Freitag, Mai 3, 2024
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UN-Migrationspakt: Österreich-Ungarn gibt die Richtung für ehemalige Kronländer vor

Das Nein von Österreich und Ungarn zum UN-Migrationspakt könnte europaweit einen Dominoeffekt auslösen. Nach Tschechien und Polen kündigten nun auch Slowenien und Kroatien an, das Abkommen nicht unterschreiben zu wollen.

Genau 100 Jahre nach dem Ende der Donaumonarchie finden die ehemaligen Länder wieder zusammen, da sie sich nicht mehr von Deutschland ihre Einwanderungspolitik diktieren lassen wollen. Merkel ist entsetzt, denn auch innerhalb der CDU regt sich Widerstand.

Die Zielsetzung des Migrationspaktes ist es, „die verstärkte Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Migration in allen ihren Dimensionen zu regeln“, wie mehrmals im 32-seitigen Abkommen zu lesen ist. Bisher gibt es keine weltumspannende Strategie für den Umgang mit Migrationsströmen.  Im UN-Migrationspakt wird Migration grundsätzlich als etwas Gutes angesehen, denn Migration ist „eine Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung“. Außerdem soll den Flüchtlingen  ein „besserer Zugang zum Gesundheitssystem“ sowie zu „Grundleistungen“ zugesichert werden.  Sammelabschiebungen, wie sie derzeit von Frontex durchgeführt werden, sollen verboten werden, und alle vier Jahre wird eine internationale Kommission überprüfen, ob sich die unterzeichnenden Staaten an die Vorgaben halten.Oft wird darauf hingewiesen, dass der UN-Migrationspakt rechtlich nicht bindend sei, doch laut dem Völkerrechtsexperten Michael Geistlinger ist es nicht auszuschließen, dass „sich aus dem Pakt mittelfristig völkerrechtliches Gewohnheitsrecht entwickelt“. Spätestens nach der Kontrolle durch die internationale Kommission würde wohl Kritik auf UNO-Ebene laut werden, wenn sich ein Staat nicht an diese Vorgaben hält. Nach Ungarn hat sich nun auch die österreichische Bundesregierung dazu entschieden, den Migrationspakt nicht zu unterzeichnen, denn vereinfachte Bedingungen für Einwanderungswillige sind im Regierungsprogramm nicht vorgesehen. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz erklärte: „Es gibt einige Punkte, die wir kritisch sehen und wo wir auch eine Gefahr für unsere nationale Souveränität befürchten.“ Die Hauptkritik der österreichischen Bundesregierung richtet sich gegen die verschwommenen Formulierungen im Papier, wo zwischen legaler und illegaler Migration nicht mehr unterschieden wird:  „Es kann nicht sein, dass jemand aufgrund von Klima oder Armut ein Migrationsrecht erhält. Da hätten wir eine Entwicklung in dieser Welt, die man sich realpolitisch gar nicht vorstellen kann.“

Die Argumentation von Österreich hat nun auch andere Länder wie Polen, Tschechien, Slowenien und Kroatien zu einem Umdenken bewogen. Neben einer jahrhundertelangen gemeinsamen Geschichte unter der Vorreiterrolle Österreichs und Ungarns eint diese Völker vor allem der Wunsch, dass ihre Position in der EU stärker gehört wird. Im Jahr 2015 litten diese Länder besonders unter den durch ihre Territorien ziehenden Flüchtlingshorden, und nun sind sie nicht mehr bereit, alles mitzumachen, was von Merkels CDU diktiert wird. „Seien Sie sicher, dass ich das Abkommen von Marrakesch nicht unterzeichnen werde“, erklärte die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic. Auch die größte Parlamentspartei Sloweniens SDS fordert „eine bedingungslose Ablehnung des Migrationspaktes, da sich hinter dieser höchst irreführenden Bezeichnung die Zerstörung der europäischen Zivilisation und der slowenischen Identität verbirgt“.

