Sonntag, April 28, 2024
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Niemand hat Kolumbus ausgelacht: Fälschungen und Legenden der Geschichte richtiggestellt

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Ein Historiker, der die Schwierigkeiten im Umgang mit der Wahrheit auch in alltäglicher journalistischer Tätigkeit erfahren hat, legt hier eines der wichtigsten Geschichtsbücher vor, die sich an einen weiten Leserkreis wenden.

Dem Experten bringt das Buch nichts Neues (wobei man freilich anmerken darf, daß auch gründliche Kenner der Geschichte keineswegs in jedem ihrer Reviere eben Experten sind). Das Buch stützt sich ausdrücklich auf gesicherte Ergebnisse historischer Forschung. Das gibt ihm Rang; und das macht dem „unbefangenen“, dem in Legenden befangenen Leser die erstaunlichen Geschichten doppeltFehler, Gruppe existiert nicht! Überprüfen Sie Ihre Syntax! (ID: 3) erstaunlich.

Niemand hat Kolumbus ausgelacht, als er behauptete, er könne in westlicher Richtung nach den orientalischen Goldlanden segeln; denn die Erde sei rund. Daß die Erde Kugelgestalt hat, wußte damals jeder vernünftige Mann, mit dem Kolumbus seine Pläne

erörterte. Im Unrecht war nur einer: Kolumbus selbst, der nämlich den Umfang der Erde auf fast verhängnisvolle Weise unterschätzte. Und warum die Kolumbuslegende und viele andere, die immer noch durch das Geschichtsbewußtsein spuken, grund- und haltlos sind, das zeigt Gerhard Prause in einer Reihe präziser, kritischer Lektionen.

Tiberius hat durchaus nicht jene haarsträubenden Orgien gefeiert, mit deren Legende die Fremdenführer heute noch auf Capri das Klima erotisieren. Nur plumpe Lügen haben kurze Beine; fein gefeilte Verleumdungen vor aktuell politischem Hintergrund führen ein zähes Leben und werden womöglich „Geschichte“.

Tiberius bietet dafür ein Beispiel, Potemkin ein anderes; er hat durchaus keine Potemkinschen Dörfer gebaut, sondern handfest kolonisiert. Und Segest sollte richtiger als ein friedfertiger, auf Ausgleich mit den Römern bedachter Politiker gesehen werden denn als germanischer Erzverräter.

Gerhard Prause korrigiert Vorurteile, die aus Legenden hervorgegangen sind. Vor allem rückt er die richtigen Tatsachen ins rechte Licht. Dabei handelt es sich nicht um irgendwelche Episoden. Auch wird kein Striptease mit der Dame Klio veranstaltet und nicht in den Alkoven der Historie geschaut. Hier geht es um historisches Geschehen von hoher Bedeutung, um Personen und Ereignisse, die fast jeder zu kennen glaubt und von denen doch kaum jemand wahrhaft weiß.

Luther hat seine Thesen nicht angeschlagen, jedenfalls gibt es dafür nicht die Spur eines historischen Beweises. Die Bastille war keine Zwingburg, sondern eine Art Luxusgefängnis, und wurde nicht erstürmt (Der Sturm auf die Bastille fand nicht statt). Hamburg hat sich den Titel „freie Stadt“ selbst zugelegt. Preußens Beamte waren gerade unter dem angeblichen Urvater preußischer Korrektheit, dem „Soldatenkönig“, alles andere als unbestechlich. Und gerade die berühmten Lesebuchgeschichten aus der Geschichte halten irgendwelcher Nachprüfung nicht stand.

Bis hin zum Warren-Bericht über die Ermordung Kennedys wird hier abgeklopft, was im Bau populärer Historie hohl klingt. Er möchte, so schreibt der Autor, „zu kritischer Nachdenklichkeit anhalten, zu notwendiger Skepsis gegenüber den allgemein bekannten immer wiederholten Geschichtswahrheiten, die oft längst zu bloßen Klischees geworden sind“. Er tut’s ohne Fanatismus und ohne Beckmesserei. Das Geschehen wird leidenschaftslos dargestellt, das ohnehin Dramatische in der Historie nicht noch aufgeputzt.

Hinter den üblichen „Geschichtswahrheiten“ legt Gerhard Prause die bessere, weil menschlichere, erträglichere Wahrheit frei.

Man darf getrost behaupten: sein Buch wird Rankeschem wie modernem Anspruch gerecht. Man darf, man muß diesem Buch weite Verbreitung wünschen.

