Dienstag, Mai 7, 2024
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Neue EU-Richtlinie gefährdet die Meinungsfreiheit

Flagge der europäischen Union

Eine neue EU-Richtlinie zu Geschäftsgeheimnissen gibt Anlass zur Sorge. Ihre Umsetzung könnte die Meinungs- und Pressefreiheit gefährden. Denn was alles unter die Formulierung „Offenlegung von Geschäftsinformationen” zählt, ist weit dehnbar.Ziel der EU-Richtlinie „über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformation (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung” ist es, unfaire Praktiken im Wettbewerb zwischen Unternehmen und die Ausspähung von Konkurrenten und Verwertung dieser Vorteile zum wirtschaftlichen Nutzen zu

unterbinden.

Wirtschaftliche Konkurrenten sind aber nicht die einzigen, die Interesse an Informationen haben, die Unternehmen geheim halten wollen. Die Richtlinie könnte bei entsprechender Rechtsaulegung gravierende

Auswirkungen auf die Arbeit von Journalisten und den Schutz von „Whistleblowern” haben. Skandale, zum Beispiel beim Datenschutz oder der Beihilfe zur Steuerhinterziehung, würden möglicherweise aus Angst vor gravierenden rechtlichen Folgen in Zukunft nicht aufgedeckt, denn die Formulierungen in der Richtlinie sind zu vage:

  • Im vorliegenden Entwurf werden die Geheimnisse als Geschäftsgeheimnisse definiert, die „von kommerziellem Wert sind, weil sie geheim sind“. Dies ist aber tautologisch. Nach der von der Kommission vorgeschlagenen Definition kann das Unternehmen eine Angelegenheit willkürlich zum Geschäftsgeheimnis erklären.
  • Nach dem vorliegenden Entwurf kann Erwerb, Nutzung und Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses nicht geahndet werden, wenn dies „zum Zweck der rechtmäßigen Wahrnehmung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit“ erfolgt. Das Wort „rechtmäßig“ ist relativierend und kann den Wesenskern dieser Bestimmung in der jurtistischen Praxis zu Lasten der Presse- und Meinungsfreiheit stark verändern
  • Von den Whistleblower wird erwartet, dass sie die rechtliche Relevanz des gemeldeten Verstoßes zum Zeitpunkt ihrer Meldung einschätzen können. Das kann keinem juristischen Laien zugemutet werden, der im öffentlichen Interesse handelt und unternehmensinterne Gefahren für die Öffentlichkeit aufdeckt.
  • Nur ordnungswidrige, strafbare und illegale Handlungen können nach dem derzeitigen Entwurf der EU-Kommission durch Whistleblower rechtmäßig offen gelegt werden. Hier besteht das Risiko, dass schein-legale Praktiken oder interne Planungen der Unternehmen, die Rechtsbrüche zur Folge hätten, nicht veröffentlicht werden dürfen.

Die Generaldirektion Binnenmarkt der Europäischen Kommission hat unter Beteiligung von Akteuren aus der Wirtschaft den Entwurf zur Richtlinie ausgearbeitet, ohne die Journalistenverbände und Interessenvertretungen auf Arbeitnehmerseite aktiv einzubinden. Die Folge ist ein Entwurf, der vor allem den geschäftlichen Schutzinteressen der Unternehmen Rechnung trägt und die etablierte Balance in einem demokratischen Gemeinwesen zu Lasten der Medienpraktiken und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit verzerren könnte.

Zwar hat in Deutschland laut Artikel 1 GG „Jeder […] das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Eine Zensur findet [dabei] nicht statt.” Doch  die geplante EU-Richtlinie würde wohl unter Absatz 2 desselben Artikels fallen und damit verfassungskonform bleiben: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze […]”

Die OSZE- Beauftragte für Medienfreiheit Dunja Mijatovic warnte in einer Stellungnahme zu dem laufenden Gesetzgebungsvorhaben: “Einige der Bestimmungen verhindern nicht ausreichend die Einführung von überzogenen Beschränkungen der Freiheit der Äußerung und der Freiheit der Medien durch die europäischen Mitgliedstaaten. Insbesondere definiert der Text nicht die legitime Ausübung des Rechtes auf Äußerungsfreiheit und Information und enthält keine klare Erwähnung des öffentlichen Interesses um sachgemäß investigativen Journalismus zu schützen, der den Erwerb, Gebrauch und die Offenlegung von Geschäftsinformationen umfasst.”

Verteiler: Neopresse

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