Mittwoch, Mai 1, 2024
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Russlands Botschafter in Wien: Beziehungen von Turbulenzen nicht getroffen

Russlands Botschafter in Wien Dmitrij Ljubinskij hat im Interview mit Sputnik erklärt, dass Österreich nach wie vor bestrebt sei, den Dialog und die gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit mit Russland zu fördern. Allerdings gebe es von der EU diktierte Grenzen des Möglichen.

Österreich ziert seit Monaten die Titelseiten von Zeitungen – wegen dem skandalösen Ibiza-Video, das die politische Karriere von Heinz-Christian Strache zerstört hat, gefolgt von Regierungskrise, Misstrauensvotum gegen Kanzler Kurz, Übergangsregierung und im Endeffekt den Neuwahlen. Wie kann dies die russisch-österreichischen Beziehungen beeinflussen? Was dürfen wir von den Neuwahlen im Herbst erwarten?

Die Beziehungen zwischen Russland und Österreich entwickeln sich stetig und konstruktiv. Sie basieren auf gegenseitigem Respekt, berücksichtigen die gemeinsamen Interessen und sind Ergebnis orientiert, auf Pragmatismus. Konjunkturschwankungen spielen dabei kaum eine Rolle.

Wir respektieren die Wahl der Österreicher, und ich bin davon überzeugt, dass die bilateralen Beziehungen auch nach den Neuwahlen eine positive Dynamik beibehalten werden.

Am 15. Mai hat die erste Sitzung des öffentlichen Forums „Sotschi-Dialog“ stattgefunden, an dem Russlands Präsident Wladimir Putin und sein österreichischer Amtskollege, Alexander van Der Bellen, teilgenommen haben. Wie schätzen Sie diese Initiative ein und welche Perspektiven sehen Sie?

Der Sotschi-Dialog ist eine wichtige Plattform für die Entwicklung der russisch-österreichischen Beziehungen, vor allem durch Zusammenarbeit der Zivilgesellschaften. Ich bin sicher, dass dieses Forum gute Aussichten hat. Es eröffnet zusätzliche Möglichkeiten für eine direkte, informelle Kommunikation zwischen Vertretern von Kultur, Bildung, Wissenschaft und anderen Bereichen, die wichtig für unsere Beziehungen sind. Die wirtschaftlichen Kreise zeigen auch ein großes Interesse daran, und unterstützen es.

Anfang Juni fand im Rahmen des Internationalen Wirtschaftsforums in Sankt Petersburgunter der Schirmherrschaft des „Sotschi-Dialogs“ die erste Session „Economics of Culture“ statt. Da wurde übrigens ein neues unkonventionelles Format: „Trialog der Dialoge: Petersburg (Russland-Deutschland), Sotschi (Russland-Österreich), Trianon (Russland-Frankreich)“ geboren. Die Diskussion bestätigte die Relevanz solcher Dialogbrücken zwischen Russland und den führenden europäischen Staaten.

Wintershall-Chef Mario Meren und OMV-Generaldirektor Rainer Seele waren beim Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg dabei. Die Diskussion über das Projekt Nord Stream 2 war vorhersehbar auf der Tagesordnung. Im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern, hat Österreich dieses Projekt immer auf höchstem Niveau unterstützt. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für diese Unterstützung? Dürfen wir diese Unterstützung auch von der Übergangsregierung erwarten?

Wie ich bereits sagte, bleiben unsere Beziehungen unabhängig von allen Turbulenzen stabil. Dies gilt auch für große kommerzielle Projekte wie Nord Stream 2. Die österreichischen Partner verstehen ganz klar, dass diese Initiative eine strategische Bedeutung hat und für die beiden Seiten vorteilhaft ist. Die Energiepartnerschaft zwischen Russland und Österreich besteht seit mehr als einem halben Jahrhundert, und wir dürfen weiter in dieser Frage mit vollständiger Kontinuität rechnen.

Österreich war das erste Land, mit dem Russland vor 50 Jahren Gaslieferverträge abschloss. Heute ist der Energiekonzern OMV einer der wichtigsten Partner bei der Umsetzung von Nord Stream 2. Was ist der Schlüssel zum Erfolg einer so ergebnisreichen Partnerschaft? Sind in diesem Bereich weitere Schritte geplant?

Unsere Zusammenarbeit im Energiesektor erweitert sich sowohl zahlmäßig als auch konzeptuell, was sich auch in den Zahlen widerspiegelt. Letztes Jahr lieferte Russland den österreichischen Verbrauchern mehr als 12 Milliarden Kubikmeter Gas, was ein Rekord ist. Nach neuesten Daten erreichte der Import von russischem Gas in Österreich vom 1. Januar bis zum 6. Juni 2019 bereits 6,6 Milliarden Kubikmeter und damit um 27 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum im Jahr 2018.

Gazprom und OMV betrachten die Perspektiven einer weiteren Vertiefung der Kooperation, auch im Bereich der Gasförderung. Also ist der Trend offensichtlich – die Zusammenarbeit zwischen Russland und Österreich im Energiesektor entwickelt sich aktiv. Entscheidend ist dabei das bewährte Vertrauen: zueinander und insbesondere zu Russland als zuverlässiger Lieferant und Partner. Der größte Gasverteiler im österreichischen Baumgarten, wohin seit vielen Jahren und Jahrzehnten stabil russisches Gas geliefert wird, feiert im September sein 60-jähriges Jubiläum. Wir bereiten uns aktiv darauf vor.

