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Wahlanalyse Bayern 2018

Kleinere Abweichungen unberücksichtigt gelassen, kam es so, wie vorhergesagt. Eine hervorragende Prognose hatte die Jouwatch-Redaktion geliefert.

Hochrechnungen von 20:00 Uhr zufolge sieht das Ergebnis folgendermassen aus:

CSU – 37,3 %

SPD – 9,5 %

AfD – 10,7 %

FDP – 5,0 %

Grüne – 17,8 %

Linke – 3,3 %

FW – 11,6 %

Die Wahlbeteiligung lag mit 72,5 Prozent deutlich über derjenigen der Landtagswahlen von 2013 mit 63,9 Prozent.

Erste Überraschung

Was lange klar zu sein schien, nämlich, daß es zwangsläufig zu einer schwarz-grünen Koalition kommen wird, ist hinfällig. Zwar hätte eine schwarz-grüne Koalition mit 119 Sitzen im bayerischen Landtag eine komfortable parlamentarische Mehrheit, jedoch könnte – mit einem Sitz mehr als die Opposition – auch eine Koalition von CSU und Freien Wählern (FW) mit 105 Sitzen regieren. Ob die FDP in den bayerischen Landtag einziehen wird, ist zur Stunde noch nicht klar. Ein Zehntel Prozentpunkt beim amtlichen Endergebnis weniger für die FDP – und sie bleibt draußen.

Gewinner und Verlierer

Das Wahlergebnis spiegelt perfekt, was allerorten, auch bundesweit, beklagt wird: Die Spaltung der Gesellschaft. Große Gewinner der Bayernwahl sind sowohl die AfD (+10,9 Prozent), als auch ihr erbittertster Gegener, die Grünen (+ 9,7 Prozent).  SPD und CSU wurden in historisch einmaligem Umfang abgestraft. Im Vergleich zu 2013 verlor die SPD mehr als die Hälfte ihrer Wähler ( – 10,9 Prozent), die CSU etwa ein Viertel ( – 12,1 Prozent).

Interpretation

Grundsätzlich hat sich nicht viel verändert. Das linke Spektrum ist etwa so groß wie zuvor. Was die SPD in Bayern verloren hat, gewannen die Grünen dazu. Die enormen Zugewinne bei der AfD und bei den Grünen sprechen für eine sich künftig weiter verschärfende Polarisierung im politischen Spektrum nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland. In zwei Wochen ist Landtagswahl in Hessen. Die Prognosen für den amtierenden Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) liegen noch unter denen, die es für Markus Söder in Bayern gab. Zudem gibt es die Freien Wähler in Hessen nicht, so daß dort mit einem deutlich höheren Ergebnis für die AfD zu rechnen sein wird.

Die an sich schon lebensuntaugliche GroKo in Berlin hat heute den ersten Schlag aus Bayern erhalten. Der finale Genickschlag wird in zwei Wochen aus Hessen kommen. Zur Stunde macht man sich in den Parteizentralen bereits Gedanken über eine Neuauflage der Jamaika-Verhandlungen. In der Berliner Runde der ARD zur Bayernwahl sprach Moderatorin Tina Hassel erstaunlich offen vom Ende der Ära Merkel.

Allerdings ist so viel auch klar: Änderungen in der CDU können sich nicht auf Personalrochaden beschränken. Die vielbeklagte Spaltung der Gesellschaft wird kein Stück abnehmen, wenn lediglich Angela Merkel – etwa durch Annegret Kramp-Karrenbauer – ersetzt werden würde. Die Union wird sich nach dem Ende der Ära Merkel quasi neu erfinden müssen. Mit dem alten Personal wird das nicht glaubwürdig möglich sein. Soll die Union nicht das gleiche Schicksal ereilen wie die SPD, dann wird sie sich programmatisch neu aufstellen müssen und personell ganze Hierarchie-Ebenen zu ersetzen haben. Die Frage für die Union ist allerdings: Woher nehmen?

Die Grünen

Das Wahlergebnis für die Grünen in Bayern ist mit über 17 Prozent auf den ersten Blick zweifellos schockierend. Der enorme Zuwachs von knapp 10 Prozent muß aber nicht bedeuten, daß es dafür einen Grund gibt, der sich aus politischen Überzeugungen der Wähler speist. Die Grünen sind mangels Alternativen für das linksliberale Establishment quasi zu Erben der gescheiterten SPD geworden. Wen, außer den Grünen, hätten frustrierte frühere SPD-Anhänger auch wählen sollen? So gesehen fungierten die Grünen bei der Bayernwahl als Auffangbecken für traditionelle Sozenwähler, wohingegen die AfD die Stimmen derjenigen auf sich vereinigen konnte, die mit dem parteipolitischen System insgesamt unzufrieden sind. Für diese Unzufriedenheit gibt es Gründe, die weit vor wahltaktischen Überlegungen rangieren und viel grundsätzlicherer Natur sind.

