Donnerstag, April 25, 2024
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Verfassungsschutzbericht 2019: „Rechtsextremismus ist die größte Bedrohung für Demokratie“

Innenminister Horst Seehofer und Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang haben den Verfassungsschutzbericht 2019 vorgestellt. Die größte Bedrohung stelle der Rechtsextremismus dar, so die übereinstimmende Erkenntnis. Die Gewaltbereitschaft sei aber in nahezu allen extremistischen Bereichen gestiegen. Auch Sputnik wird in dem Bericht erwähnt.

Die Zahl der rechts- und linksextremistischen Straftaten in Deutschland sei im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Der Verfassungsschutz zählte 2019 mehr als 22.300 Taten mit rechtsextremistischem Hintergrund. Die Zahl der Delikte sei damit um rund acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Das Personenpotential im Rechtsextremismus hat um 33 Prozent zugenommen und liegt bei 32.080 Personen – 13.000 davon seien gewaltorientiert. Unter den 32.000 seien 7.000 Anhänger des „Flügels“. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) geht davon aus, dass dem Zusammenschluss mindestens 20 Prozent der AfD-Mitglieder zuzurechnen seien.

Das durch den „Flügel“ propagierte Politikkonzept sei auf „Ausgrenzung, Verächtlichmachung und letztlich weitgehende Rechtlosstellung von Migranten, Muslimen und politisch Andersdenkenden“ gerichtet. Die Haltung des „Flügels“ zum Dritten Reich sei von einem geschichtsrevisionistischen, die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen relativierenden beziehungsweise ausblendenden Ansatz geprägt.

„Ziel dabei ist es, mittels einer ‚erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad‘ ein unbelastetes und vermeintlich identitätsstiftendes Geschichtsbild zu vermitteln. Damit leistet ‚Der Flügel‘ dem sekundären Antisemitismus Vorschub, denn dessen geschichtsrevisionistischen Positionen implizieren den Vorwurf, dass die Erinnerung an den vom NS-Regime verübten Genozid an der jüdischen Bevölkerung deutschen Interessen schadet.“

Offiziell hat sich der „Flügel“ in diesem Jahr aufgelöst.

Besorgt zeigt sich Bundesinnenminister Horst Seehofer über rechtsmotivierte Anschläge. Zwar sei die Zahl der Gewalttaten insgesamt im Bereich der „Politisch motivierten Kriminalität (PMK) – rechts“ im Berichtsjahr gesunken. „Allerdings wies das Jahr 2019 mit dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke und dem Anschlagsgeschehen in Halle (Saale) erschreckende rechtsextremistische Tötungsdelikte auf“, sagte Seehofer am Donnerstag bei der Vorstellung des Berichts.

Linksextremismus

Mehr als 6.400 Taten wurden von Linksextremen registriert, was einem Plus von rund 40 Prozent entspricht. Die Zahl der Gewalttaten sei aber zugleich um rund neun Prozent auf 921 gesunken. Hier sei – neben zahlreichen Sachbeschädigungen und Brandstiftungen – insbesondere in der direkten Auseinandersetzung mit Polizeibediensteten und politischen Kontrahenten festzustellen, dass die Hemmschwelle der Gewalttäter kontinuierlich sinke. Eine Vielzahl verletzter Personen und ein geschätzter Sachschaden in dreistelliger Millionenhöhe seien die Folgen, heißt es im Bericht. 

„Der Rechtsextremismus ist die größte Bedrohung für unsere Demokratie. Daneben dürfen wir die gesteigerte, enthemmte Gewalt im Linksextremismus und die hohe Bedrohungslage durch den islamistischen Terrorismus nicht aus dem Blick verlieren,“ sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz,Thomas Haldenwang, am Donnerstag in Berlin.

​Islamismus

Beim Thema Islamismus konnten die Staatsschützer keine Entwarnung geben. Nach wie vor werde Deutschland von jihadistischen Organisationen als Feind wahrgenommen und stehe unverändert in deren Zielspektrum, erklärte der Innenminister. Dem Bericht zufolge sind etwa 650 islamistische Gefährder in Deutschland bekannt. „Die erneute Verhinderung von islamistisch motivierten Anschlägen im vergangenen Jahr ist hierfür ein eindrücklicher Beleg“. Welche vereitelten Anschläge er meinte, wurde nicht deutlich. Medienberichten zufolge hat es im November 2019 zwei Festnahmen gegeben. Dabei wurde einem 24-jährigen Deutschen die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat vorgeworfen.

„Desinformation durch fremde Mächte“

Im Bereich „Spionage, Cyberangriffe und sonstige sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Aktivitäten für eine fremde Macht“ stehen, wie bereits in den Jahren zuvor, Russland und China im Fokus.

„Bestimmte ausländische Staaten setzen alle zur Verfügung stehenden Mittel und Wege des verdeckten Agierens ein, um mittels Spionage und Einflussnahme ihre Interessen zum Nachteil unseres Landes zu verfolgen. Dies gilt sowohl für die geheime und illegale Informationsbeschaffung als auch für die gerade in Krisenzeiten verstärkt initiierten Desinformationskampagnen, die auf die Destabilisierung unserer freiheitlichen Gesellschaft ausgerichtet sind“, sagte Seehofer.

Haldenwang betonte dabei die Rolle von Sputnik und RT. Die beiden russischen staatlichen Kanäle machten Werbung für die sogenannten Hygienedemos und hätten diese im Nachgang übertrieben dargestellt, lautete sein Vorwurf. Warum die beiden Sender im Verfassungsschutzbericht des Jahres 2019 auftauchen, erklärte er damit jedoch nicht.

Im Bericht selbst heißt es dazu: „Im Vergleich zu den letzten Jahren ist in Bezug auf Deutschland eine gewisse Mäßigung zu verzeichnen. Zwar verfolgen die russischen Akteure weiterhin das Ziel, in Deutschland den Willen zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftssanktionen zu schwächen. Dies erfolgt aber in weniger aggressiver Form als in der Vergangenheit.“

Der jährliche Verfassungsschutzbericht des Bundes dient der Unterrichtung und Aufklärung über verfassungsfeindliche Bestrebungen in Deutschland. Er beruht auf den Erkenntnissen, die das BfV im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags zusammen mit den Landesbehörden für Verfassungsschutz gewonnen hat. Er kann keinen erschöpfenden Überblick geben, sondern unterrichtet über die wesentlichen Erkenntnisse, analysiert und bewertet maßgebliche Entwicklungen und Zusammenhänge. Seehofer bezeichnete den Verfassungsschutz als das „Immunsystem unserer freiheitlichen Gesellschaft“. „Das hat auch das Jahr 2019 wieder gezeigt: Wir müssen weiterhin wachsam und wehrhaft sein“, mahnte der CSU-Politiker.

Quelle!:

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