Dienstag, März 19, 2024
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Neue Asylreform: EU-Kommission setzt auf rigorose Abschiebungen

Nach jahrelangem Streit hat die EU-Kommission ihre Pläne für die Reform der europäischen Asyl- und Migrationspolitik vorgelegt. Diese sehen unter anderem mehr Abschiebungen, schnellere Asylverfahren und in Notfällen einen Krisenmechanismus vor.

Mit neuen Vorschlägen für eine effiziente Abschiebung abgelehnter Asylbewerber will die EU-Kommission Bewegung in die seit Jahren blockierten Verhandlungen über eine Asylreform bringen. Der am Mittwoch in Brüssel präsentierte Vorschlag sieht vor, Länder wie Griechenland und Italien vor allem mit einer starken Unterstützung bei der Rückführung von Menschen ohne Bleiberecht zu entlasten. Zur Aufnahme von Migranten sollen Länder wie Ungarn und Polen demnach nur in absoluten Ausnahmefällen verpflichtet werden. Zugleich will die EU-Kommission, dass alle EU-Staaten in Krisen ihren Beitrag zur gemeinsamen Migrationspolitik leisten.

Ob der Plan eine Chance auf Umsetzung hat, ist völlig offen. Ähnliche Versuche waren in den vergangenen Jahren stets gescheitert. Knackpunkt war stets die verpflichtende Verteilung Schutzsuchender auf alle EU-Staaten. Die gültigen Dublin-Regeln sehen vor, dass meist jener EU-Staat für einen Asylantrag zuständig ist, auf dessen Boden der Schutzsuchende zuerst europäischen Boden betreten hat.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen appellierte an die EU-Staaten, das Konzept als Basis für einen neuen Anlauf für eine Einigung zu nehmen.

„Es ist an der Zeit, sich der Herausforderung zu stellen, Migration gemeinsam zu gestalten – mit der richtigen Balance von Solidarität und Verantwortung“, sagte sie. Es gehe auch darum, das Vertrauen der Bürger wiederherzustellen.

Verpflichtende Solidarität in Ausnahmesituationen

Das Konzept der EU-Kommission, über das die EU-Staaten und das Europaparlament noch verhandeln müssen, sieht ein dreistufiges Verfahren vor. In normalen Zeiten können die EU-Staaten einander freiwillig helfen. Gerät ein Land unter Druck, kann es jedoch einen sogenannten Mechanismus für verpflichtende Solidarität auslösen. Die EU-Kommission würde in diesem Fall prüfen, wie viele Menschen dem Land abgenommen werden müssen – jedes andere Land müsste Hilfe anbieten: Entweder nimmt es Migranten mit Aussicht auf einen Schutzstatus auf, oder aber es hilft anderweitig, etwa durch Abschiebungen oder beim Migrationsmanagement.

Spitzt sich die Situation weiter zu, und es tritt eine Krise wie 2015 ein, greift ein Krisen-Mechanismus. Dann wird die Auswahl der Hilfsmöglichkeiten geringer: Entweder werden Migranten – auch solche ohne Aussicht auf einen Schutzstatus – aufgenommen oder die Abschiebung einer bestimmten Anzahl abgelehnter Asylbewerber wird übernommen. Diese Abschiebung muss innerhalb von acht Monaten erfolgen. Gelingt das nicht, muss das Land sie selbst aufnehmen.

Verfahren an der Grenze

Bevor ein Migrant ins Land kommt, soll der betroffene Staat nach Vorstellung der EU-Kommission künftig an der Grenze eine Vorüberprüfung vornehmen, die deutlich umfangreicher als bisherige Prüfungen ist: Der Migrant wird registriert, Fingerabdrücke werden genommen, Gesundheits- und Sicherheitschecks durchgeführt. Kommt der Asylbewerber aus einem Land mit geringerer Anerkennungsrate – Tunesien oder Marokko etwa – soll innerhalb von zwölf Wochen ein Grenzverfahren durchgeführt werden.

Dies soll sowohl Schmuggler als auch die Menschen selbst abschrecken, sich auf den Weg nach Europa zu machen. Gelingt das Verfahren nicht innerhalb von zwölf Wochen, müsste ein normales Asylverfahren durchgeführt werden. „Ich möchte, dass wir schnelle Entscheidungen und schnelle Rückführungen haben“, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. Zugleich müsse das Recht auf Asyl verteidigt werden.

Dublin-Regeln

An den derzeit gültigen Dublin-Regeln hält die EU-Kommission grundsätzlich fest. Demnach ist meist jener EU-Staat für einen Asylantrag zuständig, auf dessen Boden der Schutzsuchende zuerst europäischen Boden betreten hat. Bestimmte Menschen sollen allerdings schon zuvor auf andere EU-Staaten verteilt werden – etwa, wenn sie dort Geschwister haben oder dort in der Vergangenheit studiert oder gearbeitet haben. Gleiches gilt, wenn der Asylbewerber zuvor legal mit einem Visum in ein EU-Land gereist ist. Dann soll der Staat zuständig sein, der das Visum ausgestellt hat. Dies soll die sogenannte sekundäre Migration verhindern, also das Weiterziehen von einem EU-Land in das nächste. Griechenland und andere Südstaaten hatten mehrfach die Abkehr vom Dublin-System gefordert. Es werde Enttäuschungen in allen EU-Staaten geben, sagte Johansson. „Es gibt keine perfekte Lösung. Es geht darum, eine ausgewogene Lösung zu finden.“

Schnellere Abschiebungen

Zum einen soll es nach Vorstellung der EU-Kommission die sogenannten Abschiebe-Patenschaften geben. Wenn ein Land in Krisensituationen keine Migranten aus einem anderen EU-Staat aufnehmen will, kann es also die Abschiebung einer bestimmten Anzahl nicht Schutzberechtigter übernehmen. Die EU-Kommission will Rückführungen aber auch anders beschleunigen. Als Hebel soll auch die Visum-Politik der EU eingesetzt werden. Zudem soll ein „EU-Koordinator für Rückführungen“ ernannt werden, der mit Fachleuten der EU-Staaten zusammenarbeitet. Auch der Außengrenzschutz solle verbessert werden. Die EU-Kommission sieht eine stärkere Rolle für die Grenzschutzagentur Frontex vor.

Seenotrettung

Die Rettung von in Seenot geratenen Migranten ist nach Ansicht der EU-Kommission eine Pflicht. Die EU-Kommission will nun, dass der „Mechanismus für verpflichtende Solidarität“ auch hier Anwendung findet. Entweder die EU-Länder nehmen Gerettete auf, oder sie helfen anderweitig – etwa bei der Abschiebung.

Zusammenarbeit mit Drittstaaten

Die EU soll nach Ansicht der EU-Kommission an Abkommen mit anderen Ländern arbeiten, die beiden Seiten helfen. Dadurch solle etwa Menschenschmuggel bekämpft werden, aber auch legale Wege in die EU sollten geschaffen werden. Um passende Arbeitskräfte zu finden, sollten Talent-Partnerschaften mit Nicht-EU-Ländern gestartet werden. Zudem plant die Behörde einen Plan für Integration und Inklusion.

pal/dpa

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