Rezension:

„Gut ein Jahrhundert nach Luther wurde ein anderer Mann von einem Gericht beschworen, seine Schriften und Ansichten zu widerrufen: Galileo Galilei, der behauptet hatte, dass die Erde sich um die Sonne bewegt. Auch seine Geschichte ist vereinfacht worden. Aber dabei wurde sie, im Gegensatz zu der von Luther, total verfälscht und das hat verhängnisvolle Folgen gehabt, die sich bis heute auswirken. Zugleich ist sie ein Beweis dafür, wie unvorstellbar hartnäckig solche Vereinfachungen sind. Sie können noch so oft richtiggestellt werden – im Gedächtnis von Millionen leben sie unverändert weiter.“

Wir leben in einem Zeitalter des Rechthabens, in dem die meisten Menschen nur allzu gern mit ihrem Wissen im Bekanntenkreis auftrumpfen, während wir aber allgemein das Gefühl haben, von den Großen und Mächtigen der Welt ständig übers Ohr gehauen zu werden. Wahrheit ist zwar ein einfacher Begriff, aber man kann alles damit bezeichnen, ohne dass der Unterschied oder die Fehlkennzeichnung sofort bemerkt würde. Schwerlich wird mich jemand davon überzeugen, dass eine Giraffe ein Nashorn ist, denn ich weiß was eine Giraffe ist. Mit den vielen Wahrheiten auf der Welt, auch den historischen, ist es etwas anderes. Hier kann mir jeder alles sagen und nur wenn es meinen eigenen historischen Vorstellungen radikal widerspricht, kann ich seine Darstellung wirklich ausschließen. Geschichte ist keine exakte Wissenschaft, (die Geschichte der Ideen und Meinungen sowieso nicht, denn sie wird allein von Menschen durch die Zeit getragen) oder kann zumindest nur mit Mühe und langer Forschung zu einer solchen gemacht werden, denn letztendlich lässt sie sich weniger festlegen, vielmehr muss man, gerade was ältere Geschichte angeht, die Quellen lange deuten, um auf einen halbwegs vernünftigen Zweig zu kommen.

Zudem ist Historie ein Aufzählung mit vielen Reihen; so unterscheidet sich die Geschichte der Siege wesentlich von der Geschichte der Schlachten; und eine Geschichte der Erfindungen liest sich ganz anders als die Geschichte einer Organisation, wie etwa der Kirche oder des roten Kreuzes. Es gibt Erfolgsgeschichten und Lebensgeschichten, es gibt Weltgeschichte und Menschheitsgeschichte. Umfang und Thema, das Maß an Überhöhung oder Präzision, das man anwenden kann, verändern natürlich die Wirklichkeit, aber auch die Wirkung der beschriebenen Tatsachen und diese Wirkung ist oftmals mehr unsere Wirklichkeit als die Tatsache; Ideen und klare Konturen sagen uns mehr zu als die objektive, plastische Realität.

Umso wichtiger ist es, sich dann und wann über die Legenden und Wahrheit der Geschichte Gedanken zu machen. Ob immer verhängnisvolle Folgen hat, einen historischen Irrtum nicht zu kennen, sei dahingestellt; richtig ist jedoch, dass eine Unkenntnis der Geschichte einen nicht nur dazu zwingen könnte, sie (/ihre Fehler) zu wiederholen, sondern auch zwei wesentliche Elemente menschlicher Ethik vernachlässigen könnte: Demut und Zweifel.

Noch immer sind Lügen Grundlage von ein paar der besten Geschichten, ein paar der besten Anekdoten und sie werden nicht verschwinden, wenn man sie als Lügen entlarvt. Aber es die eine Sache, eine Anekdote im Witz zu erzählen, oder sie als Ausrichtung des Geistes oder als Verstärkung seiner eigenen Meinung durch einen großen Geistes, zu verwenden. Luther’s Satz: „Ich stehe hier, ich kann nicht anders“ ist eine schöne Formulierung und gute Zusammenfassung seiner Rede vor dem König und wohl auch Sinnbild seiner tieferen Überzeugung (das Wissen, dass er diese Worte jedoch so nie gesagt hat (wie Gorbatschow auch nie „Wer zu spät, den bestraft das Leben“ oder Galilei „Sie dreht sich doch“ gesagt hat), dazu zu nutzen, um jemand anderem über den Mund zu fahren, ist übrigens auch wiederum eine alberne Form von Korrektur) – aber seine Worte irgendwie in eine allzu heroeische Richtung zu verdrehen, ist eben nicht mehr im Sinne der Wirklichkeit.

