Montag, Mai 6, 2024
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Gauland, Lindner, Bartsch: Opposition schießt scharf gegen Merkel

In dieser Woche findet im Deutschen Bundestag die Generaldebatte zum Haushalt 2020 statt. Traditionell wird das von der Regierung genutzt, um die eigene Arbeit hoch zu loben. Die Opposition gab sich diesmal dagegen besonders angriffslustig: AfD, FDP und LINKE schossen dabei vor allen scharf in Richtung Kanzlerin. Merkel selbst wirkte ziellos.

Generaldebatten im Bundestag bieten für die Abgeordneten eine besonders gute Profilierungsmöglichkeit. Dabei ist das Spiel immer gleich: Regierungspolitiker verteidigen ihr Programm, die Opposition zerreißt es, gerne auch in hitzigen Debatten. So etwa im Jahr 2003, als die damalige CDU-Oppositionsführerin Angela Merkel angriffslustig gegenüber SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder wetterte, den Leuten missfalle vor allem dessen Dauergrinsen auf der Regierungsbank. Oder 2010, als SPD-Chef Sigmar Gabriel gegenüber der schwarz-gelben Bundesregierung erklärte:

„Es ist keine intellektuelle Herausforderung, etwas zu Ihrer Regierungspolitik zu sagen. Sie unterfordern uns. Wie konnte es passieren, dass eine Regierung derart heruntergekommen ist, wie die Ihre?“

In der aktuellen Legislaturperiode hat sich der Ton geändert, er ist düsterer und schärfer geworden. Das liegt auch an der AfD-Fraktion, die mit ihren Angriffen Kanzlerin und GroKo-Politiker ganz persönlich treffen will. So auch an diesem Mittwoch.

Das gute Gewissen…

Noch vor der Kanzlerin hatte die größte Oppositionspartei im Bundestag das Rederecht. In diesem Fall war es AfD-Fraktions- und Parteichef Alexander Gauland, der als erstes an das Rednerpult trat. Sein Hauptthema: Die Bundesregierung habe sich von Deutschland aus entschlossen, das Klima zu retten und dafür die Energieversorgung des Landes aufs Spiel gesetzt. Gauland erklärt, die deutsche Energiewende sei gescheitert, die Energie-Versorgungssicherheit nicht mehr gewährleistet:

„Vielleicht ist die Bundesregierung ja der Meinung, die Menschen werden sich künftig an ihrem guten Gewissen erwärmen. Aber das Thema ist dermaßen ersatzreligiös aufgeladen, dass die Frage richtig oder falsch keine Rolle mehr spielt. Sie ist vollkommen verschüttet unter den Kriterien Gut und Böse.“

Wo Begriffe wie „Klimaleugner“ kursierten, habe sich die Vernunft verabschiedet, so Gauland weiter. Selbst wenn Deutschland morgen zu existieren aufhörte, wären die Auswirkungen auf die Welttemperatur praktisch nicht nachweisbar, ist sich der AfD-Chef sicher. Stattdessen ruiniere die Merkel-Regierung für ihre Energiewende die Auto- und  Maschinenbauindustrie:

„Die Merkel-Jahre werden als eine bleierne Zeit in Erinnerung bleiben, in denen öffentlichen Debatten im Sein der Hypermoral erstickt wurden.“ 

Als größtes Problem für den Planeten machte Gauland im Übrigen die Bevölkerungsexplosion in Afrika aus. Politik müsse sich an Realitäten orientieren und nicht an frommen Wünschen. Eher schaffe die Bundesregierung Deutschland als Wirtschaftsstandort ab, als ihr die Worte „Geburtenkontrolle in Afrika“ über die Lippen komme, erklärt Gauland.

Merkel dankt USA…

Unbeirrt von ihrem Vorredner ging die Kanzlerin im Anschluss gar nicht erst auf die Vorwürfe der AfD ein. Sie begann am Mikrophon des Bundestags mit dem Hinweis auf den 70. Geburtstag der NATO in diesem Jahr. Das Bündnis habe vor allem im Kalten Krieg dafür gesorgt, dass es keinen konventionellen Krieg in Europa gegeben habe. Dafür sei man insbesondere den USA zu Dank verpflichtet, so Merkel. Bis zum Anfang der kommenden 30er Jahre werde Deutschland deshalb auch das versprochene Zwei-Prozent-Ziel der Militärausgaben realisieren:

„Stärker als im Kalten Krieg ist der Erhalt der NATO heute in unserem ureigenen Interesse. Europa kann sich zurzeit alleine nicht verteidigen, wir sind auf dieses transatlantische Bündnis angewiesen. Und deshalb ist es auch richtig, wenn wir für dieses Bündnis arbeiten und mehr Verantwortung übernehmen.“  

Im weiteren Verlauf ihrer Rede äußerte sich die Kanzlerin zu einer aus ihrer Sicht hybriden Bedrohung der NATO durch Russland, zu den wirtschaftlichen Herausforderungen gegenüber China und den Protesten in Hongkong, die eine friedliche Lösungen finden müssten.

