Mittwoch, Mai 1, 2024
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„Flüchtlingskrise von 2015 wiederholt sich“: AfD in Litauen – Exklusiv-Interview

Belarus übt nach Ansicht der EU seit Monaten „Migrations-Druck“ auf Litauen aus. Vor Ort wollten sich zwei Politiker der AfD-Bundestagsfraktion einen Überblick verschaffen und sprachen mit Behörden und Flüchtlingen. „Brüssel unterschätzt das Problem, bezahlt Litauern nicht einmal neuen Grenzzaun“, so ihre Kritik im SNA-Interview.„Wir sind momentan in Vilnius, sind gerade von der Grenze (zwischen Litauen und Belarus, Anm. d. Red.) zurückgekommen. Wir hatten heute sehr, sehr eindrucksvolle Gesprächspartner. Darunter auch ein litauischer Grenz-Kommandeur, der uns sozusagen die aktuelle Situation zeigte, die aus litauischer Sicht recht dramatisch ist.“ Das erklärten die Bundestagsabgeordneten Paul Podolay (AfD) und Siegbert Droese (AfD) im exklusiven Doppel-Interview mit SNA News.

Aktuell sind wohl 4100 Flüchtlinge im Land vorhanden. Für die Litauer eben eine äußerst große Zahl, die sie sehr, sehr beunruhigt. Und wir haben dort den Austausch gepflegt und gefragt: Wie werden die Leute behandelt, wie ist die Situation aktuell? Das war unser Grund der Reise: Wo kommen die Flüchtlinge überhaupt her? Wie kommen die überhaupt in die Grenzregion? Das waren heute Fragen, die wir uns haben beantworten lassen.Siegbert DroeseMdB Alternative für Deutschland (AfD)

Laut Medien kommen die Flüchtlinge über Belarus nach Litauen. Sie stammen den Angaben zufolge hauptsächlich aus dem Irak, Iran und Afghanistan, einige auch aus Syrien. Die meisten von ihnen wollen weiter nach Deutschland.

Vor Ort an der litauischen Grenze zu Belarus

Podolay, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss im Bundestag, und Siegbert Droese, Mitglied im Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union (EU), besuchten Mitte der Woche für drei Tage das baltische EU-Land Litauen. Um sich vor Ort über die Lage im Grenzgebiet zu Belarus und die illegale Migration in die EU zu informieren. In der Hauptstadt Vilnius konnte die Delegation Gespräche mit Vertretern des litauischen Innenministeriums und der Grenzschutzbehörde führen. Auch ein Besuch der Grenzanlage in Medininkai mit Besuch einer Erstaufnahmeeinrichtung für Migranten stand auf dem Programm.

„Ich würde sagen, dass sich dort so zwischen 80 und 100 Personen aufhalten“, sagte Droese. „Wir konnten auch mit den Flüchtlingen sprechen. Und von behördlicher Seite hatten wir erfahren, das wohl annähernd 26 Prozent von allen Flüchtlingen in Litauen sich als minderjährig deklarieren.“ Oftmals fehlten dann Papiere und Pässe. Podolay fügte hinzu: „Die meisten Flüchtlinge, mit denen wir gesprochen haben, kommen aus dem Irak, einige aus Syrien. Aber das war die Minderheit. Es waren überwiegend Männer, überwiegend auch Jugendliche.“

Medininkai ist ein litauischer Ort nahe der Grenze zu Belarus. Auf belarusischer Seite befindet sich als Pendant der Ort Kamenny Log.

