Freitag, Mai 3, 2024
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Im reichen Deutschland: „Hamburg ist Hauptstadt der Altersarmut“

Immer mehr pensionierte Menschen können in Hamburg nicht mehr von ihrer Rente leben. „Es kann nicht sein, dass im reichen Deutschland solche Zustände herrschen“, kritisiert Deniz Celik, Vize-Chef der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft im Sputnik-Interview. Mit einem Antrag wolle er nun Not in der Stadt lindern. „Ziel bleibt Rentenreform.“

„Wir haben eine dramatische Entwicklung der Altersarmut“, sagte Deniz Celik (Die Linke) gegenüber Sputnik. „Immer mehr Menschen können nicht mehr von ihrer Rente leben“, betonte der seniorenpolitische Sprecher und Vize-Vorsitzende der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft vor dem dortigen Landesparlament. „Viele sind auf Grundsicherung angewiesen. Natürlich ist Hamburg eine sehr teure Metropole. Deshalb sagen wir, dass der Senat einen Ortszuschlag einführen muss. Etwa so wie es München praktiziert seit Jahren. Was wir hier fordern, ist ein Ortszuschlag, um zumindest die dramatische Entwicklung ein wenig abzufedern.“

In Hamburg beziehen laut Angaben der Linken 26.438 Rentnerinnen und Rentner die sogenannte „Grundsicherung im Alter“. „Hilfebedürftige Personen, die die Altersgrenze erreicht haben (…) haben Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII)“, heißt es zur Erklärung der Grundsicherung auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Paragraph §29 im Sozialgesetzbuch erlaube es, „regionale Besonderheiten“ zu berücksichtigen.

„Zahl der Mini-Jobber im Rentenalter hat sich verdoppelt“

„Besonders oft von Armut betroffen sind Menschen zwischen 65 und 69, die erst vor kurzem in Rente gegangen sind und deren Rentenansprüche durch die,Reformen‘ der letzten Jahre gesenkt wurden“, erklärte Celik in einer aktuellen Pressemitteilung der Hamburger Linksfraktion. „Und die Zahl der über 75-Jährigen, die in einem Minijob arbeiten, weil die Rente zum Leben nicht reicht, hat sich seit 2005 mehr als verdoppelt.“

Politischer Kampf gegen Armut

Dennoch habe er die Hoffnung, dass sich politisch nun etwas bewege. Seine Fraktion fordert angesichts der hohen Lebenshaltungskosten in der Hansestadt einen ‚Ortszuschlag‘ für Hamburger Rentner, die von Grundsicherung leben müssen. „Mit einem entsprechenden Antrag für die kommende Bürgerschaftssitzung am Mittwoch nehme die Fraktion Vorschläge des Sozialverbands Deutschland und des Landesseniorenbeirats auf, teilten die Linken am Sonntag mit“, berichtete dazu der „NDR“ am Montag.

Die Renten müssten erhöht werden, damit „die Menschen im Alter davon auskömmlich leben können“, so Celik.

„Das ist die Hauptherausforderung.“ Es könne nicht sein, dass in „einem so reichen Land wie Deutschland“ immer mehr Seniorinnen und Senioren „nicht von ihrer Rente leben können“ und in der Armut steckenbleiben.

Vor diesem Hintergrund werde der Hamburger Senat von den Linken aufgefordert, „nach §29 SGB XII, Absatz 2 bzw. 3 eine Rechtsverordnung zu erlassen, die die Träger der Sozialhilfe ermächtigt, regionale Besonderheiten oder statistisch nachweisbare Abweichungen in den Verbrauchsausgaben zu berücksichtigen“, heißt es im Antrag der Hamburger Linken.

Große Armut in „reicher Stadt“ Hamburg

„Unser Antrag wird am Mittwoch in der Hamburgischen Bürgerschaft debattiert“, sagte der seniorenpolitische Sprecher der Linken im Interview. „Wahrscheinlich wird dann der Antrag in den zuständigen Ausschuss überwiesen werden. Dort wird es dann eine erneute Fachdebatte geben – und der Ausschuss entscheidet dann.“ Die Höhe des Zuschlages werde wohl „rund um die 20 Euro liegen“, meinte er. Vorbild sei die Stadt München, die seit Jahren einen Zuschlag von monatlich bis zu 21 Euro auf die Grundsicherung gewähre.

„Wir sprechen bei Hamburg von der Hauptstadt der Altersarmut“, so der Linken-Politiker. „Wenn Sie sich die Zahlen angucken: Verglichen mit anderen Bundesländern hat Hamburg den höchsten Anteil von Grundsicherungs-Empfängern.“ Das Bundesland Hamburg habe einen Bevölkerungsanteil von über sieben Prozent an Menschen, die über 65 Jahre alt und auf Grundsicherung angewiesen sind. Die Hansestadt sei sozial gespalten. „Hamburg ist eine sehr reiche Stadt, auf der anderen Seite gibt es aber auch große Armut.“.

Hamburger Linke fordert Rentenreform im Bund

„Natürlich wird das nicht alle Probleme lösen“, stellte Celik klar. „Auch die 20 Euro werden nicht dazu führen, dass wir hier die Altersarmut überwinden. Das ist ein kleiner Beitrag zur Linderung der Not. Eigentlich brauchen wir eine grundlegende Rentenreform.“ Aber eine solche Entscheidung könne nicht die Hamburger Bürgerschaft beschließen, sondern nur der Bundestag.

 „Wir brauchen eine Rentenreform“, forderte er. „Daher ist der Bundestag gefragt. Wir brauchen ein Rentensystem wie in Österreich, wo alle (Arbeitnehmer, Anm. d. Red.) einzahlen. Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen: Alle Einkünfte müssten für die Rentenversicherung einbezogen werden.“

Beispielsweise auch Einnahmen aus Gewinnausschüttungen am Finanzmarkt oder auch aus Mieteinnahmen. „Damit wir die Einnahme-Seite verstärken. Außerdem muss das Rentenniveau deutlich erhöht werden. Es ist so, dass die rot-grüne Bundesregierung damals (um die Jahrtausendwende, Anm. d. Red.) die Renten gekürzt und teil-privatisiert hat. Dann hat man die Riester-Rente eingeführt. Das hat dazu geführt, dass viele Menschen in die Altersarmut gedrängt wurden. Wir müssen diese Entwicklung zurückdrehen und eine richtige Rentenreform angehen.“

Erst Prüfverfahren, dann Politik

Mehr als 26.000 Hamburger Senioren befinden sich in der Grundsicherung. Diese würden von der neuen Regelung profitieren. Eine konkrete Höhe für den Zuschlag gebe es noch nicht. Diese müsse erst in einem Prüfverfahren festgelegt und dann politisch entschieden werden.

„In München war das so, dass ein Gutachten erstellt wurde. Um überhaupt herauszufinden, wie das Preisniveau in München vom Bundesdurchschnitt abweicht. Das müssten wir für Hamburg auch ermitteln. Deshalb haben wir den Senat aufgefordert, ein Gutachten erstellen zu lassen, um das Hamburger Preisniveau zu ermitteln.“

Auf dieser Grundlage könne dann die Höhe des Ortszuschlags  für die Hansestadt berechnet werden. Nach Vorstellung der Linken soll die neue Verordnung ab Juni 2019 in Kraft treten.

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