Sonntag, April 28, 2024
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Merz, Spahn oder Kramp-Karrenbauer? Was bedeutet Merkels Rückzug für die AfD?

Der Rückzug Angela Merkels eröffnet ein neues politisches Spiel, auf das vor allem die AfD Antworten finden muss. Die Partei hat ihr Ziel erreicht: Merkel ist weg. Doch was kommt danach? Vieles wird davon abhängen, wer ihr Nachfolger als Parteivorsitzender wird und wie vor allem die Migrationspolitik aussehen wird. Ergibt sich hier ein echter Wandel, könnte das die Union zu Lasten der AfD stärken, vielleicht aber auch – wie in Österreich – Gemeinsamkeiten eröffnen, die in einer Regierungsbeteiligung enden.

Annegret Kramp-Karrenbauer sowie Jens Spahn und Friedrich Merz wollen für die Merkel-Nachfolge kandidieren. Wer im Dezember Parteivorsitzender wird, der wird 2021 auch als Kanzlerkandidat der Union antreten. Friedrich Merz hätte wahrscheinlich die größte Sogwirkung auf das bürgerliche Lager, das zur AfD gewechselt ist. Insofern liegt hier gleichermaßen die größte Gefahr für die Gauland-Partei, aber auch – möglicher Weise – die größte Chance für die Inhalte, die die Partei vertritt. Merz ist ein radikal-liberaler Wirtschaftsmann. Doch wie denkt er über den Schutz der Grenzen und den Islam? Dazu hat er sich bisher nie eindeutig geäußert. Es wäre ein Trugschluss, aus der Opposition zu Merkel hier einen grundsätzlich anderen Kurs zu erwarten, so lange er diesen nicht ankündigt.

Andererseits sehen in ihm viele verprellte Unions-Wähler die Personalisierung der „guten, alten CDU“, die unter Merkel verschwunden ist und die die AfD groß gemacht hat. Der Name ist in den 16 Jahren politischer Abstinenz mit reichlich Illusionen verbunden worden. Er hat Strahlkraft – vor allem bei AfD-Wählern. Zu denken sollte jedoch geben, dass er im Sommer die Ehrung der Ludwig-Ehrhard-Stiftung ablehnte, „weil er nicht mit dem Vorsitzenden der Stiftung auf einer Bühne auftreten“ wolle. Der Vorsitzende ist der konservative Publizist Roland Tichy – ein Mann, der zwar in Wirtschaftsfragen mit Merz übereinstimmt. Offenbar aber – und da sind wir wieder bei der Migrationsfrage – teilt Merz dessen scharfe Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik nicht. Bei der abgesagten Preisverleihung im Juli dürfte der heutige Wirtschaftsanwalt aber auch schon seine Kandidatur für den Parteivorsitz im Auge gehabt haben. Um sich nicht Chancen bei liberalen Delegierten zu nehmen, könnte er so gehandelt haben. Dies wäre ein Ausdruck von Taktik und Opportunismus, aber keinesfalls von Rückgrat. Andererseits ist Merz seit 2009 Vorsitzender der „Atlantik-Brücke“ und damit im alten westlichen Habitus verhaftet, das sich an den Denkfabriken der US-Ostküste ausrichtet.

Merz‘ Chancen werden dadurch geschmälert, dass mit Spahn ein Mann antritt, der ebenfalls für „konservativ“ gehalten wird. Er gehört bereits dem Parteivorstand an und ist unter Merkel Gesundheitsminister. Für die zum Establishment einer linken CDU gehörenden Delegierten könnte das den Ausschlag für die Wahl geben, wenn man denn einen Richtungswechsel und Aufbruch signalisieren möchte. Mit einem Vorsitzenden Spahn aber dürfte es die AfD nicht so schwer haben, weiter zu wachsen oder sich zumindest zu stabilisieren wie mit Merz. Der linkisch wirkende 38-Jährige ist kein Magnet für Wähler. Bezeichnend sein Spruch: „Bekannt bin ich schon, jetzt muss ich noch beliebt werden.“ Auf jeden Fall aber erschwert seine Kandidatur die Wahl Merz‘, weil die Delegierten beide zum selben Lager rechnen. Die Stimmen der Anti-Merkelianer werden sich aufteilen.

Lachende Dritte könnte daher Annegret Kramp-Karrenbauer werden, die jene Menschen auf dem Parteitag anspricht, die sich keinen radikalen Wechsel der linksgewendeten CDU wünschen. Und davon dürfte es nach 18 Jahren, in denen Merkel die Partei geführt und umgekrempelt hat, einige geben. Auf ihrer heutigen Pressekonferenz zu ihrem Rückzug hat Merkel auf die Frage, welchen der Kandidaten sie präferiert, klug reagiert: Sie sagte, sie könne mit jedem leben und vermied eine Unterstützung ihrer Generalsekretärin. Damit nimmt sie AKK einen Makel – und der heißt Kontinuität. Die Kontinuität bedeutete für die CDU zuletzt ein Wahldebakel nach dem nächsten. Auf die Wähler wirkt sie dennoch wie ein Merkel-Klon und könnte daher die einfachste Lösung für eine AfD werden, für die der Wechsel im Parteivorsitz der CDU ohnehin aus wahltaktischer Sicht eine Herausforderung darstellt.

Viele Deutsche entscheiden in der Wahlkabine nach Äußerlichkeiten. Kramp-Karrenbauer hat kaum Anziehungskraft auf die AfD-Klientel. Ihre Rhetorik ist nicht überzeugend. Mit Brille, Frisur und ihrem saarländischen Dialekt erinnert sie an eine linke Pädagogin und sprachlich auch noch ein wenig an Erich Honecker. Merz‘ schneidende Redekunst dagegen wäre für die AfD ein Desaster. Im Vergleich mit dem 62-Jährigen fällt auf, dass es der Partei nach wie vor an einer tatsächlich überzeugenden Führungsfigur, einem Volkstribun, fehlt. Sie wird gewählt, weil sie programmatisch den Gegenentwurf zur Merkel-CDU und einer vergrünten SPD bildet. Doch was, wenn Merkel weg ist? Der Abgang der Kanzlerin fordert die AfD seit ihrer Gründung zum ersten Mal, erwachsen zu werden. Die Partei muss sich darauf ausrichten, in diesem neuen Umfeld bestehen zu können. Es sei denn, Kramp-Karrenbauer wird CDU-Chefin – dann hat sie noch ein wenig Zeit. (WS)

@jouwatch

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