Montag, Mai 6, 2024
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Ex-ARD-Korrespondent: Liberale Muslime von europäischen Linken enttäuscht

Der ehemalige ARD-Korrespondent in Algerien, Samuel Schirmbeck, hat ein Buch mit dem Titel: „Gefährliche Toleranz. Der fatale Umgang der Linken mit dem Islam“ herausgebracht.

Bis heute ist Schirmbeck mit vielen algerischen Linken befreundet. Sie beklagen, von Linken in Europa im Stich gelassen worden zu sein. Eine der größten Errungenschaften der Aufklärung sei die Religionskritik, schreibt Schirmbeck in seinem Buch. Er erinnert daran, dass die europäische Gesamtlinke die christlichen Kirchen, die etwa in Deutschland noch bis vor weigen Jahrzehnten darüber wachten, wie die Bürger zu leben hatten, kritisierten. Die Linke habe sich besonders seit 1968 eine religionskritische Haltung zu Eigen gemacht. Ausdruck habe das beispielsweise in dem vielzitierten Bonmot von Karl Marx, demzufolge Religion Opium für das Volk sei, gefunden. Es habe die klare Absicht, Kirche und Religion zu entmachten, bestanden.

Die Kritik an Dogmen sei jedoch bei der europäischen Linken Vergangenheit, so Schirmbeck, obwohl es sich dabei doch um ein linkes Kernstück gehandelt habe. Er verweist auf Hans Christian Ströbele, den grünen Ex-RAF-Anwalt, der beispielsweise den Bundestag verließ, als Papst Benedikt im Hohen Hause sprach. Kritik am Christentum habe bei den Linken und bei den Grünen immer dazugehört. Seltsamerweise sei es damit schlagartig vorbei, sobald es um den Islam gehe.

Es gebe keinerlei Kritik am islamischen Frauenbild, keine am Umgang mit der Homosexualität, es fehle sogar die Auseinandersetzung mit muslimischen Parallelgesellschaften und der Gewaltfrage. Ganz im Gegenteil hofierten Linke konservative Islamvertreter, schreibt Schirmbecks vorwurfsvoll. Auf diese Weise könnten sich reaktionäre Islamströmungen in Deutschland immer weiter verfestigen und Raum greifen.

Insgesamt könne man sagen, dass es unter den Linken überhaupt keine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Islam gibt. Schirmbeck verdeutlicht den Stand der Dinge an zwei Worten: Die Verbände erwiderten „islamophob,“ wenn man sie mit kritischen Fragen konfrontiert, Grünen und Linken käme lediglich „Rassismus“ über die Lippen. Damit sei dann jede Diskussion erledigt.

Reformbereite Muslime in Europa und in den islamischen Ländern seien da wesentlich weiter als die Linken und riskierten im Gegensatz zu den europäischen Salonbolschewisten weit mehr für die Meinungsfreiheit. Schirmbeck führt als Beispiel Seyran Ates an, die seit der Gründung ihrer liberalen Moschee unter Polizeischutz stehe. Sie hatte Morddrohungen erhalten. Auch Hamed Abdel-Samad sei auf Grund seiner islamkritischen Bücher mit seiner Ermordung bedroht worden und könne sich ohne Polizeischutz nicht mehr in der Öffentlichkeit blicken lassen. Noch nie habe er außerdem ein positives Wort über Hamed Abdel-Samad in den linken Zeitungen Deutschlands gelesen, schreibt Schirmbeck. Das gelte von der taz über die Süddeutsche Zeitung bis hin zur ZEIT. Die gesamte Islamkritik bestehe in Deutschland aus fünf oder sechs Leuten – was freilich stark untertrieben ist. Selbst die Islamkritik in der islamischen Welt, die Alles, was Linke hierzulande über den Islam behaupten, widerlege, werde rigoros ausgeblendet.

Liberale Muslime seien sowohl innerhalb Europas als auch in islamischen Ländern von der europäischen Linken enttäuscht, so Schirmbeck. Er zitiert die marokkanische Bloggerin  Myriam Ibn Arabi. Sie beklagt, die europäische Linke lasse sie im Stich, anstatt sie als natürliche Verbündete im Kampf für Freiheit und Menschenrechte zu unterstützen. Außerdem attestiere sie der europäischen Linken eine obsessive Beschäftigung mit dem Rassismus. Die unrühmliche  Kolonialvergangenheit und die deutsche Nazi-Vergangenheit hätten zu einem Schuld-Komplex, welcher wiederum der Grund der falschen Toleranz geworden sei, geführt.

Die Ägypterin Mona Eltahawy pflichtet Myriam Ibn Arabi bei und beklagt ebenfalls den skandalösen Mangel an Solidarität der Linken mit Islamkritikern weltweit. Als  nach 9/11 sogar muslimische Zeitungen in Algerien den Zusammenhang zwischen Islam und Islamismus beleuchteten, habe die europäische Linke nichts Besseres zu tun gehabt, als eiligst zu versichern, die Gewalt habe mit dem Islam Nichts zu tun, da der Islam bekanntlich die „Religion des Friedens“ sei. Lediglich Cem Özdemir, den Eltahawy sehr schätze, habe versichert, dass er die Ignoranz hinter der Behauptung, Islam und Islamismus hätten Nichts miteinander zu tun, kaum noch ertragen könne. Allerdings habe er sich diese Äußerung erst 2015 nach den schrecklichen Massakern in Paris abgerungen. So lange habe es auch bei Özdemir gedauert. Er sei damit bei den Grünen und innerhalb der gesamteuropäischen Linken aber noch immer die absolute Ausnahme.

Natürlich gibt es auch wieder die üblichen Kritiker an Schirmbecks Buch. Es sind dieselben, die schon an Thilo Sarrazin kein gutes Haar lassen. Sie halten es für ein Argument, dass es schließlich Konservative gewesen seien, die angeblich seit Jahrzehnten der Integration von Muslimen im Wege stünden. Ganz so, als ob sie nicht selbst seit Jahrzehnten den öffentlichen Diskurs beherrscht-  und die Gesetzgebung beeinflusst hätten. Sie diffamieren daher Schirmbecks Kritik am Islam als zu pauschal und behaupten, der Ex-ARD-Korrespondent beflügle rechte Verschwörungstheorien.

Ganz anders sieht das Fazit von Samuel Schirmbeck aus: Indem Linke in Deutschland und in Europa den notwendigen Diskurs über den Islam verweigert hätten, seien sie für die gegenwärtige Popularität der Rechten mitverantwortlich. Das freilich ist eine nachvollziehbare Schlussfolgerung Schirmbecks. Dennoch scheint es, als ob ein Dialog darüber nicht möglich sei. Das selbstgerechte Verharren in gegenseitigen Schuldzuweisungen ist dafür wohl zu ausgeprägt. Linke irren bekanntlich nie.

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