Schon immer haben Dichter und unbekannte andere Menschen in historischen Erscheinungen Möglichkeiten für die Verdichtung, Symbolik und Widerstand (u.v.a.) gesehen und den Personen, Gegebenheiten dann Dinge zugeschrieben, die nie geschehen sind und doch durch das ursprüngliche erst inspiriert wurden. Das ist schön und richtig, was wären wir ohne etwas Idealisierung. Aber nicht als Inspiration will dieses Buch die Geschichte sehen, sondern als Faktum und das ist gewiss auch nicht verkehrt. Allerdings kann es natürlich etwas trockener sein und jeder, der dieses Buch zur Hand nehmen will, muss schon an der dezidierten Wahrheit interessiert sein und ihre manchmal aufschlussreichen, manchmal banalen Formen hinnehmen.

In den 12. Kaptiteln geht es um viele sehr unterschiedliche historische Legenden und Ereignisse um Fälschungen, Misstverständnisse oder auch Lügen.

Kaptiel 1: setzt sich mit dem römischen Kaiser Tiberius auseinander. Selbst ich habe noch in der Schule gelernt, dass er ein grausamer und ausschweifender Herrscher ohne Vernunft und Ideale war. Weit gefehlt und nicht banal.

Kapitel 2: beschäftigt sich mit dem Titelthema, Kolumbus und die Inspiration zu seiner Reise gen Westen, mit Vorgeschichte und dem Ausräumen der Legende, niemand habe Kolumbus These von der runden Welt für voll genommen. Gerade hier zeigt Prause seine wichtigste Stärke, nämlich die plumpen Vorstellungen von manchen Zeitaltern (Mittelalter und Kirche: alles nur destruktiv und wissenschaftlich zurückgeblieben) aufzubrechen und zu differenzieren.

Kapitel 3: ist über Luther und seinen Thesenanschlag.

Kapitel 4: über Fälschungen mit denen sich Städte, Könige und Fürsten Privilegien und Rechte sicherten, die nie existierten oder nie vergeben wurden – zum Beispiel die konstantinische Schenkung.

Kapitel 5: beleuchtet den Sturm auf die Bastille, vielleicht etwas zu detailliert.

Kapitel 6: rechnet mit einigen Lesebuchgeschichten und -ideen ab und ihrer historischen Glaubwürdigkeit, wobei Friedrich der Große auch etwas ins rechte Licht gerückt wird.

Kapitel 7: Über Galileo Galilei. Sehr aufschlussreich, wenn auch nicht ganz überzeugend, da die These der Richtigstellung nicht ganz klar ist.

Kapitel 8: über die wahren Errungenschaften von Fürst Potemkin – sehr interessant! Eine Figur, die man plötzlich in einem ganz neuen Licht sieht und auch ansonsten ist die Schilderung von Katharina der Großen und des russischen Reiches gut gelungen.

Kapitel 9: dreht sich um die wahre Hintegrundgeschichte von „Der Hauptmann von Köpenick“. Etwas überflüssig, aber wenigstens nicht rücksichtslos oder dergleichen, sondern sehr neutral, manchmal geradezu nett gehalten.

Kapitel 10: über die Präsidentenmorde an Kennedy und Lincoln. Lediglich Darstellungen, ein paar Hinterfragungen, keine Thesen.

Kapitel 11: sehr kurz, geht um den ersten Nordpolflug. Wichtige Richtigstellung, in der Breite aber mäßig interessant.

Kapitel 12: über Wissenschaftler, die in ihrem Spezialgebiet aufs Kreuz gelegt wurden. Netter Abschluss, aber fast schon überflüssig.

Einigen Helden und ruhmreichen Taten verpasst Prause hier den Todesstoß. Andere rückt er nur in ein neues, kantigeres Licht, ein menschliches, ein vielschichtigeres. Das schmerzt manchmal etwas, das kann man nicht verhehlen, aber letztlich hat man dann doch das Gefühl, die Legenden trotzdem noch zu haben und den historischen Dinge nun in einem wirklicheren Kontext zu erleben. Lehrreich in jedem Fall und unterhaltsam, wenn man etwas lehrreiches als unterhaltsam empfinden kann. Nicht knochentrocken, nicht minutiös, aber doch mit Geduld und viel drum herum, ein paar Abschweifungen. Man verlässt das Buch mit wenig Fragen, aber ein bisschen zu viel „Korrektur“.

Literatur:

Niemand hat Kolumbus ausgelacht. Fälschungen und Legenden der Geschichte richtiggestellt. von Gerhard Prause

Das erfundene Mittelalter von Heribert Illig

Die Evolutionslüge. Die Neandertaler und andere Fälschungen der Menschheitsgeschichtevon Hans-Joachim Zillmer

Quellen: PRAVDA TV/ZeitOnline/dtv vom 29.06.2015

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