Österreich hat sich mehrmals bereit erklärt, als Brücke zwischen Russland und Europa zu fungieren. Wie schätzen Sie derzeit den Russland-EU-Dialog ein? Welche Rolle spielt Österreich dabei?

Die Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union sind kaum zufriedenstellend, aber das ist nicht unsere Wahl. Nicht wir haben uns entschlossen, die Kontakte einzufrieren sowie gegenseitig nachteilige Sanktionen einzuführen und zu erweitern. Alle unsere Schritte sind eine durchaus vorhersehbare Reaktion auf unfreundliche Schritte der EU.

Wir kennen und bewerten die österreichische Haltung sowie den Wunsch sehr positiv, den bilateralen Dialog und die gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit zu fördern. Wir sehen aber auch deutlich die Grenzen des Möglichen, die von einer destruktiven Minderheit in der EU diktiert werden.

Die österreichische Wirtschaft und einzelne Vertreter der österreichischen Regierung kritisieren die EU-Sanktionen gegen Russland. Welchen Beitrag kann Österreich zur Normalisierung der Beziehungen und Lockerung von Sanktionen leisten?

Diese Frage stimmt im Großen und Ganzen mit den vorherigen überein. Österreich ist ein wichtiger Wirtschaftspartner Russlands in Europa. Im Jahr 2018 stieg der bilaterale Handel um mehr als 40 Prozent auf fast sechs Milliarden US-Dollar und die russischen Exporte auf 3,4 Milliarden US-Dollar. Von Januar bis Mai dieses Jahres stieg der gegenseitige Handel um 76 Prozent. Die Zahlen sprechen für sich selbst.

Sind Russland-Reisen österreichischer Behörden und Geschäftsleute sowie Gegenbesuche geplant?

Angesichts der Situation, in der die Regierung von Bundeskanzlerin Brigitte Bierleinarbeiten muss, ist bis nach den nächsten Wahlen im September kaum mit besonderer Aktivität bei zwischenstaatlichen Kontakten auf Ministerebene zu rechnen.

Das erste Halbjahr war aber an verschiedenen Treffen reich und wurde mit dem bilateralen Gipfel in Sotschi gekrönt. Anfang Juni leitete die neue Ministerin für Digitalisierung und Wirtschaft in der Übergangsregierung, Elizabeth Udolf-Strobl, die österreichische Delegation beim Internationalen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg.

Also steht die Agenda fest, die Prioritäten wurden gesetzt und die Kontakte gehen weiter. Es wird bestimmt keine künstlichen Einschränkungen für Unternehmer geben. So erwarten wir, zum Beispiel, dass Anfang Juli eine österreichische Delegation an der internationalen Industriemesse INNOPROM in Jekaterinburg mit eigener Präsentation teilnimmt. Im Oktober findet die Konferenz der Regionen und Städte Europas und ein bilateraler runder Tisch in Salzburg statt, wo auch die russischen Vertreter eingeladen sind. In Salzburg ist auch die nächste Sitzung des Sotschi-Dialogs 2020 geplant. Es gibt viele Projekte, die gemeinsame Arbeit schreitet voran.

Russland und Österreich setzen viele kulturelle Initiativen durch: „Kreuzjahr der Kulturen“, Ausstellungen in Russland und Österreich. Wie wirken sich solche Initiativen auf die Beziehungen zwischen den Ländern aus?

Das Jahr des Jugendaustauschs Russland-Österreich 2019 ist das dritte Kreuzjahr in Folge. In Übereinstimmung mit den Vereinbarungen der russischen und österreichischen Präsidenten bereiten wir das nächste Jahr der Literatur und des Theaters vor. Und wir haben bereits weitere interessante Ideen.

Christoph Leitl, Präsident der Europäischen Wirtschaftskammer und Co-Vorsitzender des Sotschi-Dialogs, hat einmal angemerkt, dass der Dialog zwischen der Zivilgesellschaft die Grundlage für eine starke Partnerschaft zwischen den Ländern darstellt. Österreicher und Russen seien Seelenverwandte, so Leitl. Teilen Sie diese Meinung?

Absolut, es lässt sich nicht bestreiten. Die Beziehungen zwischen Russland und Österreich entwickelten sich in alle Richtungen über viele Jahrzehnte hinweg – politisch, wirtschaftlich und kulturell. Der wachsende Touristenstrom in beide Richtungen (es ist kein Geheimnis, dass Österreich zu den beliebtesten Ländern der Russen zählt) und die sogenannte „öffentliche Diplomatie“ tragen zweifellos dazu bei, die Beziehungen, einschließlich auf der Seelenebene, zu stärken.

Derzeit arbeiten wir intensiv mit den Partnern an der Entwicklung des Jugendaustausches und schaffen dadurch eine Basis für die zukünftige Entwicklung unserer Beziehungen.

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