Donnerstag, Mai 2, 2024
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Welche Rolle Merkel und die Flüchtlingspolitik beim zweiten Brexit-Referendum spielen

Ende März 2019 treten die Briten aus der EU aus. Oder etwa nicht? Es liegt an der Labour. Stimmt die Partei um ihren Vorsitzenden Jeremy Corbyn gegen den Brexit-Vorschlag von Premierministerin Theresa May, könnte es ein zweites Referendum geben. Und dann wird es spannend.

Matthias Witte

Hans-Olaf Henkel ist zweifellos ein Wirtschaftsliberaler. Er steht für offenen Wettbewerb und offene Märkte. Darum kritisierte der frühere Präsident des Bundesverbands der Industrie (BDI) die Politik der Bundeskanzlerin, als diese Euro-Hilfspakete und den Rettungsschirm über Griechenland und andere Krisenländer spannte. Den deutschen Ausstieg aus der Kernenergie nennt er übereilt, ebenso die Energiewende. Henkel war ein Mann der ersten Stunde bei der Alternative für Deutschland, als die sich 2013 gründete.

Für die AfD saß Henkel bis zu seinem Austritt im Sommer 2015 im Europaparlament. Gemeinsam mit den Mitstreitern um Bernd Lucke gründete er die Liberal-konservativen Reformer (LKR). Als die Briten 2016 überraschend für den Brexit stimmten, reagierte der EU-Politiker. Gemeinsam mit Unternehmern und Wirtschaftsvertretern setzt er sich vehement für den Verbleib Großbritanniens in der EU ein. Er fordert einen „New Deal“, ein neues Angebot für Großbritannien. Denn der britische Markt sei für die EU der größte – größer als der US-amerikanische oder der chinesische. Lange schienen die Herren um Henkel gegen Windmühlen zu kämpfen.

Stimmung bei Briten ändert sich

Jetzt gibt es Licht am Ende des Tunnels. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen stocken die Verhandlungen zwischen EU und Briten im Grunde genommen seit dem ersten Verhandlungstag. Aktueller Streitpunkt ist die Grenze zwischen Nordirland und Irland. Dazu kommt, dass Theresa May in Sachen Brexit gleich an mehreren Fronten kämpfen muss. Mit der EU um ihren Chefunterhändler Michel Barnier, mit ihrer eigenen Partei, den Konservativen und der Labour-Partei. Die ist strikt gegen Mays Kurs und will dem Brexit nur zustimmen, wenn Großbritannien auch künftig dieselben Vorteile des Binnenmarktes genießen wird wie im Moment.

Hier wittert Henkel Morgenluft, denn ein zweites Referendum steht im Raum. Labour-Chef Jeremy Corbyn, selbst von Haus aus Brexiteer (also für den Brexit), kommt ins Grübeln. „Wenn Corbyn merkt, dass die Mehrheit seiner Partei dafür ist, die Briten noch einmal zu befragen, dann wird er sich diesem Votum wohl fügen.“

Von großer Bedeutung ist für Henkel, welche konkrete Frage den Briten bei einem zweiten Referendum gestellt wird: „Nehmen wir an, es kommt zu einem Brexit-Deal. Dann könnte es sein, dass die Frage an die Bevölkerung lautet: Wollen Sie diesen Deal akzeptieren oder nicht? Es könnte aber auch sein, dass es mehrere Möglichkeiten gibt. Etwa: Wollen Sie diesen Deal akzeptieren? Oder: Wollen Sie den Brexit neu verhandeln? Oder: Wollen Sie aus der EU austreten?“

Erstes Votum: Gezinkte Karten, schlechte Argumente

Inzwischen hätte das britische Volk verstanden, dass die Brexiteers beim ersten Referendum „mit gezinkten Karten gespielt“ und die „Remainer“ auf der anderen Seite sehr schlecht argumentiert hätten. Der Brexit wird verheerende ökonomische Auswirkungen auf Großbritannien haben. Auch das sei inzwischen klar. Eine praktikable Lösung für die künftige Grenze zwischen Irland und Nordirland sieht der Merkel-Kritiker nicht.

Henkel zufolge haben sowohl die EU-Kommission als auch die Bundesregierung einen gehörigen Anteil am Brexit: „Berlin und Brüssel haben durch die ewige Zentralisierung und Sozialisierung der EU, die den Briten gegen den Strich ging, zum Referendum beigetragen. Und als es dann soweit war, hat die Flüchtlingspolitik von Frau Merkel den Brexiteers genau das Argument gegeben, um zu sagen: Hört mal zu, in einer solchen EU, in der wir nicht einmal über unsere eigenen Zuwanderung bestimmen dürfen, wollen wir nicht bleiben. Inzwischen hat sich das Blatt aber gewendet. Immer mehr europäische Staaten wollen mehr Verantwortung für die Steuerung ihrer eigenen Zuwanderung haben.“

Laut Henkel sind das nicht nur Ungarn und Polen, sondern auch deutsche Politiker – etwa in der CSU. Auch Schweden habe die Grenzen zugemacht. Dänemark baue einen Elektrozaun – angeblich um Wildschweine davon abzuhalten, über die Grenze zu kommen. Das Stimmungsbild in Europa habe sich verändert:

„Es wäre an der Zeit, den Briten unter deutscher Führung ein Angebot in Sachen Zuwanderung zu machen. Das könnte letzten Endes so ausgehen, dass die Briten sagen: Okay, wenn wir jetzt mehr Autonomie als vorher bekommen, dann kriegen wir das, was wir wollten – auch ohne Brexit.“

Johnson is back und greift an

Die Chancen stehen nach Angaben des Europapolitikers nicht schlecht. Auch bei den Konservativen im May-Lager gibt es laut Henkel bis zu 20 Abgeordnete, die gegen den Brexit sind. Diese könnten bei einer Abstimmung gegen den Deal stimmen.

So weit ist es allerdings noch nicht. Denn der ehemalige britische Außenminister Boris Johnson bringt sich mit einem eigenen Brexit-Plan in Position und attackiert damit gleichzeitig die Premierministerin. London habe sich in den Brexit-Gesprächen von der EU vorführen lassen. Die Verhandlungsführung sei „rückgratlos“ gewesen, schreibt Johnson in einem Gastbeitrag im Telegraph.

Ab Sonntag geht es für Theresa May ums Ganze. Dann treffen sich die Konservativen zum Parteitag in Birmingham. Sie wird für ihren Brexit-Plan werben, Johnson für seinen. Nach dem aktuellen Stand tritt Großbritannien am 29. März kommenden Jahres aus der EU aus.

Interview mit Hans-Olaf Henkel

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