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Israel und Palästina: „Als Jüdin gegen den Zionismus“

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Die jüdisch-amerikanische Autorin Lilian Rosengarten war im September 2015 auf Vortragsreise in Deutschland. Die israelische Botschaft in Berlin kritisierte die Veranstaltungen aufgrund

Rosengartens anti-zionistischer Haltung.

Die Autorin und Aktivistin Rosengarten sprach am 04. September bei ihrem Vortrag in Düren in einer Sparkasse über ihre Einstellung gegenüber dem

Staat Israel und dessen Umgang mit den Palästinensern, berichtet die israelische Tageszeitung „Jerusalem Post“. Angefragt worden sei Rosengarten unter anderem von dem Stadtmuseum in Düren.

 

Die Veranstaltung trug den Titel: „Als Jüdin gegen den Zionismus“. Die israelische Botschaft in Berlin kritisiere die deutsche Sparkasse und das Stadtmuseum in Düren sowie weitere Nichtregierungsorganisationen, die Rosengarten eingeladen hatten, heißt es weiter. „Wir bedauern es, dass diverse Organisationen eine Plattform für Hass bieten“, wird die Botschaft zitiert (Israel wird auslandsfinanzierte NGOs zur Transparenz zwingen).

In der Stellungnahme heißt es weiter, dass es von Vorteil gewesen wäre, wenn sich die Institutionen zuvor eingehend über die Einstellung der Rednerin informiert hätten. Die Botschaft müsse auf diese Veranstaltung reagieren.

Zionismus fördere Antisemitismus

Rosengarten sei bekannt für ihre Vergleiche des Staates Israel mit dem ehemaligen Nazi-Deutschland und werfe dem Land ethnische Säuberung vor. Auf der Internetplattform „Intifada Palestine“ sind mehrere Äußerungen von ihr zu finden, darunter: „Ich schäme mich für Israel. (…) Der Zionismus hat es erfolgreich geschafft, den Antisemitismus zu steigern.“ Der herrschende Antisemitismus sei das Resultat „einer grausigen, brutalen Agenda“, die durch Apartheid und Missachtung der Menschenrechte gegenüber Palästinensern geschürt worden sei.

In einem Brief im Juni an das französische globalisierungskritische Netzwerk „Attac“ nennt sie weitere Beweggründe und bittet, die bereits abgesagte „Breaking the Silence“-Ausstellung doch zu eröffnen – ein Projekt ehemaliger israelischer Soldaten, die das Vorgehen der eigenen Streitkräfte gegen Palästinenser scharf kritisieren. „Ihr unterstützt damit die Freiheit und stellt euch gegen 48 Jahre Apartheid und Demütigung der palästinensischen Menschen. Sie werden dafür von Vielen bewundert werden“, appelliert Rosengarten.

Israels Besatzung sei Unrecht

Auch ihre Teilnahme der Aktion auf dem Boot „Mavi Marmara“, welches 2010 die Seeblockade zum Gazastreifen durchbrechen wollte, erwähnt sie hierin. „Ich trauere als Jüdin über die Verbrechen, die wir in Israel/Palästina begehen.“

Sie verstehe den Zionismus , aber es sei eine rassistische Ideologie, die eine moderne Katastrophe darstelle. Für die Besatzung habe Israel kein Recht, heißt es in ihrem Brief. Sie sei Jüdin und liebe ihr Volk, aber sie könne nicht länger darüber Stillschweigen bewahren. Israel könne niemals frei sein, solange es Palästina nicht sei.

Daher habe sie auch ein Buch geschrieben. „Ein bewegtes Leben: Von den Schatten Nazi-Deutschlands zum jüdischen Boot nach Gaza.

Die „Jerusalem Post“ schreibt mit Bezugnahme auf die Regionalzeitung „Darmstädter Echo“, dass eine Veranstaltung in einer evangelischen Gemeinde aufgrund der Äußerungen Rosengartens abgesagt worden sei. Der Sprecher der Sparkasse in Düren, Dirk Hürtgen, habe hingegen die Veranstaltung verteidigt und gesagt, dass die Sparkasse lediglich die Räumlichkeiten zur Verfügung stelle und sie es als Institution wichtig fänden, die Geschichte über die unmenschlichen Ereignisse während des Zweiten Weltkrieges in Erinnerung zu rufen. Sie würden solche Projekte auch in Zukunft weiter unterstützen und die Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum beibehalten.

