Samstag, April 27, 2024
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Zwei wichtige Wahlen vor der Tür – und eine Demokratie am Abgrund

Die Parteien führen hierzulande ein rigoroses Regime, mit dem sie den Wählerwillen umgehen, das Parlament aushebeln und bei den Bürgern Wut und Empörung auf immer neue Höchststände treiben helfen.

In wenigen Tagen wird in zwei Bundesländern gewählt. In Bayern und Hessen droht den wankenden Altparteien am 14. und 28. Oktober ein schroffer Absturz. Die Frage, was Wahlen in einem Land, in dem die Parteien in der politischen Sphäre die Macht rigoros an sich gerissen haben, noch wert sind, muss erlaubt sein. Über die Fraktionen der Union und der SPD kontrolliert die Regierung Merkel das Parlament, und nicht umgekehrt, wie es sein sollte. Es fragt sich, welchen Einfluss die Wähler überhaupt noch haben. Nur 42% der Abgeordneten im aktuellen Deutschen Bundestag (298 von 709) wurden vom Wahlvolk mit der direkten Erststimme gewählt. Je größer der Bundestag wird – und er ist so groß wie nie zuvor – desto größer der Zugriff der Parteien. Denn fast 60% der 709 Abgeordneten haben die Parteien mit ihren Landeslisten festgelegt. Und das höhlt die Demokratie, wie sie das Grundgesetz hat, radikal aus. Die Gefahr droht also nicht von der AfD, sie kommt von der Regierungsbank.

Wir leben in einer Demokratie, die sich in bedenklicher Auflösung befindet, die von autoritär geführten Parteien in die Zange genommen und geplündert wird. Die größte Oppositionspartei wird als Gefahr für das Land dargestellt, während die etablierten Parteien und die Regierung  unkommentiert zulassen und regelrecht ermuntern, dass Linksextremisten der Antifa AfD-Politiker angreifen, ihre Autos und Häuser beschmieren, Abgeordnetenbüros verheeren und Demonstrationen von Merkel-Gegnern blockieren. Währenddessen wird zur politisch-medialen Hetzjagd auf Kritiker der Regierung geblasen.

Wie zur Bestätigung des desolaten Zustands unserer Demokratie regieren die beiden größten Verlierer der jüngsten Bundestagswahl unbeirrt gemeinsam weiter. Die Volksverachtung hat einen nie gekannten Höhepunkt erreicht. Die etablierten, aber um ihre Existenz kämpfenden Medien, sind mit der regierenden politischen Kaste zu Lasten der Wähler eine Symbiose eingegangen und empfehlen in wüsten Kolumnen nicht nur »Weniger Demokratie wagen«, sie sind auch »dankbar«, wenn »viele Krakeeler am Wahltag zu desinteressiert oder zu betrunken sind, um aus dem Bett zu finden.«

In diesem demokratischen Tal der Tränen gibt es mehr Lobbyisten als Bundestagsabgeordnete, darf die Kanzlerin Treffen mit Lobbyisten sogar verschweigen. Wolfgang Schäuble, der Bundestagspräsident dieses Landes, ist der Meinung, vom Wahlprogramm abzurücken sei für eine Partei »kein Umfallen.« Die Grüne Bundestagsvizepräsidentin in diesem Land kennt das Grundgesetz nur lückenhaft. Und der Vorgänger von Wolfgang Schäuble als Parlamentspräsident plädierte vehement gegen Volksentscheide. Die Debatten, die das Land dringend bräuchte, werden von Zensurmaßnahmen wie dem NetzDG unterdrückt und finden allenfalls noch in Talkshows statt. Doch dort sind sie inszeniert und werden durch strikte Auswahl der Diskutanten gelenkt.