Litauens Innenministerium mit Lagebericht

Die litauisch-belarusische Grenze ist insgesamt knapp 680 Kilometer lang und verläuft zwischen dem Nato- und EU-Mitglied Litauen und Belarus, einem Mitglied der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Die Grenze gehört damit zu den Außengrenzen der EU, dort beginnt der Schengen-Raum.Im Innenministerium von Litauen „hat uns der zuständige Referent berichtet, wie die Lage momentan ist“, berichteten die AfD-Abgeordneten. „Die Flüge aus dem Irak nach Minsk wurden eingestellt. Also momentan ist es eine relativ ruhige Lage an der Grenze, aber man erwarte, dass die Zahl wieder steigen wird und zusätzlich kommen wahrscheinlich noch Flüchtlinge aus Afghanistan. Da ist die Lage auch sehr zugespitzt und das Problem mit der Migration wird sich mit Sicherheit verstärken. Wir hatten auch nachgefragt, ob man Schätzungen hat, wie viele Flüchtlinge sich denn noch in Weißrussland aufhalten, die ja auch denselben Weg in die EU nehmen wollen. Da konnten aber keine Angaben gemacht werden.“Es sei demnach zu vermuten, „dass sich dort noch eine ganze Reihe an Menschen – sicherlich in Tausender Größen – in Weißrussland bereithalten und eben auch illegal die Grenze überwinden wollen.“

Nutzt Lukaschenko Migration als „Waffe“ gegen EU?

Litauen hat seit Jahresbeginn über 4000 Migranten registriert, über Belarus kommend. Das meldete die österreichische Zeitung „Die Presse“ vor wenigen Tagen. Eine schwere Bürde für das osteuropäische Land im Baltikum, in dem nur knapp drei Millionen Einwohner leben. Vilnius und die Europäische Union (EU) beschuldigen den belarusischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, die Flüchtlinge gezielt über die EU-Grenze passieren zu lassen. Dies sei auch als Vergeltungsaktion angesichts von EU-Sanktionen gegen Minsk zu deuten, meint die österreichische Zeitung. „Als Reaktion auf die litauische Maßnahme, Migranten zurückzudrängen, hat Belarus seinerseits die Grenzen geschlossen und verlangt seit kurzem von litauischen LKWs, dass diese mittels GPS-Überwachungstechnik auf belarusischem Territorium jederzeit ortbar sind,“ schreibt „Die Presse“.

Zum Thema „irreguläre Migration und Migrantenschmuggel“ schreibt die EU-Kommission: „Die Schleusung von Migranten ist eine globale kriminelle Aktivität. (…) Die Reise in die EU kann äußerst gefährlich sein und Schleuser setzen Migranten oft sowohl lebensbedrohlichen Risiken als auch Gewalt aus.“ Die meisten illegalen Migranten reisen demnach „ursprünglich legal mit Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt in die EU ein, bleiben aber nach Ablauf ihres Visums aus wirtschaftlichen Gründen in der EU.“ Auch im Falle von Belarus sei dies häufig der Fall, so Medien.Mit Blick auf meist legale Migration in den EU-Raum, fragen sich so manche Beobachter deshalb, weshalb es eine Ungleichbehandlung von Flüchtlingen gibt. Sollte der rechtliche Status für Geflüchtete nicht in der ganzen EU gleich geregelt sein?

Ausnahmezustand in Litauen und Lettland

Die Flüchtlings-Route scheine sich momentan weiter Richtung Lettland zu verschieben, einem Land von gerade einmal zwei Millionen. Der baltischen Nachrichtenagentur „BNS“ nach griffen lettische Beamte seit sechstem August „214 illegal eingereiste Flüchtlinge auf. Davor hatte Lettland seit Jahresbeginn erst 55 Flüchtlinge registriert.“ Sie kamen alle aus Belarus.

Die litauische Grenzwache habe bereits damit begonnen, aus dem Gebiet von Belarus ankommende Flüchtlinge abseits der offiziellen Grenzübergänge in das Nachbarland zurückzudrängen, so „Die Presse“. Riga verzeichne einen deutlichen Anstieg von Migranten, seit der baltische Nachbar Litauen „seine Grenze zu Belarus dichtgemacht hat. Die lettischen Behörden verzeichneten in den vergangenen Tagen einen Anstieg von aufgegriffenen Flüchtlingen an der belarusischen Grenze.“ Demnach habe die lettische Innenministerin Marija Golubeva eine Notsituation an der lettisch-litauischen Grenze ausgerufen.Bereits längere Zeit befindet sich Litauen im Ausnahmezustand, wie zuvor die litauische Regierungschefin Ingrida Šimonytė und die Innenministerin Litauens, Agnė Bilotaitė, angekündigt hatten. Der Notstand in dem Land und an der litauischen Grenze werde weiterhin aufrechterhalten, wie die beiden AfD-Parlamentarier im Gespräch mit SNA bestätigten.