Österreich kommt in der Diskussion um den UNO-Migrationspakt eine Schlüsselrolle zu, denn nachdem die Regierung 2015 den treuen Wegbegleiter von Merkels „Wir schaffen das – Politik“ gespielt hatte, tritt die neue Regierung geschlossen gegen die ausufernde Migration auf und vereint mit seiner Position die ehemaligen Kronländer der Habsburger-Monarchie unter einem Schirm. Aus dem Kreise der osteuropäischen Länder haben es bisher nur Ungarn und Polen geschafft, eine starke Position in der EU einzunehmen. Tschechien, Slowenien und Kroatien suchen seit dem EU-Beitritt vergebens nach ihrer Position in der EU und fühlen sich zu schwach oder zu klein, um ihre Interessen zu vertreten. Es darf nicht vergessen werden, dass diese Länder zu keinem Zeitpunkt der Geschichte eine eigene Souveränität entwickeln konnten. Dem Zusammenbruch der Habsburger-Monarchie folgten die Zeiten des Kommunismus, Krieg in den 90ern, ehe man in den 2000ern der EU beitrat. Der erhoffte Aufschwung blieb aber größtenteils aus, und mehr und mehr versteht man, dass die EU vor allem im Interesse der großen Länder und Konzerne handelt.  Oft gehen die Blicke der Bevölkerung auf die grandiosen Bauten der Donaumonarchie und weiter nach Österreich, das es trotz der geringen Einwohnerzahl geschafft hat, seinen Platz auf der europäischen Ebene zu finden. Internationale österreichische Konzerne sind vor allem im Banken- und Versicherungssektor sehr erfolgreich und auch mit Russland macht man trotz der Sanktionen gute Geschäfte.

Nachdem ein mitteleuropäisches Land wie Österreich aufgestanden ist, um aktiv Position gegen den Migrationspakt zu beziehen, trauen es sich kleinere Länder, die noch nicht so lange in der EU sind, mitzuziehen. Aus der EU hagelt es dafür natürlich Kritik: „Ich bedauere das sehr, und es ist ein Unding, dass die EU in dieser substanziellen Zukunftsfrage nicht mit einer Stimme reden kann“, kommentierte der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Entscheidung Österreichs. Gleichzeitig fügte Juncker an: „Aber wir werden uns mit den österreichischen Freunden in den nächsten Wochen noch unterhalten.“ Es bleibt zu hoffen, dass sich Österreich keinen Umfaller leisten wird, denn auch das könnte einen Domino-Effekt auslösen und damit die kleineren osteuropäischen Länder dazu bewegen, ihre Positionen zu überdenken. Auch innerhalb der CDU könnte es nach dem angekündigten Rücktritt Merkels zu einem Umdenken in der Migrationspolitik kommen. Der Bundesgesundheitsminister  Jens Spahn (CDU), der sich für die Nachfolge von Merkel bewirbt, erklärte jüngst: „Die Debatte über den Migrationspakt steht in der Bundestagsfraktion noch aus. Wichtig ist, dass Deutschland seine Souveränität behält, Migration zu steuern und zu begrenzen.“

Die österreichische Regierung handelt wie die Regierungen der osteuropäischen Staaten gemäß des Wählerwillens, denn bei allen Wahlen in jüngster Vergangenheit haben jene Parteien zugelegt, die aktiv für eine strengere Asylpolitik eintreten. Zu lange gab es auf europäischer Ebene keinen Gegenspieler zu Merkels „Wir schaffen das-Politik“, doch genau das macht Demokratie aus. Österreich ist aufgrund seiner Geschichte und Neutralität für diese Rolle prädestiniert und sollte kleinere Staaten ermutigen, sich dieser Position anzuschließen. Der UN-Migrationspakt könnte nach einigen Jahren zum völkerrechtlichen Gewohnheitsrecht und damit verbindlich werden. Danach hätten Staaten noch kaum eine Handhabe, gegen illegale Migration vorzugehen, denn neben der Genfer Flüchtlingskonvention könnten sich Anwälte dann auch auf den UN-Migrationspakt stützen. Grundsätzlich ist ein weltweites Migrationsabkommen wünschenswert, aber nur, wenn sich alle Herkunftsländer dazu bereit erklären, illegale Flüchtlinge bedingungslos zurückzunehmen. Nur so könnte garantiert werden, dass es weltweit einheitliche Rechte für Flüchtlinge gibt, aber auch, dass die betroffenen Staaten illegale Flüchtlinge ohne Probleme abschieben können.

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