Donnerstag, Mai 2, 2024
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»Preisfindung des Geldes«: Weiter Ausnahmezustand

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US-Notenbank bleibt der Null verpflichet. Sogar Negativzinsen im Gespräch. »Preisfindung des Geldes« nach wie vor weitgehend aufgehoben.

Die Zinsentscheidung der US-Notenbank Fed vom Donnerstag wirft Fragen auf. Eine zentrale lautet: Wie schlimm muss es um die Finanzwirtschaft stehen, wenn die mögliche Erhöhung des Leitzinses durch die Fed um 0,25 Prozent zu einem weltbewegenden Ereignis wird? Noch vor

acht Jahren hätte da niemand auch nur mit einer Wimper gezuckt. Am Donnerstag abend (MESZ) kreißte schließlich der Berg in Washington und gebar – nichts: Alles bleibt, wie es ist. Falls es nicht schlimmer wird.

 

 

Die Reaktion auf die Entscheidung in den USA war gemischt. Im Vorfeld schon hatte eine wachsende Zahl US-amerikanischer und internationaler Institutionen des Finanzestablishments mit zunehmender Lautstärke eine Fortführung der Nullzinspolitik gefordert, um »Panik und Unruhe« zu verhindern. Zu Wort meldeten sich der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank, aber auch die chinesische Regierung. Bekannte US-Experten wie Exfinanzminister Lawrence Summers und Nobelpreisträger Paul Krugman schlugen in dieselbe Kerbe, ebenso die Nummer eins unter den globalen Investmentbanken, Goldman Sachs. Deren Chef, Lloyd Blankfein, forderte die Beibehaltung des Status quo. Üblicherweise bekommt Goldman, was es von der Fed will (Goldman Sachs – Nato AG (Videos)).

Andererseits ist das Spektrum der Gegner der jahrelangen Nullzinspolitik breiter geworden. Meldeten sich in den ersten Jahren nach offenem Ausbruch der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 lediglich Vertreter der direkten Verlierern, nämlich die der Sparer und der Versicherungsgesellschaften, zu Wort, sind zwei weitere Gruppen hinzugekommen. Eine davon sorgt sich um die Glaubwürdigkeit der Fed (Federal Reserve Bank: 100 Jahre Lügen (Video)). Der Grund: Die von der Notenbank selbstgesetzten, quantitativen ökonomischen Ziele, die vorher einer Zinserhöhung im Wege standen, seien bereits seit über einem Jahr erreicht. Dennoch bleibe die Fed weiter untätig, argumentieren sie. Die andere, hauptsächlich aus Akademikern bestehende Gruppe, verweist auf die schweren ökonomischen Deformationen, die durch die Abwesenheit des Zinses als ökonomischer Richtwert entstanden seien.

Tatsächlich ist die »Preisfindung des Geldes«, also die Höhe der realen Zinsen (Zinsen minus Inflation), ein Kernstück der kapitalistischen Wirtschaft. Es durchdringt alle Bereiche von der Produktion und Lagerhaltung realer Güter über Dienstleistungen bis hin zu Emission und Handel mit Wertpapieren. Zinsen gelten als die Kosten des Kapitals. Sie sind zunächst das Resultat von Nachfrage und Angebot von Kapital auf nicht regulierten (vom Staat) bzw. (von mächtigen Interessengruppen) manipulierten Finanzmärkten. Zugleich gilt: Je höher das Investitionsrisiko, desto höher sind die Zinsen für den Kreditnehmer. Der Zins ist somit Dreh- und Angelpunkt für rationale Entscheidungen, ein Signal für oder gegen Investition, für Kaufen oder Verkaufen.

Auch lenkt der Zins in der Privatwirtschaft die Investitionen in die produktivsten und profitabelsten Branchen. Nach einhelliger Lehrmeinung aller dem »Markt« verpflichteten Ökonomen zeitigt daher eine langanhaltende Nullzinspolitik fatale Folgen. Durch das Fehlen des Steuermechanismus Zins, erhöht sich die Gefahr, dass das in einer Gesellschaft vorhandene Kapital fehlgeleitet (»Fehlallokation«), also fehlinvestiert wird. Nullzinsen sind höchstens als sehr kurzfristige Maßnahme zur Konjunkturbelebung sinnvoll.

Derzeit dümpeln die Volkswirtschaften der westlichen Welt seit fast sieben Jahren in einem zinslosen Nirwana. Denn auch die Europäische Zentralbank (EZB) und andere Notenbanken haben sich dem Fed-Kurs angeschlossen. Klar ist, dass es sich bei den seit 2008 sichtbaren globalen Verwerfungen nicht um einen Abschwung im »normalen Konjunkturzyklus« handelt, sondern um eine systemische Strukturkrise. Dennoch halten die Notenbanken starr an ihrer wirkungslosen Geldpolitik fest.

Auf dem US-Finanzportal Zero Hedge nennen Kritiker dies »Planwirtschaft zur Rettung der Großbanken«. In der realen Wirtschaft ist das Zentralbankgeschenk jedenfalls selten angekommen. Die Finanzkonzerne haben umso mehr davon profitiert, nicht zuletzt, weil das Prinzip »hohes Risiko, hohe Zinsen« aufgehoben ist. Spekulation ist sehr günstig geworden, günstiger noch, als vor Krisenausbruch.

Die Furcht der »Finanzinvestoren«, eine Leitzinserhöhung der Fed könnte die aktuelle Spekulationsblase zum Platzen bringen, ist greifbar. Fed-Chefin Janet beruhigte sie nicht nur, sondern schloss erstmalig das Gegenteil nicht länger aus. »Negativzinsen haben wir heute nicht sehr ernsthaft in Betracht gezogen. (…) Aber wenn sich die Aussichten ändern sollten, (…) und eine schwächelnde Wirtschaft zusätzlicher Impulse bedürfte, würden wir alle verfügbaren Werkzeuge einsetzen und in diesem Kontext hätten wir das dann zu bewerten.«

Kurz: Die Fed redet öffentlich über Negativzinsen. Das sagt viel über den »Wirtschaftsaufschwung« in den USA.

Literatur:

Federal Reserve: 100 Jahre Lügen von Michael Grandt

Der stille Putsch: Wie eine geheime Elite aus Wirtschaft und Politik sich Europa und unser Land unter den Nagel reißt von Jürgen Roth

Der Crash ist die Lösung: Warum der finale Kollaps kommt und wie Sie Ihr Vermögen retten von Matthias Weik und Marc Friedrich

Goldman Sachs – Eine Bank lenkt die Welt

Quellen: PublicDomain/jungewelt.de vom 19.09.2015

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