Sonntag, Mai 5, 2024
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„Widerliches Verbrechen“ – Bundesjustizministerin zu Strafen für sexuellen Kindesmissbrauch

In der Diskussion der deutschen Politik über eine Verschärfung der Strafrahmen für sexuellen Kindesmissbrauch hat sich die Bundesjustizministerin nun doch noch bewegt. Sie sperrt sich nicht mehr grundsätzlich gegen Änderungen des Strafrechtes in diesem Deliktgebiet.

Sexueller Kindesmissbrauch gehört zu jenen Verbrechen, die nicht nur in der deutschen Gesellschaft hochemotionalisiert sind. Verständlicherweise, denn sexueller Missbrauch von Kindern weckt in den allermeisten Menschen Urinstinkte, die sich oft ungehemmt Bahn brechen und Gefühle von Rache und Standrecht auslösen. Für einen Rechtsstaat ist das eine äußerst schwierige Konstellation, denn obwohl das Kindeswohl an oberster Stelle jeder Überlegung in dieser Sache steht, dürfen trotz aller Abscheu und trotz aller Wut die Grundrechte von Tatverdächtigen und überführten Tätern nicht unter den Tisch fallen.

Vor diesem Hintergrund erscheint es aber immer mehr Beobachtern vollkommen unverständlich, warum sexueller Kindesmissbrauch, der auch in Form von massenhafter Verbreitung und Nutzung von Missbrauchsabbildungen im Internet geschieht, von den deutschen Strafverfolgungsbehörden immer noch als Vergehen und nicht klipp und klar und ohne Wenn und Aber als Verbrechen eingestuft wird. Die jüngst bekannt gewordenen neuen Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch und von massenhafter Nutzung und Verbreitung von Missbrauchsabbildungen, die in ihrer Brutalität jede Vorstellungskraft sprengen, haben nun offenbar endlich den öffentlichen Druck erzeugt, der nötig gewesen zu sein schien, um Bewegung in diese Grundsatzdiskussion zu bringen.

Der kleine semantische Unterschied zwischen „Vergehen“ und „Verbrechen“ kann große Unterschiede im Strafmaß für überführte Täter haben. Für ein Kind, aber auch für einen Heranwachsenden ist sexueller Missbrauch dagegen in jedem Fall ein Trauma, das ein Leben ruinieren kann, bevor es richtig begonnen hat. Nur die wenigsten Menschen können sich wirklich das ganze Ausmaß der Torturen vorstellen, denen selbst Babys durch sexuellen Missbrauch ausgesetzt werden. Selbst erfahrene Ermittler sind regelmäßig zutiefst schockiert über die Grausamkeit und das Fehlen jeder Empathie, wenn sie sich durch abertausende von Missbrauchsabbildungen klicken müssen.

NRW-Innenminister Reul: „Missbrauch beendet Kinderleben psychisch“

Ein deutlich erzürnter nordrhein-westfälischer Innenminister hatte jetzt offenbar die Faxen dicke, wie man umgangssprachlich sagt. Herbert Reul (CDU) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), das maßgeblich von der DDVG, der Medienholding der SPD kontrolliert wird, ihm fehle jedes Verständnis dafür, wenn jemand ernsthaft die Herstellung und Verbreitung von Missbrauchsbildern immer noch genauso bestrafen will wie Ladendiebstahl. Durch Missbrauch „wird das Leben von Kindern beendet – nicht physisch, aber psychisch“, so der Minister.

Bundesjustizministerin schwenkt um

Seine Empörung richtet sich vor allem gegen Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), die sich bislang einer Änderung des Strafrechtes in dieser Angelegenheit verweigert hat und noch vor wenigen Tagen dem Koalitionspartner vorwarf, sich profilieren zu wollen. Stattdessen schlug die ausgebildete Rechtsanwältin vor, Internetplattformen sollten ab sofort die Verbreitung von Missbrauchsabbildungen zwingend an das Bundeskriminalamt (BKA) melden.

Über einen solchen Vorschlag schüttelten nicht nur Unionspolitiker den Kopf. Was genau den raschen Kurswechsel der Bundesjustizministerin bewirkte, ist noch unklar, jedenfalls trat sie am Donnerstag vor die Presse in Berlin und erklärte sich nun bereit, auch jene Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch als Verbrechen und nicht mehr als „minderschwere Straftaten“, die sogenannten Vergehen, zu ahnden, bei denen es zu keiner physischen Schädigung der Kinder komme, also wenn es sich beispielsweise um grenzverletzende Berührungen der Schambereiche handelt oder eben die inzwischen millionenfachen Missbrauchsabbildungen im Internet. Denn wenn Kinder erwachsen werden und dann im Netz Fotos ihres Martyriums finden, können Jahre mühevoller Therapien mit einem Schlag vernichtet werden. Und über die Traumata von Angehörigen von Missbrauchsopfern ist hier noch gar nicht gesprochen worden.

Offenbar ist Christine Lambrecht noch einmal ins Gewissen geredet worden. Sie benutzte während ihrer Pressekonferenz mehrfach demonstrativ den Begriff „widerliches Verbrechen“ und erklärte wörtlich:

„Wer mit Kinderpornographie Geld verdienen will oder eine Tauschbörse betreiben will, auch dem muss klarwerden, dass es sich um ein Verbrechen handelt und eben auch über das Strafmaß darauf reagiert wird. Das sind wir unseren Kindern schuldig.“

Experten warnen: Strafverschärfung alleine bringt uns nicht weiter

Experten der Polizei, die sich tagtäglich mit Cyberkriminalität befassen, betonen aber schon seit langem, dass härtere Strafen allein dem Krebsgeschwür Missbrauchsabbildungen im Internet nicht beikommen können, sondern der Ermittlungsdruck und damit das Entdeckungsrisiko viel abschreckender wirke und deshalb die Anstrengungen in diesem Bereich deutlich ausgeweitet werden müssten. Das aber erfordert auch eine deutlich bessere personelle und technische Ausstattung der entsprechenden Ermittlungsbehörden von Bund und Ländern, vor allem auch eine deutlich bessere Ausstattung von Jugendämtern und Familiengerichten, die Risikosituationen deutlich früher erkennen und beseitigen müssen.

Und nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang aber auch die bessere Ausstattung von Therapie- und Hilfsangeboten für Menschen, die sexuellen Missbrauch erlebt haben, und für ihre Angehörigen. Aber auch Hilfs- und Therapieangebote für Menschen, die sich mit einer pädophilen Störung quälen und nicht zum Täter werden wollen. Kriminologen weisen seit Jahren darauf hin, dass sexueller Kindesmissbrauch nicht zwingend von Menschen verübt wird, die eine sexuelle Präferenzstörung haben.

Aber jedes Kind, das nicht sexuellem Missbrauch oder sexueller Ausbeutung ausgeliefert ist, ist jede Mühe wert, betonen seit Jahren sowohl der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) als auch Hilfsprojekte, Kriminologen und Sexualwissenschaftler.

Quelle!:

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