Lillian Rosengarten: Eine Jüdin, die mit Israel hart ins Gericht geht

Holocaust und Frauenbewegung, Hippiekultur und Nahostkonflikt: Wer derart viel durchgemacht und erlebt hat, sehnt sich nach einem ruhigen Lebensabend ohne Kummer und Sorgen. Könnte man meinen. Doch Lillian Rosengarten denkt nicht daran, sich zur Ruhe zur setzen. Auf Einladung der Palästina/Nahost-Initiative gastierte die 80-jährige Friedensaktivistin im Edith-Stein-Haus in Heidelberg.

Unter dem Namen Gisela Lebrecht kam sie 1935 in Frankfurt am Main zur Welt. Was es damals bedeuten konnte, jüdischer Abstammung zu sein, bekam ihre Familie am eigenen Leibe zu spüren. Ihr Vater Fritz – der seinen Doktor der Chemie einst in Heidelberg gemacht hatte – wurde auf offener Straße von SA-Leuten verprügelt. Seine Frau Lilly musste die Tat mit ansehen, blieb von den Übergriffen aber verschont. 1937 floh die Familie nach New York. Für Großvater Rudolf Jacob, der in der Frankfurter Kaiserstraße einen vornehmen Textilhandel besaß, kam dieser Entschluss zu spät. Bedrängt durch die zunehmenden Anfeindungen, erhängte er sich im Januar 1936 in seinem Laden(Die Holocaust-Industrie (Videos)).

Dem Holocaust durch Auswanderung entgangen, erfuhr Gisela auch in den USA vereinzelte antisemitische Schmähungen durch andere Kinder. Sie entfremdete sich vom Judentum, legte ihre deutsch-jüdische Identität ab und wechselte sogar ihren Namen. Fortan wollte sie nur noch „Lillian“ genannt werden. „Den Namen habe ich irgendwo aufgeschnappt“, erzählt sie. So ganz konnte sie ihrem kulturellen Erbe aber nicht entfliehen: In ihrem Elternhaus wurde weiterhin Deutsch gesprochen, einen hessischen Einschlag hat sie bis heute behalten.

Ende der 1950er Jahre lernte sie ihren zukünftigen Ehemann Frank Rosengarten kennen – einen Mann, der einer wohlhabenden Familie entstammte und zugleich glühender Sozialist war, wie sich Lillian Rosengarten lachend erinnert.

Beide lebten eine Zeit lang in Italien, wo sie sich in antifaschistischen Kreisen bewegten, bevor sie über Cleveland nach New York zurückkehrten. Rosengartens Lebensweg erfuhr unterdessen weitere Wendungen: Sie ließ sich zur Psychoanalytikerin ausbilden und war in der Friedensbewegung gegen den Vietnam-Krieg aktiv. „Ich war ein totaler Hippie und sah furchtbar aus“, lacht sie.

Ihre Ehe ging in die Brüche, dafür schloss sie sich einem feministischen Freundeskreis an, zu dem auch die Schriftstellerin Susan Sontag zählte. Die familiären Schicksalsschläge blieben jedoch eine unerfreuliche Konstante in ihrem Leben: Ihr Sohn starb im Alter von 35 Jahren an einer Überdosis Heroin.

Während die Jahre verstrichen, näherte sich die amerikanische Staatsbürgerin wieder ihrer deutsch-jüdischen Identität an. In den 1970er Jahren besuchte sie erstmals Israel, wo ihr anfängliches Wohlwollen ins Gegenteil umschlug, als sie von der Regierungspolitik gegenüber den Palästinensern erfuhr. Dem Großteil ihrer jüdischen Verwandten stieß Lillian Rosengartens Kritik allerdings sauer auf. Bis heute meiden sie den Kontakt zu ihr (Zehntausende Juden protestierten in New York gegen Israels neues Wehrgesetz und Zionismus (Videos).

2010 bot sich dann die unverhoffte Gelegenheit, nicht nur mahnend das Wort zu erheben, sondern selbst aktiv zu werden. Aus der israelischen Zeitung Haaretz erfuhr sie von der Organisation „Juden für Gerechtigkeit für Palästinenser“, die mit einem Segelboot die israelische Seeblockade durchbrechen und Hilfsgüter wie Schulbücher, Fischernetze und Prothesen nach Gaza bringen wollten. Obwohl ihre Töchter Bedenken äußerten, ließ sich Rosengarten nicht von ihrem Entschluss abbringen. „Da muss ich einfach gehen“, sagte sie sich.

