Montag, Mai 6, 2024
StartZARONEWS PresseAgentur„Politische Dankesschuld“, oder polnische Frage einer Ursula von der Leyen – Kommentar

„Politische Dankesschuld“, oder polnische Frage einer Ursula von der Leyen – Kommentar

Gleich nach ihrem Frankreich-Besuch ist die frisch designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Polen geflogen. Ohne die PiS-Stimmen wäre sie laut der polnischen Zeitung wohl nicht Kommissionspräsidentin geworden. Dem Polen-Experten Reinhard Lauterbach zufolge erwartet Warschau dafür bestimmte Image-Profite und Nato-Treue.

Es gebe schwierige Fragen wie die Migration und die Rechtsstaatlichkeit, sagte von der Leyen während der Pressekonferenz mit Ministerpräsident Mateusz Morawieck (PiS). Aber: Wichtig sei, dass man zuhöre. Bei Morawieck heißt es: In den kommenden Jahren sollten eine neue Öffnung und ein Europa der Kompromisse geschaffen werden. Mehr Harmonie kann man sich zwischen einer Vertreterin der EU-Kommission und der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) kaum vorstellen.

Dabei schrieb die Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ kürzlich unter Verweis auf vertraute Personen, dass kurz vor der entsprechenden Abstimmung im EU-Parlament der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak in geheimer Mission nach Warschaugereist sein und beim PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski um Stimmen für von der Leyen geworben haben soll. „Erstens verdankt sie ihre Nominierung indirekt und ihre Wahl rechnerisch u.a. Polen bzw. den Stimmen der polnischen PiS-Abgeordneten“, bestätigt der schon lange in Polen lebende deutsche Publizist Reinhard Lauterbach gegenüber Sputnik. Sie hätte ja nur mit einer Mehrheit von neun Stimmen bei 24 PiS-Abgeordneten im Europaparlament gewonnen. Dass sie die polnische Regierung gleich nach Frankreich besuche, schmeichle allerdings den PiS-Leuten. Auch Morawiecki sagte nach der Wahl von der Leyens, ohne Gunst aus Osteuropa wäre sie wohl nicht Kommissionspräsidentin geworden. Auch die Abgeordneten der ungarischen Fidesz von Viktor Orbán hatten für von der Leyen votiert.

Was erwarten die Polen nun von der neuen EU-Kommissionspräsidentin?

„In erster Linie, dass sie den Image schädigenden Konflikt mit der vorherigen Kommission über die Rechtsstaatlichkeit beerdigt oder wenigstens aus dem Licht der Öffentlichkeit entfernt“, kommentiert Lauterbach weiter. Auf die Image-Fragen scheint sich die 60-Jährige perfekt zu verstehen, selbst der Rechnungshof war mal der Meinung, dass die teuren Videos, die von der Leyen den IT-Dienstleister der Bundeswehr, BWI, fertigen ließ, „mehr der Selbstdarstellung denn der Leistungserbringung“ dienen. Was dazu kommt, ist der polnische Kandidat Krzysztof Szczerski, der in einem bedeutenden Ressort der künftigen Kommission berücksichtigt werden soll, verweist Lauterbach. Anfang dieses Jahres hatte Warschau für den Kabinettschef des Präsidenten Andrzej Duda als Nato-Vizepräsident geworben – erfolglos. In der EU-Kommission wird ihm ein bedeutender Posten in der Wirtschaft zugetraut. Laut dem Chefredakteur der polnischen Wochenzeitung „Myśl Polska“ Adam Śmiech wird Szczerski die PiS-Interessen in Brüssel durchsetzen. Jedoch verweist Śmiech darauf, dass die PiS sich eine andere EU vorstelle, als die Integratiosbefürworterin von der Leyen.

„In solch eine EU war Polen einst eingetreten und nicht in diejenige, die sich die PiS-Partei heute so vage vorstellt“, sagt Śmiech gegenüber Sputnik Polska. Ein weiterer Brennpunkt sei die Flüchtlingsfrage. Während von der Leyen behaupte, Europa solle Flüchtlinge aus Afrika und Asien aufnehmen, wolle Polen den Quoten nicht zustimmen, da es de facto bereits rund 1,5 Millionen Migranten aus der Ukraine aufgenommen habe.

Und die Verteidigungspolitik?

„Die Militarisierung der EU ist genau ein Feld, auf dem es zwischen der PiS und Brüssel keinen Konflikt gibt“, kommentiert Lauterbach weiter. Der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski habe schon vor zwei Jahren sogar angedeutet, dass er sich mit einer atomar bewaffneten EU-Streitmacht anfreunden könnte. Auf der anderen Seite sei die Transatlantikerin von der Leyen aus polnischer Sicht eine Garantin dafür, dass die EU im Schlepptau der Nato bleibe. „Das ist die Hauptaufgabe, die zu erreichen sich die PiS als europapolitisches Ziel gesetzt hat: ein Auseinanderdriften der EU und der Nato bzw. der USA zu verhindern“. 

Von der Leyen war seinerzeit diejenige, die sich für Nato-Truppen in östlichen Nato-Ländern eingesetzt hatte. Ihre Stärke-Rhetorik entspricht wohl auch der der baltischen Staaten: Auch Estlands Außenminister Sven Mikser sagte 2018 gegenüber der australischen Zeitung „The Sydney Morning Herald“, Russland könne man nur aus der Position der Stärke und der Macht etwas entgegensetzen. „Deutschland ist wieder in Reichweite russischer Raketen“, wirbt der Ex-Außen- und Verteidigungsminister Radoslaw Sikorski in den deutschen Medien. „Nach dem Brexit wird Deutschland als einziges EU-Land in einer Führungsrolle militärisch in Osteuropa präsent sein: Das ist ein Signal an die Verbündeten, dass sie auf Deutschland zählen können“, schreibt „Die Welt“. Von der Leyen war auch diejenige, die kürzlich dafür plädierte, „die USA und die EU sollten sich besser verbünden und gegen die gemeinsamen Gegner auftreten, anstatt sich gegenseitig zu bekämpfen.“ In einem Atemzug erklärt sie darauf einen harten Kurs gegenüber Russland. Mit den Worten von Ministerpräsident Morawieck: eine „geeignete Person“ für Brüssel.

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