Sonntag, April 28, 2024
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Völkermord: Der deutsche Bundestag hat entschieden

Foto: Recep Tayyip Erdogan / dpa

Also doch – es war Völkermord. Lange Zeit mussten wir zweifeln, ob ca. 1 Million tote Armenier einen hinreichenden Beweis für einen Genozid liefern. Genaue Zahlen scheint es nicht zu geben. Die Angaben schwanken zwischen 800.000 und 1,5 Millionen. Im Wesentlichen geht es um den Zeitraum 1915-1916. Am 24. April wird in Armenien der Genozid-Gedenktag begangen. Da begann die Deportation der armenischen Elite aus dem damaligen

Konstantinopel.

Zum 100. Gedenktag hat sich nun auch der deutsche Bundestag dazu durchgerungen, von Völkermord zu sprechen. Hat etwa das Interesse an unserem türkischen

Verbündeten nachgelassen? Oder ist die wirtschaftliche Abhängigkeit der Türkei so groß, dass man sich in Europa und speziell in Deutschland endlich herausnehmen kann, sie zu kritisieren?Damals, vor 100 Jahren waren Deutschland und die Türkei ebenfalls Verbündete. Im 1. Weltkrieg gegen den gemeinsamen Feind Russland. Als das damalige jungtürkische „Komitee für Einheit und Fortschritt“ beschloss einen türkischen Staat zu errichten, war man der Ansicht, dass türkisch nur „rein türkisch“ bedeuten kann. Die christlichen Armenier passten da nicht ins Bild. In der Folge wurden sie deportiert und umgebracht. Als Rechtfertigung führte man kriegsnotwendige Maßnahmen an.

Im Juni 1915 berichtete der Generalkonsul in Konstantinopel, Johann Heinrich Mordtmann  an die deutsche Regierung: „Das lässt sich nicht mehr durch militärische Rücksichten rechtfertigen; es handelt sich vielmehr, wie mir Talât Bej (Großwesir des neuen türkischen Reiches) vor einigen Wochen sagte, darum die Armenier zu vernichten (Aktennotiz des Auswärtigen Amtes 1915-06-17-DE-003).“ Bewirkt hat sein Bericht allerdings nichts. Die deutsche Regierung sah tatenlos zu, wie sein Verbündeter langsam aber sicher das armenische Volk ausrottete. Das ist Staatsraison.

Warum also ist heute unser Bundespräsident, unterstützt von der Bundesregierung bereit, von einem Völkermord zu sprechen. Ist es wieder Staatsraison? Lenkt es vielleicht ab von der EU-Griechenlandkrise? Oder hat man damit einen willkommenen Grund, die Türkei weiterhin vor den Toren der EU warten zu lassen? Schwer zu glauben, dass es moralische Gründe gewesen sein könnten. Hat etwa Papst Franziskus das Gewissen der deutschen Politik geweckt? Wenn man Herrn Gauck glauben darf, geht es „vor allem darum, die planvolle Vernichtung eines Volkes in ihrer ganzen schrecklichen Wirklichkeit zu erkennen, zu beklagen und zu betrauern.“ (Die ganze Rede des Bundespräsidenten hier.)

Bald wird auch diese Rede nur ein kleiner Tagesordnungspunkt im politischen Gerangel sein. Vielleicht hilft sie dem armenischen Volk, die schreckliche Vergangenheit besser zu verarbeiten. Vielleicht übt sie auch ausreichend politischen Druck auf die Türkei aus, den Genozid nicht weiter zu verleugnen. Genozid heißt Völkermord. Ein Volk besteht immer aus Menschen wie du und ich. Aus Vätern, Müttern, Söhnen, Töchtern, Geschwistern und Freunden. Getötet im politischen Kalkül. Da ist schon ein Toter zu viel.

Verteiler: Neopresse

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