Die Fahrt auf der „Irene“ mit Besatzungsmitgliedern aus Israel, USA, Großbritannien und Deutschland wurde jedoch zu einem Albtraum. Die israelische Marine rückte mit Kriegsschiffen an, malträtierte ein Crew-Mitglied mit einer Elektroschockpistole und schleppte das Segelboot in den Hafen von Aschdod. Lillian Rosengarten blieb unverletzt, musste jedoch zwei Nächte im Gefängnis verbringen. „Als wären wir Terroristen“, erinnert sie sich mit Schrecken. Israel schob die unliebsame Aktivistin ab und erteilte ihr im Alter von 75 Jahren ein zehnjähriges Einreiseverbot. Für Lillian Rosengarten kein Grund, um aufzugeben.

2011 wählte sie stattdessen den Landweg über Ägypten und konnte sich endlich selbst ein Bild von Gaza machen. Obwohl sie sich als Jüdin zu erkennen gab, sprachen die Palästinenser ausgesprochen freundlich mit ihr und luden sie sogar auf eine Hochzeit ein. „Sie sagten: Wir hassen nicht die Juden, wir hassen die Regierung“, betont sie. Ansonsten blieben ihr jedoch vor allem die desaströsen Lebensbedingungen in Erinnerung. „In fünf Jahren ist Gaza nicht mehr bewohnbar“, mahnt Rosengarten und verweist auf einen aktuellen Bericht der Vereinten Nationen.

Um dieses Szenario noch irgendwie abzuwenden, geht sie auf Lesereise und erzählt von ihren Erlebnissen. Dass die israelische Regierung aus freien Stücken einlenkt, glaubt Rosengarten nicht. „Sie verstehen einfach nicht, was sie da tun. Es ist furchtbar, es muss endlich aufhören.“ Nur durch internationalen Druck sei ein Wandel möglich. Mit diesen Überzeugungen macht sie sich nicht nur Freunde. Zumal sie sich den Vorwurf gefallen lassen muss, nicht immer politisches Feingefühl an den Tag zu legen und Widerspruch geradezu herauszufordern.

Dass sie „Zionismus“ als die Schaffung eines rein jüdischen Staates versteht, ruft Irritationen und Protest hervor. Dass sie sich mit Kritik an der Hamas zurückhält, stößt auf Unverständnis. Und dass sie der israelischen Regierung „Rassismus“, „Apartheid“ und eine „ethnische Säuberung“ attestiert und Parallelen zum NS-Regime zieht, geht für viele zu weit. Die israelische Botschaft in Berlin protestierte gegen ihre Lesetour, und auch in Israel nahm man Notiz. Wenige Tage vor ihrem Auftritt in Heidelberg warf ihr die Jerusalem-Post vor, „antisemitische Inhalte“ zu verbreiten. Die Leser fanden sogar noch drastischere Worte und bedachten Rosengarten in fast 500 Kommentaren mit Verwünschungen aller Art.

Die Schärfe der Kritik macht die 80-jährige Aktivistin sichtlich betroffen. Angst verspüre sie jedoch nicht, und von ihrer Kritik abweichen möchte sie sowieso nicht. Stattdessen hält sie entgegen: Antizionismus sei nicht zwangsläufig Antisemitismus. Nicht jede Kritik an Israel sei durch Hass auf alles Jüdische motiviert („Five Broken Cameras“: Palästina – Leben in der Besatzungszone (Video)).

„Mich als Jüdin eine Antisemitin zu nennen – ich kann das nicht glauben“, klagt sie. Dennoch will sie die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft in einem gemeinsamen Staat nicht aufgeben. „Nur wenn die Palästinenser frei sind, kann auch Israel frei sein.“

Literatur:

Breaking the Silence: Israelische Soldaten berichten von ihrem Einsatz in den besetzten Gebieten von Breaking the Silence

Palästina: das Versagen Europas von Stéphane Hessel

Atommacht Israel von Seymour M. Hersh

Die Holocaust-Industrie: Wie das Leiden der Juden ausgebeutet wird von Norman G. Finkelstein

DVD: The Lab – Das Versuchslabor (OmU)

Quellen: PublicDomain/jpost.com/rnz.de/israelnetz.com am 25.01.2016

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