Donnerstag, April 25, 2024
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Nimmt illegale Migration über den Balkan wieder zu? – Balkan-Experte: „Sie kommen, um zu bleiben“

In einem „Welt“-Artikel warnte der Präsident der Bundespolizei Dieter Romann vor Tausenden Migranten, die angeblich über die neue Balkanroute nach Mittel- und Westeuropa gelangen wollen. Der bosnische Sicherheitsexperte Dževad Galijašević sieht eine solche Gefahr jedoch nicht. Die Grenzen Kroatiens und Sloweniens sollen streng kontrolliert werden.

Aktuell würden sich 12.000 Migranten in der Balkanregion aufhalten, allein rund 7.000 in Bosnien und Herzegowina, schrieb kürzlich die „Welt“ unter Verweis auf eine interne Einschätzung des Bundesinnenministeriums, die nur der Zeitung vorliegt. Seit Jahresbeginn seien da schon mehr als 25.000 Migranten festgestellt worden, 18.000 davon seien in andere europäische Staaten weiterzogen, so die Zeitung. Romann zufolge kann heute überhaupt „keine Rede von sicheren Außengrenzen sein.“ In dieser Hinsicht forderte der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries bereits von der Bundesregierung, „frühzeitig auf Alarmsignale zu reagieren“. Wenn die Situation dies erfordere, sollte Deutschland den Balkanstaaten personelle Unterstützung zur Grenzsicherung und materielle Unterstützung zur Versorgung der Migranten vor Ort zukommen lassen. Ein „ungehinderter Transit Richtung Deutschland“ müsse „in jedem Fall vermieden werden“, sagte de Vries weiter gegenüber der „Welt“.

Bosnien und Herzegowina der Endpunkt der „Balkanroute“?

In einem Sputnik-Gespräch stellt der balkanische Sicherheitsexperte und Politologe Dzevad Galijasevic die Thesen aus dem „Welt“-Artikel in Frage. Die sogenannten ‘illegalen Migranten’, die über die Balkanroute von der Türkei durch Griechenland, Albanien, den Kosovo und Serbien in Europa unterwegs sind, kommen nach seinen Angaben nach Bosnien und Herzegowina, um dort zu bleiben. Damit sei Bosnien und Herzegowina der Endpunkt der sogenannten „Balkanroute“, die an Kroatien als ein EU-Land grenzt, behauptet Galijasevic. Der Weg nach Frankreich und Deutschland über die Stadt Bihac im Una Sana Kanton im Nordwesten des Landes und das norditalienische Triest sei daher gesperrt, weil die kroatischen sowie die slowenischen Grenzen bereits „streng kontrolliert werden“.

Die EU leistet bereits humanitäre Hilfe für Flüchtlinge und Migranten in dem kleinen Balkanland. Mit zwei Millionen Euro für den nahenden Winter steigt der seit 2018 von der EU geleistete Beitrag auf insgesamt 5,8 Millionen Euro. Auf die Informationen der Welt, es hätten sich etwa 18.000 Migranten über Triest nach Westeuropa begeben, antwortet Galijasevic, dies sei eine Manipulation mit den Zahlen.

„Wenn jemand glaubt, dass 18.000 Menschen dem kroatischen Grenzsicherungssystem, das eben auf die Armee gestützt ist, unbemerkt entkommen können, dann versucht er, uns in die Irre zu führen.“

Einige Hunderte könnten es aus der Sicht Galijasevics ja gewesen sein, aber kaum Tausende, ohne dass das Land nichts davon wisse.

„Sie kommen sogar aus Bulgarien und Rumänien“

Der Experte äußert weiter unter Verweis auf die örtlichen Statistiken, dass derzeit etwa 20.000 illegale Migranten sich in Bosnien und Herzegowina aufhalten würden. Er weist auch darauf hin, dass weder Kroatien noch Slowenien von den Flüchtlingen zu umgehen seien, denn es gebe in Bihac kein Meer. Sie würden also in Bosnien bleiben: in Bihac, Tuzla, Sarajevo, in Ost-Mostar und in anderen Städten.

