Mittwoch, Mai 1, 2024
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Jeder 5. Mensch kann mit den Augen »hören« (Videos)

Synästhesie kommt in der Bevölkerung selten vor. Nur Wenige verbinden Wörter mit Geschmäckern oder Zahlen mit Farben. Doch Forscher haben nun eine Form des Phänomens entdeckt, die jeder Fünfte kennen könnte.

Bist du bereit für einen kleinen Wahrnehmungstest? In dem untersten Video siehst du je zwei Sequenzen von Lichtblitzen und musst entscheiden, ob die Abfolgen identisch sind oder nicht. Zwischen den Sequenzen ist nur eine kurze Pause, also gut aufpassen! (Am besten mit Sound hören.) Ziemlich schwierig, oder?

Zumindest, wenn man sich ganz auf die Augen verlassen muss. Einfacher ist es bei den Sequenzen, die in Pieptöne übersetzt wurden. Die Analyse der auditiven Information scheint uns leichter zu fallen. Behalten wir den Gedanken einen Moment im Hinterkopf.

Jeder Fünfte »hörte« die Lichtblitze

Forscher der City, University of London haben den obigen Test mit 40 Versuchspersonen gemacht und dabei eine spannende Entdeckung gemacht. 22 Prozent der Teilnehmer berichteten von Wahrnehmungen, die an Synästhesie erinnern. Sie hörten bei der Präsentation der Lichtblitze Geräusche – die gar nicht abgespielt worden waren.

Das ist beachtlich, schließlich wird der Anteil von Menschen in der Bevölkerung, die Synästhesie erleben, nur auf etwa zwei bis fünf Prozent geschätzt. „Viele von uns gehen mit Sinnen durch’s Leben, die uns gar nicht bewusst sind“, erklärt Elliott Freeman gegenüber dem »Guardian«. Freeman ist Neuroforscher und Hauptautor der Studie (Gesundheit: Nährstoffe für die Augen).

Doch warum hat immerhin jeder fünfte Teilnehmer die Lichtblitze »gehört«? Diejenigen, die von Geräuschen berichteten, erzielten beim Vergleich der Lichtblitz-Sequenzen bessere Ergebnisse. Es könnte also eine hilfreiche Strategie sein, die visuelle Information in auditive umzukodieren.

Die inneren Geräusche unterstützen uns dabei, kleine Bewegungen korrekt wahrzunehmen. Nach Freeman zeigten sich in der Studie „zwei Arten von Leuten. Solche, die diese Geräusche erzeugen und die, die diese inneren Geräusche hören, ohne sich darum zu bemühen.“

Ein Teil der Versuchspersonen scheint die Strategie also bewusst angewendet zu haben. Dieses zweite Video veran-schaulicht, wie sich die Wahrnehmung visueller Informationen unterscheidet, wen man dazu Geräusche hört:

In einem zweiten Experiment stellten die Forscher fest, dass die inneren Geräusche durchaus »laut« genug waren, um die Teilnehmer bei einer Aufgabe zu stören, in der sie externe Geräusche identifizieren sollten.

Synästhesie oder starke Konditionierung?

Fraglich ist nun, ob man hier von Synästhesie sprechen möchte. Im klassischen Sinne denken wir dabei an Menschen, die zum Beispiel Zahlen mit bestimmten Farben verbinden: „Eine Fünf ist grün, eine Sieben gelb.“ Aspekte der Wahrnehmung, die im Gehirn physisch getrennt sind, sind bei ihnen gekoppelt. Wird das eine Areal angesprochen, reagieren auch ein oder mehrere andere, die eigentlich nicht gereizt wurden.

Im Fall der Lichtblitze werden bei einigen Menschen offenbar die visuelle und die auditive Verarbeitung angesprochen, obwohl der Reiz rein visuell ist. Das lässt sich also durchaus als Synästhesie bezeichnen. Es wäre allerdings durchaus denkbar, dass hinter den inneren Geräuschen eine Art sehr starker Konditionierung steckt.

Wenn wir im Alltag Bewegungen sehen, gehen diese häufig mit Geräuschen einher. Unser Gehirn »erwartet« also möglicherweise einen auditiven Reiz, wenn es eine Bewegung sieht (Augenöffner: Mit Kokosöl „Sehkraftverlust jetzt stoppen!“).

Diese Erklärung wird durch eine weitere Studie der Forschergruppe in Teilen gestützt. Dort präsentierten sie die Lichtblitz-Aufgabe geschulten Musikern. Das Phänomen der inneren Geräusche zeigte sich unter diesen Probanden noch stärker. Musiker sind es qua tausendfacher Übung gewohnt, kleine Bewegungen mit Geräuschen in Verbindung zu bringen.

Ob die »gehörten« Lichtblitze unter Synästhesie zu fassen sind oder nicht, werden weitere Studien zeigen müssen. Es gibt dazu bisher praktisch keine Forschung. Bis dahin kannst du ja selbst mal darauf achten, ob du möglicherweise Geräusche hörst, wo keine sind, wenn du Bewegungen siehst.

Beitragsbild: Fernando Calvo für Terra-Mystica.Jimdo.com

© Fernando Calvo für Terra-Mystica.Jimdo.com am 22.01.2017

Video:

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