Die sich weiter verschärfende Polarisierung im politischen Spektrum wird dazu führen, daß die alten Pole Union und SPD in der allgemeinen Wahrnehmung zunehmend ersetzt werden durch AfD und Grüne. Die politische Auseinandersetzung wird sehr viel grundsätzlicher werden. Die Fronten zwischen Realismus und ideologischer Traumtänzerei werden klarer hervortreten.

Die AfD

Der AfD stehen interessante und arbeitsreiche Jahre bevor. Sie befindet sich aber jetzt schon in einer besseren Ausgangsposition als die Grünen, eben weil die politische Auseinandersetzung um weiter auseinanderliegende Positionen gehen wird als je zuvor.  Dabei übernehmen die Grünen den Part derjenigen politischen Kraft, die mit ihren Visionen wirbt. Das macht es der AfD ziemlich leicht. Sie kann jederzeit mit Fakten kontern und die Grünen ein- ums andere Mal als ideologische Traumtänzer bloßstellen. Die AfD wird zum Jäger, die Grünen zu Gejagten. Währenddessen nützt sich die unsägliche Nazikeule täglich weiter ab. Für die AfD stellt sich daher die schwierigere Frage nicht in der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner, sondern in der Frage nach der Taktik, vermittels welcher sie ihn öffentlich am besten entlarvt. Genauer: Das Hauptproblem für die AfD stellt sich nach wie vor im Umgang mit den linksgrün dominierten Medien. Sollte dort aber – etwa aus reinem Selbsterhaltungstrieb angesichts dramatisch sinkender Auflagen – eine allmähliche Kursänderung einsetzen, dann würde die der AfD automatisch in die Hände spielen.

Die CSU

Die Christsozialen sitzen momentan zwischen allen Stühlen. Seehofers suizidale Loyalität einer merkelgeführten Union gegenüber und der mangelnde Mut, schon längst eigene Wege zu gehen, stellt die Christsozialen nun vor ein schier unlösbares Problem. Sich jetzt erst selbständig zu machen, nachdem sie 13 Jahre lang in einer Koalition mit Merkel marodiert hatten, käme ziemlich unglaubwürdig daher. Die CSU hängt also auf Gedeih und Verderb an dem, was sich in der CDU nach Merkel tun wird. Daß es sich nicht lohnt, den Bürgerwillen zum Zweck des eigenen Machterhalts als Juniorpartner einer völlig merkelversifften Schwesterpartei zu ignorieren, ist die Lektion, die sie heute schmerzhaft lernen musste. Und sie wird verstanden haben. Für die CSU ist guter Rat teurer als für sonst irgendeine Partei. Zu sehr ist ihr Schicksal mit demjenigen der CDU verknüpft.

Die SPD

Die SPD ist nicht nur in Bayern, sondern bundesweit derartig unten durch beim Wähler, daß sich zur Zukunft der Partei selbst eigentlich gar keine Fragen mehr stellen. Die SPD hat keine Zukunft mehr. Sie ist politisch so gut wie tot. Sie sollte sich auflösen. Deshalb stellt sich eine ganz andere Frage, nämlich die nach ihren Medienbeteiligungen. Daß eine Partei wie die SPD noch immer Deutschlands größte Medienholding ist, ist ein untragbarer Zustand. Das Medienimperium der SPD muß zerschlagen werden. Die Sozialdemokratie ist politisch bankrott und es gibt nicht den geringsten Grund, sie medial weitermarodieren zu lassen. „Bankrott“ kommt von „banca rotta“ – und beschreibt den Umstand, daß im alten Rom die Marktaufseher jene Bänke und Tische zerschlagen haben, auf und hinter denen pleite gegangene Geldverleiher zuvor ihr Geschäft betrieben haben. Die Zerschlagung der materiellen Ressourcen einer politisch bankrotten Partei darf nicht ausbleiben.

Sollte die SPD als esoterische Sekte in der Kategorie „politische Partei“ weitermachen wollen, hätten zumindest ihre medialen Einflußmöglichkeiten der Parteirelevanz angepaßt zu werden. Es ist ein Unding, daß der Zwerg den größten Panzer hat. (ME)

Quelle!:

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