Was sollen sie an Bosnien so attraktiv finden? Laut Galijasevic liegt es daran, dass die Behörden in Sarajevo nicht einmal versuchen würden, sich nach den einreisenden Personen in ihren Herkunftsländern zu erkundigen. Viele sich in Bihac und Tuzla aufhaltende Flüchtlinge, die über die Türkei gekommen seien, hätten keine Papiere, aber schon ein paar Handys mit funktionierenden Sim-Karten.

„Sie kommen sogar aus Bulgarien und Rumänien, die als Mitglieder der EU ein flexibleres Grenzregime haben.“

Die Einreisebestimmungen in diesen Ländern seien nicht strenger, jedoch würden die Migranten sich aus irgendwelchem Grund für Bosnien entscheiden, sagt Galijasevic. Der selbst proklamierte Terrorismusforscher Galijasevic behauptet sogar, dass Sarajevo womöglich Dschihadisten aus dem Syrienkrieg aufnehme, indem es die Einreise der Flüchtlinge so fahrlässig kontrolliere.

Wiener Migrationsforscher: „Es wird mit solchen Meldungen immer Angst vor den Migranten gemacht“

„Die Grenzen werden mittlerweile überhaupt in westeuropäischen Ländern, auch innerhalb von Schengen, verschärft kontrolliert“, fügt der Wiener Historiker und Migrationsforscher Hannes Hofbauer in einem Gespräch mit Sputnik hinzu.

„Es gibt wiederum ausgeweitete Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Österreich, Grenzkontrollen von Österreich Richtung Ungarn, Slowakei und Slowenien. Insofern ist es auch logischer, dass es Grenzkontrollen zwischen Slowenien und Kroatien gibt, die stärker sind als früher.“

Der österreichische Politologe sagt, er wolle jetzt nicht den Migranten die Schuld zuweisen. Das wäre die falsche Debatte, sagt er. „Es würde darum gehen, diese Migration vor Ort einzudämmen. Wo kommen diese Migranten her? Sie kommen aus dem Krieg, sie kommen aus wirtschaftlich zerstörten Gebieten. Und die Aufbauhilfe dort, das ist das Entscheidende, um die Migration zu stoppen.“

Hofbauer führt weiter aus: „Mit diesen ständigen Meldungen, dass Migranten nach Europa oder in die Zentralräume Europas kommen, wird immer Angst vor den Migranten gemacht. Diese Meldungen sind auch seltsam, weil sie letztlich nie beinhalten, sich über die Ursachen oder auch die Funktion der Migration auseinanderzusetzen. So ist das Pferd von der falschen Seite her aufgezäumt, indem man bei dem Ende der Geschichte beginnt und die Diskussion über den Anfang verweigert.“

Der Militärexperte der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ Reiner Braun warf kürzlich in einem Gespräch mit Sputnik der Bundesregierung vor, es mit humanitärer Hilfe für das leidgeplagte Syrien nicht ernst zu meinen. Die Lage in Syrien sei für ihn zu ernst, als dass er sich Gedanken mache über Profilierungssüchte irgendwelcher konservativen deutschen Politiker, sagte Braun mit Blick auf die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihre Vorstöße. Nach der Beendigung des Großteils des Krieges in Syrien werde von westlicher Seite eben nicht daran gedacht, sagt Hofbauer weiter, Wiederaufbauhilfe zu leisten oder Rücksiedlungsprogramme zu unterstützen. „Im Gegenteil, die USA bleiben mit den Soldaten dort, um Ölfelder für sich zu reklamieren. Da muss ich mich dann quasi nicht wundern, wenn sich die Menschen nach wie vor auf den Weg Richtung Westeuropa machen. Es würde doch ganz wichtig sein, diesen Menschen vor Ort eine Perspektive zu bieten. Und das verweigern sowohl die Europäische Union, natürlich die USA sowieso, weil sie geografisch ganz woanders angesiedelt sind. Insofern ist die Debatte falsch aufgezogen.“

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