Montag, April 29, 2024
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Spannungen im Kosovo: Jemand stellt Moskau eine Falle

Die Lage ist durchaus ernst: Aleksandar Vucic, der serbische Präsident, hat Truppen in höchste Gefechtsbereitschaft versetzt und Spezialkräfte des Verteidigungs- und Innenministeriums in Südserbien alarmiert. Auslöser dafür sind abermalige Spannungen im Kosovo – offenbar ein Versuch, Moskau in einen weiteren Konflikt hineinzuziehen.

60 kosovarische Sicherheitskräfte waren am frühen Samstagmorgen, mit Maschinenpistolen bewaffnet, in serbische Siedlungen im Norden Kosovos hineingefahren, die sie gemäß den Brüsseler Vereinbarungen gar nicht betreten dürfen.

In einer Blitzaktion überquerten die 60 Mann die Ortschaft Zubin Potok, die größte serbische Gemeinde nördlich von Mitrovica, und hielten am Ufer des Stausees Gazivoda, nahe dem gleichnamigen Wasserkraftwerk, an. Das Kraftwerk liefert Strom für ganz Südserbien und einen Großteil der kosovarischen Teilrepublik.

Dort besetzten die Kosovaren das Gebäude der lokalen Umweltschutz- und Tourismusbehörde, entwaffneten vier Wachmänner und setzten ein Schnellboot auf dem Stausee ab. Die ganze Aktion diente dazu, eine Ausfahrt des kosovarischen Präsidenten Hashim Thaci auf dem Gazivodasee abzusichern.Circa 15 Minuten lang fuhr der Politiker in Begleitung des kosovarischen Finanzministers und Polizeichefs mit einem Schnellboot vor dem Staudamm herum. Danach sprach er vor Journalisten über den Wunsch der Kosovaren, in die wohlhabende EU aufgenommen zu werden.

Rund 14 Stunden hielten sich die kosovarischen Spezialkräfte in Nordkosovo auf. Niemand ist zu Schaden gekommen. Währenddessen versperrte jedoch die serbische Bevölkerung von Zubin Potok die strategisch wichtige Landstraße, die zum Stausee führt.

In einer Fernsehansprache wandte sich Präsident Vucic an seine Landsleute mit der Bitte, den Frieden zu wahren und die Straße zu räumen. Dem Appell folgte offensichtlich niemand, die Straßenbarrikaden versperrten noch Stunden später einer KFOR-Einheit den Weg zum Gazivoda.

Daraufhin schickte die Nato einen Hubschrauber mit italienischen Einsatzkräften zum Krisenort. Sie umkreisten den Stausee, filmten das Geschehen und stellten das Video wenig später bei Facebook online. Damit war dieser „friedenssichernde Einsatz“ der KFOR beendet.

Eigentlich ist bei der Aktion der Kosovoalbaner nichts passiert, könnte man meinen: Nur eine harmlose Bootstour des kosovarischen Präsidenten an einem Wochenendtag. Dass dieser Ausflug aber bei den Serben eine gereizte Reaktion hervorrufen würde, hätte Hashim Thaci wissen können.

So ist es auch gekommen: Die serbische Führung steht kurz davor, eine Teilmobilmachung auszurufen, um Truppen in die serbischen Siedlungen im Nordkosovo zu entsenden. Unterdessen beginnt in Serbien am Montag, dem 1. Oktober ein serbisch-russisches Militärmanöver – russische Kampfjets und Hubschrauber sind bereits vor Ort.

Sollte Thaci eine weitere Tour mit seinen Freunden auf dem strategisch wichtigen Stausee unternehmen, wäre es nicht auszuschließen, dass die russischen Flugzeuge nach dem Manöver Serbien gar nicht erst verlassen. Es gibt jedenfalls allen Grund anzunehmen, dass die Kosovaren genau das zu erzwingen versuchen.

Dann könnte Russland nämlich ohne Weiteres einer Aggression auf dem Balkan beschuldigt und der Präsident Vucic diskreditiert werden. Das serbische Staatsoberhaupt hat bereits erklärt: „Ich würde mir wünschen, dass Serbien ein Land von Frieden und wirtschaftlichem Wohlstand ist. Ich werde Präsident Putin um Unterstützung auf allen internationalen Foren bitten.“Denn in Belgrad gilt der Leitsatz, dass Russland Serbien jederzeit beistehen werde, fast schon als Staatsstrategie – auch dann, wenn Serbien mit der EU hinter verschlossenen Türen über einen möglichen Beitritt verhandelt. Auch hält der serbische Präsident Vucic es für so etwas wie eine Heldentat, dass er sich geweigert hatte, Sanktionen gegen Russland zu verhängen.

Wenn aber Belgrad sich Moskaus Unterstützung über die gegenwertige militärisch-technische Zusammenarbeit hinaus sichern möchte, dann braucht es mehr als nur das. Die berühmte serbische Devise „Zusammen mit den Russen sind wir 200 Millionen“ ist zwar gefällig, muss jedoch untermauert werden.

Russische Diplomaten bestärken Belgrads „ausgewogene Position“ immer wieder und betonen, die EU-Wahl des serbischen Volkes sei eine souveräne Entscheidung.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte mehrmals: Moskau sei dagegen, Grenzlinien nach dem Grundsatz „Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns“ auf dem Balkan zu ziehen. Es sei eher die EU und die Nato, die die Völker auf dem Balkan zu einer eindeutig prowestlichen Entscheidung zu drängen versuchen.

Aber es gibt ja noch einen Spieler auf diesem Feld: Die Kosovoalbaner sind sehr erfolgreich darin, die Stimmung nicht nur der Serben, sondern auch der Europäer und der Amerikaner zu beeinflussen.

Auf den Plan zum Gebietstausch hat Pristina bereits verzichtet, aber… Während Thaci mit dem Boot auf dem Stausee unterwegs war, demonstrierten in der Hauptstadt mehrere Tausend Anhänger des radikalen Aktivisten Albin Kurti gegen den kosovarischen Präsidenten. Deren Vorwurf: Allein, dass ein Vorhaben wie der Gebietstausch im Gespräch sei, sei schon ein Verrat. Die Radikalen wollen mehr.

Die russische Führung hält Gespräche über eine Unterstützung Serbiens indes für verfrüht. „Zuerst müssen die Verhandlungen stattfinden“, sagte der Sprecher des russischen Präsidenten Dmitri Peskow. Laut Medienberichten treffen sich der russische und der serbische Präsident am Dienstag, den 2. Oktober in Moskau.Trotz aller äußeren Herzlichkeit sind die Gespräche zwischen Putin und Vucic ohnehin selten einfach, doch diesmal dürften die Verhandlungen so schwierig werden wie noch nie in der Regierungszeit der beiden Staatschefs.  Offenbar wird der Oktober zum entscheidenden Monat in der Kosovo-Sache.

Quelle!:

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