Montag, Mai 6, 2024
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Wird selbst Chemnitz „weltoffener“? Sachsens Verdi-Chef zu Kretschmers Zuwanderungsplänen

Der kürzlichen Sputnik-Diskussion rund um verstärkte Fachkräftezuwanderung in Sachsen hat sich nun auch der Verdi-Chef in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, Dr. Oliver Verdi, angeschlossen. Wie DGB-Chef Markus Schlimbach hält er den Mangel an einheimischen Fachkräften für unausweichlich in Ostdeutschland.

„Wir engagieren uns mit dem Ziel, ein Netzwerk mit einem klaren Bekenntnis für ein weltoffenes und internationales Sachsen aufzubauen. <…> Es gilt, wirtschaftliche Entscheider dafür zu sensibilisieren, dass die Integration in- und ausländischer Fachkräfte enorme Chancen in sich trägt“, steht auf der Webseite des Dresdner Vereins „Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen e.V.“ geschrieben.

Der Verein will als Informationsplattform durch das bundesweite Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung“ die „Arbeitsmarktchancen von erwachsenen Migrantinnen und Migranten“ in Deutschland verbessern. Lokal haben dafür kürzlich auch Sachsens Ministerpräsident Michel Kretschmer (CDU) und der DGB-Chef Markus Schlimbachgeworben.

„Selbst in Chemnitz haben sich mehrere Großunternehmen für ein weltoffenes Sachsen zusammengeschlossen, damit sie noch Fachkräfte im Ausland gewinnen könnten, insgesamt etwa 60 Firmen“, sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, Dr. Oliver Greie, gegenüber Sputnik.

Er sieht ebenfalls in diesen Regionen einen enormen Bedarf an Fachkräften, vor allem wegen der Demografie sowie der Abwanderung in den Jahren nach der Wiedervereinigung. Es lässt sich jedoch die Frage stellen, ob bei der Frage des Fachkräftemangels allein die Ausbildung von Zuwanderung die Lösung bietet, oder ob nicht der Wirtschaftsstandort Ostdeutschland selbst wieder attraktiv für Bundesbürger werden könnte.

„In den letzten Jahren wird auch darauf ein verstärkter Fokus gelegt, wie etwa mit Prämien für Leute, die zurückkommen“, erwidert Greie.

„Wir haben zunehmend auch den Wunsch von vielen Arbeitgebern, Tariflöhne zu zahlen, einen Tarifvertrag mit den Gewerkschaften einzugehen, um eine gute Bindung zwischen Arbeitsleistung und Bezahlung zu haben“.

Das dürfte die Arbeit in vielen ostdeutschen Institutionen attraktiver machen, so Greie. Auch eine Verbesserung der Infrastruktur vor Ort, wie etwa mehr Kita- und Schulplätze, gehöre dazu. „Im Moment ist es aber so, dass wir mit den jungen Menschen, die wir schon vor Ort haben, künftig nicht genügend Fachkräfte ausbilden können.“ 

Eine entsprechende Förderung der Arbeitsmigration dürfte nicht ein bloßer Wunsch des Bundes oder der Arbeitgeber sein, denn die Studien des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit (BA) belegen einen tatsächlichen Bedarf. So werden in Sachsen aktuell die Vorgaben für Fachpersonal von 107 Pflegeheimen nicht erfüllt, vor allem in der Altenpflege. Gewonnen werden da die Fachkräfte merkwürdigerweise vor allem aus Vietnam, aber auch aus Spanien und Frankreich. „Es sind auch Mängel an Fachkräften im öffentlichen Dienst zu verzeichnen“, verweist Greie weiter. Es sei heutzutage besonders in seinen Regionen kompliziert, einen guten Handwerker zu finden, wie etwa Klempner oder Elektriker. Deshalb dürften eigentlich sächsische Handwerkskammern und Wirtschaftsförderung verstärkt für ausländische Fachkräfte werben.

Laut einer weiteren IAB-Studie hat sich die Arbeitsmarktsituation in den neuen Bundesländern im Laufe der Jahre entspannt. So sollen z.B. in den Jahren 2011-2012 lediglich nur sechs Prozent der Berufseinsteiger den Freistaat in andere Bundesländer verlassen haben, zwölf Prozent wechselten dabei den Arbeitsort innerhalb Sachsens. Jedoch werden 2025 laut den neuesten Berechnungen des IHK-Fachkräftemonitors in Sachsen etwa 82. 000 qualifizierte Arbeitskräfte fehlen, darunter gut 59.000 qualifizierte Fachkräfte allein im kaufmännischen Bereich einschließlich der Dienstleistungs- und Gesundheitswirtschaft. „Die Fachkräftesicherung ist und bleibt für die sächsischen Unternehmen eine der größten Herausforderungen. Die demografische Entwicklung setzt den Arbeitsmarkt nachhaltig unter Druck“, sagte übrigens der Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig, Kristian Kirpal, im Mai gegenüber „Sachsen am Sonntag“:  Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz tritt schon im März 2020 in Kraft und soll den qualifizierten Arbeitskräften aus dem Ausland den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt deutlich erleichtern.

Und was mit den Flüchtlingen?

Sachsen nimmt 2018 von allen Asylsuchenden in Deutschland dem ländlichen Ausländerbeauftragten zufolge knapp fünf Prozent auf. Zum 31. Mai 2018 lebten in Sachsen insgesamt 23.125 Asylsuchende mit Anträgen im Verfahren, sowie abgelehnte Asylbewerber. Im Jahre 2017 betrug die der Anteil ausländischer Bürger in Sachsen dabei circa vier Prozent: mit etwa 178.000 Menschen auf 4,1 Millionen Einwohner eine relativ niedrige Zahl. 

Ende Mai hatte die Regionaldirektion der BA auch gemeldet, dass es im Jahre 2018 in Sachsen 5911 Asylbewerber mit einem Job gegeben habe – dies seien fast 86 Prozent mehr als zum gleichen Zeitpunkt im Jahr 2017. Rund die Hälfte dieser 5911 Menschen übe Helfertätigkeiten aus, knapp ein Drittel habe eine Berufsausbildung und arbeite als Fachkraft. Die meisten Beschäftigten seien junge Männer und vorwiegend in den Branchen Gastronomie, Handel und Industrie tätig. Mehr als die Hälfte der arbeitslosen Geflüchteten seien dabei jünger als 35 Jahre. 

„Eine große Hemmnis bleibt für sie natürlich die Sprache“, sagt Oliver Greie weiter. Aber es lohne sich, in die Flüchtlinge zu investieren, solange der Wunsch zu lernen vorhanden sei. Die Regionaldirektion der BA verweist aber auch auf fehlende Qualifikation. 73,8 Prozent der Arbeitslosen könne daher nur für einfache Tätigkeiten eingestellt werden. Insgesamt dauere es mindestens fünf Jahre, bis ein Asylbewerber vollständig in den Arbeitsmarkt integriert werden könne. Diese Zeit setzt sich zusammen aus einem Jahr Spracherwerb, einem Jahr Vorbereitung auf die Ausbildung sowie drei Jahre Ausbildung.

Quelle!:

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