Hallo Campino!
Vielleicht erinnerst Du Dich noch an mich. Wir waren mal in den 80er-Jahren in Bayern unterwegs. Du als Sänger der Toten Hosen und ich als Reporter für den Musik Express.
Na, kommt’s? Ist in Deinem erbsengroßen Schädel noch Platz für alte, wilde Geschichten?
Was waren das für Zeiten, als ihr noch authentische Punks wart und noch nicht im System-Hintern herum gekrochen seid, als Ihr der Elite noch den Stinkefinger gezeigt habt, als die Revolte noch mit jedem Eurer Akkorde mitgeschwungen ist.
Was haben wir für Mist gebaut: In einer Münchner Nobel-Disco haben wir unsere Hosen runter gelassen und gegen den Tresen gepinkelt. Vor einer Kneipe, in der uns der Wirt nicht bedienen wollte, habt Ihr die voll gemachte Bustoilette ausgeschüttet, wir haben Kriegsvideos geguckt, wobei nur die schrecklichsten Schlachtszenen zusammengeschnitten waren, nette Damen wurden auf die Zimmer bestellt, und wir waren so gut wie alle betäubunsmittelgesetzlose Freaks. Ihr seid kostenlos in privaten Saunas aufgetreten, und wir haben gezecht, als ob es keinen Morgen geben würde.
Und jetzt? Wenn ich mir Bilder oder Videos von Dir und Deinen Band-Genossen anschaue, wird mir übel. Ok, älter sind wir alle geworden, aber Ihr müsst Euch die Birne weggeblasen haben.
Anders kann ich mir nicht vorstellen, dass Ihr für die schrecklichste Kanzlerin, die Deutschland je erleiden musste, die Hampelmänner mimt, das Establishment bespielt und den guten Mann markiert.
Oder habt Ihr nur die Seiten gewechselt, seid korrumpiert worden? Auf jeden Fall habt Ihr den Punk verraten.
Ich hätte niemals gedacht, lieber Campino, dass aus Dir mal ein reaktionärer Spießer werden würde, der sich mit Staatsknete vollpumpen lässt und gegen die Ossis rockt, weil die es wagen, gegen das Unrechtssystem aufzustehen.
Es sind Tage wie diese, die mich an Deinem Verstand zweifeln lassen.
Schande über Dich, Campino, Schande über die Toten Hosen. Eure geballte Faust ist der ausgestreckte Arm früherer Zeiten!
