Freitag, April 26, 2024
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Klimaabkommen Paris – Ein Meilenstein im Kampf gegen den Klimawandel?

"Global player" vs. "local farmer" - insbesondere Öl- und Gasindustrie haben in Sachen Klimaziele oft andere Vorstellungen als der lokale Kleinbauer. Foto: freeimages.com

„Die schönste aller französischen Revolutionen“„Ein historischer Klimavertrag“ oder gar „Das Wunder von Paris“. Nach den knapp zwei wöchigen, teils sehr mühsamen Verhandlungen beim

 Klimagipfel in Paris wurde der Leser gängiger Tageszeitungen von vor Euphemismen und Superlativen tropfenden

Überschriften nahezu überwältigt. Beruhigt zurücklehnen, kein Grund mehr zur Sorge, das Thema Klimawandel ist abgehakt.

 

Doch schon kurze Zeit nach dem Verhallen des freudentaumelnden Medienechos melden sich auch einige kritische, meist aus dem globalen Süden stammende Stimmen, zu Wort. Stimmen, die meinen, so unglaublich toll sei dieses „historische Klimaabkommen“ gar nicht. An dieser Stelle lohnt ein etwas genauerer Blick auf die eigentlichen Errungenschaften des „Paris-Agreements“.

„Wir bewegen uns aktuell Richtung 3 bis 4 Grad Celsius“

Als einer der zentralen Aspekte des Abkommens gilt, den Temperaturanstieg (gemessen am vorindustriellen Zeitalter) auf „deutlich unter 2°C“ und auf „möglichst 1.5°C“ zu reduzieren. Im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter stieg die globale Durchschnittstemperatur bis zum heutigen Zeitpunkt bereits um etwa 0.8°C, das bedeutet es bleibt noch ein Puffer von 1.2°C  bis zur magischen Zwei-Grad-Marke. Oder anders formuliert: Um das 2°C – Ziel zu erreichen kann es sich die Menschheit leisten, noch etwa 1000 Gigatonnen CO2 ausstoßen bis die Erderwärmung einen als kritisch geltenden Punkt überschreitet.

 

Mit den Übereinkünften der COP21 würden bereits bis zum Jahr 2030 in etwa 800 Gigatonnen ausgestoßen werden. Im besten Fall reichen die vereinbarten INDCs (Intended Nationally Determined Contributions) die Erwärmung auf 3°C einzudämmen, schlimmstenfalls bewegen wir uns aktuell sogar Richtung 4°C. Die kanadische Klimaaktivistin und Autorin des Buches „This Changes Everything“, Naomi Klein äußerte bereits unmittelbar nach Ende der Konferenz ihre Bedenken:

„They don’t lead us to 1.5 degrees Celsius or 2 degrees. They lead us to warming of 3 to 4 degrees Celsius, which is beyond catastrophic.“

Zudem werden hier vereinfacht von 2°C im „weltweiten Durchschnitt“ gesprochen. Schon jetzt ist klar, dass dies an manchen Ecken der Erde lediglich zu einer 0.5°C – Erwärmung führen wird, während in einer ganz anderen Ecke mit Temperaturerhöhung von bis zu 6°C gerechnet werden muss. Welche Konsequenzen ein derartiges Szenario mit sich bringen würde, kann sich jeder selbst ausmalen.

„Carbon Markets“ – Eine Art moderner Ablasshandel?

Eine weitere „große Errungenschaft“ ist die Verpflichtung der Industriestaaten (inklusive Indien und China) ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar in Form eines Klimafonds an die sogenannten „Entwicklungsländer“ bereitzustellen um dort den Kampf gegen den Klimawandel erfolgreich voranzutreiben. Bei diesen Transferleistungen handelt es sich jedoch um „result based payments“, das bedeutet daran sind auch immer „Strukturmaßnahmen“ oder „marktbasierte Mechanismen“ gekoppelt. Dieser Klimafond beinhaltet übrigens auch kommerzielle Kredite und eröffnet massenhaft neue Absatzmärkte für den Export neuer Technologien, Kritiker sprechen in diesem Zusammenhang auch gerne vom „Carbon Colonialism“.

Auch in Sachen „Carbon Markets“ und rund um das Thema „Offsetting“ wird man das Gefühl nicht los, dass das Abkommen doch eher auf den „global player“ als auf den „local farmer“ zugeschnitten ist. So haben Staaten nachwievor die Möglichkeit ihre Emissionsbilanz auszugleichen indem sie im Gegenzug – teils sehr fragwürdige – Projekte in „Entwicklungsländern“ unterstützen. Umweltsünden also bitte nur, wenn man sich den Spaß auch leisten kann – der Vergleich zum Ablasshandel ist hier nicht weit hergeholt.

Klimawandel beinhaltet mehr als nur CO2 – Emissionen

Solange es nicht gelingt, wirtschaftliche Interessen bei der Klimafrage weiter in den Hintergrund zu rücken, bestehen geringe Chancen derartige Abkommen effektiv umzusetzen. Da der Wert der verbliebenen Öl – und Gasreserven aktuell bei geschätzten 35 Billionen Dollarliegt, haben einige Unternehmen ganz offensichtlich durchaus Interesse auch noch einige weitere Jahrzehnte mit fossile Energieträger zu wirtschaften.

 

Zudem sollte die gesamte Klimadebatte in Zukunft differenzierter geführt werden. Auch wenn CO2 – Emissionen und der damit verbundene Treibhauseffekt gravierende Auswirkungen auf Natur, Mensch und Umwelt haben, sind sie bei weitem nicht der einzig besorgniserregende Faktor der andauernden Umweltzerstörung. Der enorme Rückgang an Biodiversität und das Aussterben unzähliger Tierarten, die massenhafte Rodung großer Waldflächen, die Extraktion großer Mengen Mineralien, um nur einige zu nennen, haben alle bisher teils unvorhersehbare Auswirkungen auf die Funktionstüchtigkeit unseres Planeten. Trotzdem gehen diese Aspekte in der (medialen) Debatte meistens unter.

Ein knapp 14 – tägiger Gipfel mit 36000 Teilnehmern aus 196 Nationen und am Ende steht ein 32-seitiges Abkommen – das kann man ohne Frage als einen diplomatischen Erfolg werten. Aber was jetzt gefragt ist, ist die Bereitschaft diese Ziele auch umzusetzen, gemeinsam zu handeln. Ob die im Vertrag festgeschriebenen Mechanismen dafür ausreichen, ist fragwürdig. Zwar ist das Pariser Abkommen für alle Teilnehmer rechtlich bindend, nach einem Sanktionsmechanismus sucht man im Dokument jedoch vergeblich. Inwieweit die Einhaltung und Umsetzung in einem auf stetigem Wachstum basierenden Wirtschaftssystem innerhalb ökologischer Grenzen realistisch ist, kann und will ich auch nicht beantworten.

Quellen:

The Guardian, Die Zeit, Spiegel Online, Al Jazeera, fr-online, RT, New Internationalist

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