024
StartPolitikEuropa„Eine Totgeburt“: Neuer Öffnungsplan nur weiterer „unabsichtlicher“ Fehler der Regierung?

„Eine Totgeburt“: Neuer Öffnungsplan nur weiterer „unabsichtlicher“ Fehler der Regierung?

Vier Politiker und drei Nicht-Politiker diskutierten in der TV-Sendung „Maybrit Illner“ am Donnerstag über den jüngsten Lockerungsplan der Regierung. Kritik gab es genug, gelobt wurde der Plan kaum.Die härteste Beurteilung des Plans lautete: „Eine Totgeburt“. Das „Tröstende“ dabei: Die bisher gescheiterten Corona-Bekämpfungspläne haben die Menschen dennoch mehrheitlich überlebt.Manuela Schwesig und Markus Söder haben am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“ die regierenden Politiker vertreten, die Opposition wurde von Robert Habeck und Christian Lindner repräsentiert. Vom „sonstigen Volk“ waren Mediziner Hendrik Streeck, Journalistin Melanie Amann und Künstler Dieter Hallervorden dabei.Im Übrigen: Es ist zwar ein lobenswerter Anspruch der „Maybrit Illner“-Redaktion, möglichst viele namhafte Zeitgenossinnen und -genossen zu Wort kommen zu lassen. Der Moderatorin fällt es aber zusehends schwer, die überbevölkerte Sendung zu managen.

Zusätzlich erschwert wurde ihre Aufgabe dadurch, dass drei der sieben Akteure aus der Ferne zugeschaltet wurden.

„Wie eine Heuschrecke vom Dressurreiten“

Wie dem auch sei, die Rollenverteilung bei der am Donnerstagabend angebotenen Konstellation war klar: Die amtierenden Politiker haben den neuen Plan mehr oder weniger begrüßt beziehungsweise gerechtfertigt. Die anderen Teilnehmer neigten mehr oder weniger dazu, ihn zu verreißen.Besonders giftig lautete wohl der Kommentar des Schauspielers Dieter Hallervorden. Er führt das Berliner Schlosspark-Theater, welches seit Monaten – trotz des nach Worten des Künstlers „hervorragenden Hygienekonzeptes“ – pausieren muss:

„Ich habe heute diese 13 Seiten gelesen und würde die Bundesregierung bitten, mir doch bitte zu nennen, wer das geschrieben hat, weil ich würde den sofort als Kabarettautoren versuchen zu gewinnen.“Hallervorden wollte nicht begreifen, warum die Friseure öffnen durften und damit in den Augen der Regierenden für die Bevölkerung wichtiger sind als die Kunst- und Kultureinrichtungen, die weiter geschlossen bleiben müssen.

„Man hat den Eindruck, dass die Regierung von Organisation, wie wir das im privaten Bereich kennen, so wenig versteht wie eine Heuschrecke vom Dressurreiten“, fügte er hinzu.„Wir haben die Vorzeichen völlig verkehrt: Sonst wurde bei 50 geschlossen, jetzt wird bei 50 gelockert“, kritisierte der Grünen-Co-Vorsitzende Robert Habeck. Mit „50“ waren natürlich die Inzidenzzahlen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche gemeint. Die neue Richtlinie sei insofern nicht virologisch begründet, sondern vielmehr politisch motiviert. „Die Politik ist getrieben, und ich glaube, dass sich das bitter rächen wird“, meinte der Politiker.Manuela Schwesig konterte personenbezogen: „Ich habe von Herrn Habeck noch nichts Schlüssiges gehört.“

„Wir leben nicht in China“

Bayerns Ministerpräsident Söder hatte sich bisher als bekennender Scharfmacher und „No-Covid“-Befürworter profiliert. Von ihm wollte die Moderatorin wissen, warum er auf einmal die Tatsache hinnahm, dass die strengere Regel für die Lockerungen – „Lockern erst bei einer Inzidenz von 35“ – durch die liberalere „50 bis 100“ ersetzt wurde. Söders Antwort bestätigte lediglich Habecks Behauptung, die neue Richtlinie sei politisch motiviert:

„Wir leben nicht in China, wir können nicht bloß verordnen und befehlen.“Warum dies auf einmal nicht geht, blieb in der Sendung unerklärt. Immerhin hatte die Bundesregierung in der Corona-Bekämpfung in den vergangenen Monaten stellenweise sehr wohl „chinesisch“ gehandelt und so manche Bürgerrechte massiv eingeschränkt.Bei dem neuen Plan müsse man eben schauen, dass „alle mitmachen“, fügte Söder hinzu.