Für 150 Millionen Euro, aber „kein Geld aus Brüssel“: Vilnius baut Grenzzaun

Wie österreichische Medien am Freitag berichteten, segnete das Parlament Litauens den lang erwarteten, „150 Millionen Euro teuren Grenzzaun zu Belarus ab.“ In der litauisch-belarusischen Grenzregion sei außerdem der Notstand weiter verlängert worden. „Die Arbeiten an der Barriere aus Stacheldraht mit einer Gesamtlänge von 550 Kilometern hatten bereits vor gut einem Monat begonnen.

Aus Sicht von AfD-Politiker Siegbert Droese sollte sich die Regierung von Litauen nicht zu sehr auf die EU und Brüssel bei der Bewältigung des Problems verlassen. „Die litauischen Kollegen laufen hier Gefahr, dass sie, weil sie sich sehr stark auf die EU in der Frage verlassen, am Ende alleine gelassen werden. Weil es sichtbar ist, dass die EU natürlich immer gute Worte findet. Aber es ist mit praktischer Hilfe gar nicht so einfach. Beispielsweise hatten die Litauer darum gebeten, dass man Material zur Grenzbefestigungen, Stacheldraht und so weiter zur Verfügung stellt. Und die EU hatte gesagt: ‚Dafür geben wir leider kein Geld‘.“

Vilnius „sollte vielleicht lieber auch mal das Gespräch mit Lukaschenko suchen, weil sie haben es ja auch geschafft, in Gesprächen mit der irakischen Seite sozusagen die Flüge nach Minsk zu unterbinden“, empfahl er. An der Schengen-Grenze gebe es zwar etliche Kameras und Videoüberwachung. Aber die Befestigung sei für die Grenze zum Schengener Raum, für eine Ost-Außengrenze der EU, „viel zu wenig“, kritisierte Droese.

Minsk und Vilnius schicken Flüchtlinge hin und her

Dort, an dieser Grenze, spielen sich mitunter dramatische Szenen ab, wie das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ kürzlich berichtete:

„Bitte, mein Freund. Bitte“, flehte demnach ein junger Mann, ein Flüchtling. Einer der litauischen Grenzschützer hatte einen Schlagstock in der Hand, sagte: „Geh zurück nach Belarus. Verstehst du das? Geh zurück.“ Der Migrant rief: „Ich will nicht zurück.“ Ein belarusischer Beamter wird zitiert, der den Migranten auf Russisch mitteilte: „Warum steht ihr hier herum? Geht vorwärts, dorthin.“

Der Grenzschützer von Belarus zeigte erneut in Richtung Litauen.

„Das ist Wahnsinn, was da passiert an der Grenze“, beurteilte AfD-Politiker Podolay diese Situation. „Wir haben auch solche Bilder gesehen. Videoaufnahmen, wie die Leute hin und hergeschoben wurden.“ Sein Kollege Droese ergänzte: „Da stehen sozusagen Flüchtlinge zwischen den Grenzbeamten: Weißrussen auf der einen Seite, auf der anderen litauische Grenzbeamte. Wie lösen die das Patt praktisch auf? Da gab es die Auskunft sozusagen: Wer sich zuerst bewegt, wer zuerst schwach wird. Eine sehr unschöne Situation. Aber wir fragten eben danach, wie das gelöst werden kann und das sei wohl jetzt so die gängige Praxis.“

Laut den beiden Parlamentariern würden Erinnerungen an die Flüchtlingskrise 2015 wach. Im Baltikum entstehend, scheine sich ein solches Drama für Deutschland und die EU nun erneut anzubahnen, warnten sie.

