Freitag, Mai 3, 2024
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Hausbesitzer wird enteignet – „Berliner Premiere“

Trotz hoher Nachfrage stehen in Berlin zahlreiche Wohnhäuser leer. Sie verfallen oder werden absichtlich vernachlässigt. In Steglitz-Zehlendorf wird nun zum ersten Mal in Berlin ein Hausbesitzer vorübergehend enteignet. Eine dauerhafte Enteignung prüft der Senat in Mitte. Das berichtet das Nachrichtenportal „RBB24“.

Der Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf will nach Informationen von „RBB24“ ein seit langem unbewohnbares Mehrfamilienhaus an der Ecke Hindenburgdamm und Gardeschützenweg an einen Treuhänder übergeben und sanieren lassen. Seit 20 Jahren sei an der Immobilie nichts mehr getan worden. Nach und nach seien die Mieter ausgezogen, inzwischen stehe das Haus leer, schreibt das Nachrichtenportal. Die Dachplanen seien längst zerrissen, an der Fassade seien überall Wasserflecken.

Doch das Thema Leerstand beschäftige das Verwaltungsgericht nur wenig. „Aktuell sind 20 Verfahren anhängig“, sagte Stephan Groscurth, Sprecher des Verwaltungsgerichts gegenüber „RBB24“. Dazu zählt auch der Fall des 71-jährigen Berliner Hausbesitzers, dem das Eckhaus am Hindenburgdamm gehöre. Immer wieder habe er dem Wohnungsamt, der Bauaufsicht und dem Baustadtrat versprochen, in das Haus zu investieren. Dabei sollten Dach und Fassade saniert werden. Doch es sei nichts geschehen. Jetzt habe der Bezirk Zehlendorf-Steglitz beschlossen, den Eigentümer vorübergehend zu enteignen und die Sanierung des Hauses zwangsweise durchzusetzen, berichtet „RBB24“. Zum ersten Mal soll ein Haus in Berlin durch einen Treuhänder wieder bewohnbar gemacht werden.

„Pilotprojekt“ Enteignung?

Der stellvertretende Bezirksbürgermeister Michael Karnetzki (SPD) bezeichnete das Vorhaben gegenüber „RBB24“ als „Pilotprojekt in Sachen Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbots“. Doch Karnetzki merkte an: „Gegen den Einsatz von Treuhändern kann der Eigentümer Rechtsmittel einsetzen, und wir müssen das gerichtsfest durchziehen.“ So müsse darauf geachtet werden, dass jeder Schritt sorgfältig erfolgt, wenn das Verfahren vor Gericht bestehen soll.

Für die betroffene Immobile sei die Treuhänderschaft eine „Berliner Premiere“. Zwischen Steglitz-Zehlendorf und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gebe es eine klare Verabredung – auch über die Finanzen, so das Portal. Der Bezirk oder die Treuhändergesellschaft müssten dabei zunächst in Vorkasse gehen. Die Senatsverwaltung für Finanzen soll die Kosten erstatten. Letztendlich müsse allerdings der Eigentümer die Kosten tragen. Könne er dies nicht, werde die Summe als Schuld ins Grundbuch eingetragen, und es drohe die Zwangsversteigerung.

„Eine Million Euro für Sanierung“

Doch so einfach wird es nicht, erklärt der Rechtsanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Lukas Wenderoth. „In den meisten Fällen geht es dabei um Immobilien, die einen massiven Instandhaltungsrückstand haben“, sagte der Immobilienexperte gegenüber dem Nachrichtenportal. „Das heißt, wo wir Kosten zwischen 100 und vielleicht sogar 2.000 Euro pro Quadratmeter aufwenden müssen, um eine solche Immobilie überhaupt mit einem einfachen Standard wieder bewohnbar zu machen.“ Bei dem Eckhaus am Hindenburgdamm müsse schätzungsweise knapp eine Million Euro für die Sanierung aufgebracht werden.

Senatorin Katrin Lompscher (Die Linke) lässt sich davon nicht abschrecken und will den Weg bis zum Ende gehen und den Bezirk unterstützen. Ein entsprechendes Gutachten sei nun erforderlich, das die Bausubstanz bewerte, die notwendigen Maßnahmen beschreibe und eine Kostenschätzung mache. Auf dieser Grundlage soll dann eine Ausschreibung für einen Treuhänder erfolgen. „Es gibt etliche Firmen, die so etwas machen können. Also nicht nur Treuhänder des Landes Berlin, die wir jetzt schon haben, sondern auch Private könnten sich bewerben“, so Lompscher gegenüber „RBB24“.

Leerstand hat nun Konsequenzen?

Der Eigentümer der besagten Immobilie soll über ein Dutzend Mietshäuser in Berlin besitzen. Diese sollen entweder komplett leer stehen oder nur einzelne Wohnungen oder Seitenflügel. In seinem großen Eckhaus im Bezirk Mitte an der Kameruner Straße sollen „RBB24“ zufolge alle Wohnungen leer stehen. Seit 1996 seien dort nach und nach alle Mieter ausgezogen. Illegal hätten „Osteuropäer“ das Haus bezogen. Im vergangenen Jahr habe die Polizei das Haus geräumt.

Auch hier soll nun der Bezirk handeln. Dabei sollen die Behörden einen anderen Weg beschreiten. Das Bezirksamt Mitte beruft sich auf den Paragrafen 172/85 des Baugesetzbuches: „Da sich das Haus in einem sogenannten Erhaltungsgebiet befindet, die soziale Mischung, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung, die städtebauliche Eigenart und das Ensemble zu schützen sind, kann der Eigentümer auch enteignet werden.“ Der Stadtrat Ephraim Gothe erklärte nach Informationen des „RBB24“: „Voraussetzung hierfür ist, dass der Eigentümer nicht Willens oder nicht in der Lage ist, die bauliche Anlage zu erhalten, so dass ohne eine Enteignung die Erhaltung gefährdet wäre. Dies ist nach Auffassung des Bezirksamtes gegeben.“ Auch dies sei eine „Premiere für Berlin“. Für die Enteignung sei in diesem Fall die Enteignungsbehörde bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zuständig. Dort soll letztlich alles geprüft und entschieden werden.

pal/rbb24

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