„Der Plan ist für die Tonne“

Daraus ergab sich eine weitere Frage der Moderatorin, die sie allerdings nicht an den bayerischen Top-Politiker, sondern an die „Spiegel“-Journalistin Melanie Amann richtete:

„Wenn wir jetzt wieder schließen müssen – sind wieder die Bürger schuld?“Amanns Einschätzung klang erbarmungslos:

„Dieser Plan ist im Prinzip von der Minute seiner Geburt eine Totgeburt. Er ist für die Tonne.“Der Plan sei ausgerechnet zu dem Zeitpunkt beschlossen worden, wo die Inzidenzzahlen wieder ansteigen. Deshalb sei fest damit zu rechnen, dass die Regierung ziemlich bald die „Notbremse“ bedienen und selbst die neuesten, recht zaghaften Lockerungen wieder zurücknehmen würde. Und dies höchstwahrscheinlich zum unpassendsten Zeitpunkt, nämlich im Vorfeld des Osterfestes. Damit wäre dann nach dem Weihnachten 2020 ein zweiter festlicher Höhepunkt vermasselt.

Der Kritikpunkt des Virologen Hendrik Streeck lag markanterweise nicht darin, dass der neue Plan „in pandemischer Hinsicht“ zu einem unpassenden Zeitpunkt in Angriff genommen werden soll. Er kritisierte die Methodik, die dem Plan zugrunde liegt.

„Im Moment ist es ja so: Man darf sich Blumen im Gartenmarkt angucken, aber nicht im botanischen Garten. Das macht keinen Sinn, das leuchtet keinem Menschen ein.“Der Experte wiederholt seit dem Pandemie-Beginn drehorgelmäßig, man müsste Corona nicht einfach bekämpfen, sondern „mit dem Virus leben lernen“. Er sieht den methodischen Fehler der bisherigen Beschlüsse der Regierung darin, dass diese stets „branchenspezifisch“ gehandelt habe, statt von Hygienekonzepten auszugehen. „Die Bürger, die mitdenken, die sollten doch auch als Erstes die Möglichkeit haben, ihre Bereiche zu öffnen – die, die die besten Hygienekonzepte haben“, meinte Streeck.

„Die Toten von Staatsversagen und Misswirtschaft“

Gegen Ende der Sendung fuhr Maybrit Illner ein „schweres Kaliber“ auf, indem sie auf zunehmend böse kritische Noten in den Mainstream-Medien verwies. Diese betonten nämlich immer häufiger: „Es sind nicht nur die Toten des Virus, die zu beklagen sind, sondern die Toten von Staatsversagen und Misswirtschaft.“Söder wehrte sich zwar mit der Anmerkung, dank den Regierungsmaßnahmen seien auch Tausende Menschenleben gerettet worden. Unbestreitbar bleiben aber die eindeutigen Versäumnisse und Fehlgriffe der Politik – wie etwa der „Lockdown light“, der die Corona-Lage nur verschlimmert hat, der vermasselte Beginn der Impfkampagne oder die Engpässe bei der Beschaffung von Schnelltests.Am Schluss äußerte Robert Habeck „versöhnlich“, all das sei „nicht mit Absicht falsch gelaufen“. Klingt zwar beruhigend, aber das hätte den Deutschen noch gefehlt, dass ihre Regierung das Volk „mit Absicht“ in den Tod treiben würde! Es genügt doch, dass die Bevölkerung die „unabsichtlichen“ Fehlentscheidungen mit bewundernswerter Fassung trägt. Aber wie lange noch?

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