Mehr noch: Die Regierungschefin dieses Landes ignoriert die Beschlüsse ihrer eigenen Partei, während sie in informellen Kaminrunden mit den Ministerpräsidenten um den Bundestag herum regiert. Und weil die Parteien dank ihren starren Funktionärsriegen verfilzt sind, können sich die Wähler dieses Landes bei Wahlen nicht einmal der größten Versager entledigen. Das hat vor Allem damit zu tun, dass eine beständige Mehrheit der Abgeordneten nicht von Wählern direkt ins Parlament entsandt, sondern von der jeweiligen Parteioligarchie ausgewählt wird. Das dadurch entstandene Heer von Stimm-Söldnern, die in Abhängigkeit ihrer Parteifunktionäre Volksvertreter simulieren, hat erschreckende Ausmaße angenommen.

Von den 709 Abgeordneten im aktuellen Deutschen Bundestag kamen laut dem Bundestags-Informationsdienst 411 über die 16 Landeslisten, die die Parteien aufstellen. Schlimmer noch: Meine Anfrage bei den Zentralen Assistenzdiensten (ZT 4) des Bundestages im Mai 2018 ergab, dass 389 Abgeordnete im aktuellen Bundestag »noch nie ein Direktmandat errungen« haben. Das heißt: Eine solide absolute Mehrheit der Abgeordneten wurde noch nie von den Wählern direkt gewählt.So ziehen sich die Parteien eine willige Parlamentstruppe heran. Diese wächst ständig und ist vom Wohlwollen der Führungsriege in ihrer jeweiligen Partei vollkommen abhängig. Das ist der wichtigste Grund, warum Andrea Nahles im Frühjahr 2018 trotz heftigem Widerstand der Parteibasis Vorsitzende der SPD wurde. Es ist auch der Grund, warum sich Angela Merkel so quälend lange an der Spitze der CDU und der Bundesregierung halten kann. Die Abstimmungsmarionetten arbeiten in parlamentarischer Knechtschaft ihrer jeweiligen Fraktionschefs und können sich eine Konfrontation mit den Strippenziehern, denen sie ihren Sitz im Parlament verdanken, nicht erlauben. Dass die Unionsfraktion Ende September „überraschend“ bei der Wahl ihres Vorsitzenden Volker Kauder abwählte und Ralf Brinkhaus berief, war der erste Aufstand gegen das drakonische Parteien-Regiment seit Jahrzehnten.

Ansonsten dominieren die Parteien weiterhin stramm und zuverlässig ihre Parlamentsfraktionen. Das Ergebnis ist eine Lähmung des Parlaments und ein Zusammenbruch des Parlamentarismus. Eine Kontrolle der Regierung findet nicht mehr Statt. Die Folge: Schlamperei, krasse Fehlentscheidungen, Korruption und Amtsmissbrauch – es wird fast Niemand mehr zur Verantwortung gezogen. Die Regierung entscheidet nur noch, was IHR wichtig ist. Und die Parteien selbst entfernen sich immer weiter von den Wählern.

Laut Artikel 21 GG (Absatz 1) wirken die Parteien »bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.« Von einem eisernen Zangengriff um das Parlament war nie die Rede. Die Unterwerfung des Parlaments durch die Parteien ist die schlimmste und für die Demokratie schädlichste Entwicklung in unserem Land. Der Schriftzug »DEM DEUTSCHEN VOLKE« unter dem Giebelfries des Reichstagsgebäudes könnte getrost durch das Motto »ALLE MACHT DEN PARTEIEN«  ersetzt werden.

Die Parteiendiktatur trägt nicht nur zur Lähmung der gesamten Politik und zur bedrohlichen Schwächung des Parlaments bei, sie treibt auch mit der Verdrossenheit und dem Unmut, den sie bei den Wählern schürt, zur gefährlich wachsenden Spaltung in Deutschland, die ich in meinem neuen Buch „Das Ende der Herrlichkeit – Warum der viel gescholtene deutsche Michel bereits die Heugabeln wetzt,“ beschreibe, bei.

Quelle!:

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