Sonntag, Mai 5, 2024
StartZARONEWS PresseAgentur„Es reicht!“ – Warum das Kopftuch ein Symbol männlichen Herrschaft ist

„Es reicht!“ – Warum das Kopftuch ein Symbol männlichen Herrschaft ist

Weil sie bei der Arbeit kein Kopftuch tragen darf, hatte eine Kassiererin vor dem Arbeitsgericht geklagt. Nun muss der Europäischen Gerichtshof in einem Präzedenzfall entscheiden. Für den Islam-Experten Abdel-Hakim Ourghi ist der Hidschab ein Symbol der männlichen Herrschaft. Warum er trotzdem gegen ein Verbot ist, erklärt er im Sputnik-Interview.

Nachdem die Drogeriemarktkette Müller einer ihrer Kassiererinnen untersagt hatte, während der Arbeit ein Kopftuch zu tragen, klagte die Frau aus Bayern. Der Streit ging nun an den Europäischen Gerichtshof und wird damit zum Präzedenzfall. Die Vorsitzende Richterin am Bundesarbeitsgericht Inken Gallner sagt, bei dem Fall ginge es um unternehmerische Freiheit gegen Religionsfreiheit.

Kein Kopftuch im Koran

Dem Wiederspricht Abel-Hakim Ourghi, der den Fachbereich Islamische Theologie/Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg leitet. Für ihn ist das Kopftuch keine religiöse Vorschrift:

„Der Terminus ‚Kopftuch‘ als Kopfbedeckung taucht nirgendwo im gesamten Koran auf. In der arabischen Ausgabe des Korans geht es um den Begriff ‚Vorhang‘, der identisch mit ‚Kopftuch‘ ist. Es wird aber nur der Kontext Vorhang genutzt, nicht Kopftuch.“

Ourghi hat im September 2018 sein neuestes Buch „Ihr müsst kein Kopftuch tragen! – Aufklären statt verschleiern“ veröffentlicht. Für ihn ist das Kopftuch ist ein historisches Produkt der männlichen Herrschaft: „Es geht dabei darum den Körper und den Geist der Frauen zu kontrollieren.“

Instrument des politischen Islams

Er erklärt, dass zur Institution des politischen Islams die männliche Herrschaft gehöre. Gerade Frauen müssten gelenkt und beherrscht werden. Das werde durch das Kopftuch geregelt. Durch seine Erfahrung als Wissenschaftler und als Moslem, der in solchen Gemeinden sozialisiert wurde, weiß Ourghi, dass es wenige Frauen gibt, die freiwillig das Kopftuch tragen würden. Durch einen unbeschreiblichen sozialen Druck würden viele muslimische Frauen und Mädchen gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen. Kein Mädchen vor der Pubertät würde sich freiwillig für ein Kopftuch entscheiden. Den Prozess, den die Mädchen und Frauen durchlaufen würden, bezeichnet Ourghi als emotionale Erpressung. Da hieße es: „Wenn du kein Kopftuch trägst, dann landest du in der Hölle.“ So versuche man im Namen der Religion auch die männliche Herrschaft zu legitimieren.

Eine weitere Strategie sei die Denunziation in der eigenen Gemeinde. Wenn ein Mädchen kein Kopftuch trage, werde sie zum Thema der Gemeinde oder sogar in der eigenen Familie oder Gemeinde isoliert. Ourghi berichtet auch von Fällen von „Verbannung“ für uneinsichtige Mädchen. Wenn diese Mädchen oder Frauen im Sommer mit ihren Eltern in die Heimat reisen, dürfen sie erst wieder nach Deutschland heimkehren, wenn sie einwilligen, ein Kopftuch zu tragen.

Das Kopftuch als Modeaccessoire

Das Thema sieht die Aktivistin Nazma Khan anders. Die aus Bangladesch stammende New Yorkerin hatte erstmalig am 1. Februar 2013 den „World Hijab Day“ (zu Deutsch: Welt-Kopftuch-Tag) ins Leben gerufen. Damit will sie zeigen, dass die Verschleierung von muslimischen Frauen keine Form der Unterdrückung sei. Politiker wie Nicola Sturgeon, Erste Ministerin Schottlands, unterstützen Khans Anliegen.

Die Kolumnistin Ferda Ataman nennt im „Spiegel“ das Kopftuch „zum Symbol für modische Avantgarde“. Modekonzerne würden es zum „Must-have im Kleiderschrank“ erklären.

Von April bis September soll die Schau „Contemporary Muslim Fashions” im Frankfurter Museum für angewandte Kunst gezeigt werden. Auch da soll das Kopftuch als Modeaccessoire gezeigt werden. Ourghi aber weiß: „Die Realität sieht total anders aus. Die Mehrheit der muslimischen Frauen tragen nicht freiwillig ein Kopftuch.“

So würde diese Mode in den Dienst des „politischen Islams“ gestellt, sagt er: „Hier geht es um eine neue Industrie der muslimischen Frauenversklavung.“ Es sei eine „Ironie des Schicksals“, wenn Frauen hierzulande im Rahmen einer „missverstandenen Toleranz“ auf ihr Recht auf Kopftuch klagen würden, wenn seit einigen Jahren die Frauen in Ländern wie der Iran unter Lebensgefahr auf die Straße gehen würden,  um gegen den Kopftuchzwang zu demonstrieren.

Kein Kopftuchverbot

Gegen Kopftücher, die von Frauen freiwillig getragen würden, hat der Islamwissenschaftler nichts einzuwenden, nur sei es bei uns in Deutschland der „männlichen Herrschaft“ gelungen, solche Themen immer wieder in der Öffentlichkeit zu platzieren und im „Rahmen einer missverstandenen Toleranz“ ihre Interessen durchzusetzen.

Trotz allem spricht sich Ourghi gegen ein Kopftuchverbot aus und warnt vor einer Gegenreaktion: Nichtbeteiligte Frauen könnten sich plötzlich als unterdrückte Minderheit fühlen und aus Protest selbst anfangen einen Hidschab zu tragen.

Vielmehr müsse man Aufklärungsarbeit leisten, auch in Schulen und Kindergärten und das Kopftuch als das zeigen was es sei: ein historisches Produkt der männlichen Herrschaft. Wichtig sei es zu zeigen, dass es keine Ablehnung von Religion und Gott sei, wenn sich ein Mädchen gegen das Kopftuch entscheidet. Ourghi betont:

„Mir geht es wirklich darum, dass wir endlich mal diesen Schritt wagen, dass wir ehrlich und offen über das Kopftuch als eine Maßnahme zur Unterdrückung der Frauen debattieren. Es reicht! Wir reden seit Jahren über das Kopftuch. Immer wieder wird es thematisiert und wir finden keine Lösung. Es ist eine Monotonie geworden. Unsere Aufgabe ist es, in den Schulen Aufklärungsarbeit zu betreiben.“

Quelle!:

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