Erst dann kam Merkel langsam auf innenpolitische Themen zu sprechen. Dabei lobte sie den ausgeglichenen Haushalt und das bisherige Agieren der Großen Koalition. Als Seitenhieb auf die AfD äußerte sich die Regierungschefin schließlich zur Meinungsfreiheit:

„Meinungsfreiheit ist in unserem Land gegeben. Und all die, die dauernd behaupten, sie dürften nicht mehr ihre Meinung sagen, denen muss ich einfach sagen: Wer seine Meinung sagt, der muss damit leben, dass es Widerspruch gibt. Es gibt keine Meinungsfreiheit zum Nulltarif. Meinungsfreiheit kennt Grenzen und die beginnen da, wo gehetzt wird, da, wo Hass verbreitet wird.“  

Denn die Würde des Menschen sei unantastbar. Gegen all diejenigen, die dieses Grundrecht verletzten, müsse man sich stellen. Die Bundeskanzlerin beendete ihre Rede mit dem Appell an die eigenen Reihen, dass es noch viel zu tun gebe und die Regierungskoalition deshalb die komplette Legislaturperiode weiter zusammenarbeiten sollte – sie sei gerne mit dabei. Eine klare Empfehlung an die SPD, die in gut einer Woche auf ihrem Parteitag über den Ausstieg aus der GroKo beraten will.

Bundesregierung schlafwandelt…

Wenig warme Worte hatte danach FDP-Chef Christian Lindner für die Arbeit der Bundesregierung übrig. Er warf der Großen Koalition Versagen in der Wirtschaftspolitik vor. Es gebe nur noch ein Wirtschafswachstum von 0,1 Prozent – viel zu wenig im europäischen Vergleich. Viel zu wenig sei Merkel auch in ihrer Rede darauf eingegangen:

„Es gibt keinerlei Wachstumsdynamik mehr bei uns. Gerade einmal knapp viereinhalb Minuten haben Sie auf die wirtschaftliche Lage im engeren Sinne verwendet, Frau Bundeskanzlerin. Ich kann nur sagen: Wer die Wirtschaft links liegen lässt, darf sich über Probleme von rechts irgendwann nicht wundern.“   

Viel zu sehr konzentriere sich die Bundesregierung auf den Ausbau der Elektromobilität, so Lindner. Gleichzeitig gingen Arbeitsplätze in der Automobilbranche verloren. Dabei habe die CDU noch auf ihrem vergangenen Parteitag die Wichtigkeit des nicht-fossil betriebenen Verbrennungsmotors betont:

„Da gefällt mir die CDU besser, als diese Bundesregierung. Diese Bundesregierung geht ja schlafwandlerisch auf eine drohende Wirtschaftskrise, schlafwandlerisch auf einen Wirtschaftsabsturz zu.“     

Auch bei der Digitalpolitik müsse die Bundesregierung nach Ansicht des FDP-Vorsitzenden Fahrt aufnehmen, wenn man auf der Höhe der Zeit sein wolle.

Eine klaffende Wunde…

Auch der Fraktionsvorsitzende der Partei Die LINKE, Dietmar Bartsch, ließ im Anschluss kein gutes Haar an der Regierungskoalition. Er sehe einen Widerspruch darin, dass die Kanzlerin die GroKo in hohen Tönen lobte, CDU-Mitglied Friedrich Merz aber zuletzt von einem „grottenschlechten“ Erscheinungsbild der Bundesregierung gesprochen habe:

„Nicht das Erscheinungsbild ist schlecht, sondern Ihre Politik ist leider vielfach grottenschlecht. Nur noch 26 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sehen in der Arbeit der Bundesregierung eine Stärke des Landes. Angesichts der vielfachen Selbstbeschäftigung, die Sie betreiben, und Ihrer Halbzeitbilanz ist das sogar noch ein ziemlich hoher Wert.“  

Besonders kritisierte Bartsch die angekündigte Einkommensprüfung bei der geplanten Grundrente. Diese werde so hart sein, dass zwei Millionen Rentner ihren Anspruch verlieren würden, obwohl sie die Unterstützung gut gebrauchen könnten:

„Das ist die Realität. Sie kleben auf eine klaffende Wunde ein viel zu kleines Pflaster. Der Haushalt für das kommende Jahr hat drei Eigenschaften: Er ist kraftlos, er ist tatenlos und er ist verantwortungslos.“

Es sei bemerkenswert, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften gleichermaßen die Bundesregierung aufgefordert hätten, endlich mehr Geld für Investitionen in die Zukunft bereitzustellen.

Noch die ganze Woche werden die Abgeordneten des Deutschen Bundestags über die Ausgaben für das kommende Jahr streiten, am Freitag soll dann der Bundeshaushalt 2020 verabschiedet werden. Eines ist schon jetzt klar: Zufrieden wird die Opposition damit sicher nicht sein – vielleicht noch nicht einmal alle Regierungsparteien.

Quelle!:

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