„Also das kann ein Problem werden, das ist klar“, sagte Podolay. „Jetzt flüchten ja sehr viele Menschen aus Afghanistan wegen dieser erstarkenden Taliban-Herrschaft. Und das wird wahrscheinlich Lukaschenko auch ausnutzen, um irgendwelche Direktflüge aus Kabul nach Minsk zu organisieren. Dann hat die EU richtig ein Problem.“

„Wenn sich Lukaschenko und Erdogan verbünden, dann …“

Mit Blick auf die Türkei unter Staatschef Recep Tayyip Erdoğan befürchtet Droese folgendes Szenario:

„Dass eben vielleicht auch noch Lukaschenko mit der türkischen Administration gegebenenfalls dort Druck aufbauen kann, also noch sozusagen eine neue Route schafft. Die Route Bagdad-Minsk ist wohl jetzt geschlossen worden. Aber man befürchtet eben, dass vielleicht mit Erdoğan dort sozusagen ganz andere Zahlen erreicht werden können, die dann sozusagen über das Baltikum – also über Litauen, Lettland, Polen – durchaus nochmal enormen Druck ausüben. Und natürlich: Für uns als Abgeordnete ist es eben das primäre Ziel, dass sich 2015 nicht wiederholt. Es sieht aber leider so aus. Mein Kollege ist ja schon auf Afghanistan kurz eingegangen: Im Moment sieht das leider so aus. Die Wiederholung der damaligen Flüchtlingskrise steht eigentlich unmittelbar bevor.“

Vor einem „massiven Problem“ für die EU warnt aktuell auch ein Kommentar im „Deutschlandfunk“ (DLF). „Litauen steht massiv unter Druck, weil Belarus Migranten über seine Grenze schleust. Wie lange braucht Brüssel, um zu begreifen, dass daraus eine große europäische Krise erwachsen könnte?“ Im Normalfall dauere es über zwei Jahre, bis ein litauischer Grenzpolizist ausgebildet sei. „Die Litauer haben aber keine zwei Jahre mehr Zeit, um für Nachwuchs zu sorgen. (…) Die Not ist zu groß.“ Selbst der neue Grenzzaun an der Grenze zwischen Litauen und Belarus sei lediglich „oberflächliche Kosmetik.“Zudem: „Noch nicht einmal die Wirtschaftssanktionen der EU (gegenüber Minsk, Anm. d. Red.) scheinen etwas zu bewirken.“ Lukaschenko führe die EU „in ihrer Unentschlossenheit vor“, schätzt der Kommentar ein. Indirekt habe dies auch die schwedische EU-Innenkommissarin Ylva Johansson bei ihrem jüngsten Besuch in Litauen eingeräumt. Übersetzt bedeute das für Brüssel: „Wir haben die Situation nicht unter Kontrolle“. Am Ende könnte gar „die Nato gefordert sein“, sollte sich die Flüchtlings-Lage weiter verschärfen. All dies mache „die Krise für ganz Europa so brisant.“

„Nächstes EU-Treffen wird wohl nur heiße Luft bringen“

Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex hatte dem österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk „ORF“ zufolge bereits Ende Juli seine Einsatzkräfte an der EU-Außengrenze in Litauen erhöht.Innen- und Außenminister der EU sowie Frontex und die europäische Polizeibehörde Europol beraten am 18. August die Migrations-Krise an der belarusischen Grenze in einer Videokonferenz, heißt es laut Medien. Die beiden AfD-Bundestagspolitiker rechnen allerdings bei dem Online-Treffen mit keinen tiefgreifenden Entscheidungen, um die Flüchtlingskrise im Baltikum zu lösen.

„Da kommt wahrscheinlich nur heiße Luft raus, keine konkreten Schritte“, sagten sie einstimmig. Beide warnten mehrfach im Interview vor einer „Wiederholung der Flüchtlingskrise wie 2015“, sollte Brüssel nicht zeitnah die richtigen Maßnahmen ergreifen. Die Situation sei ernst, ihrer Meinung nach wirke die EU überfordert.

Die Situation zwischen Litauen und Belarus sei eine „ernsthafte Sicherheitsbedrohung für die EU“, teilte die slowenische Regierung mit. Das berichtete „Zeit Online“ vor wenigen Tagen. Slowenien hat derzeit den Sitz der Ratspräsidentschaft der Europäischen Union inne.

Migranten über Belarus-Route bereits in Deutschland

Außerdem sei zu befürchten, so ein weiterer Bericht der „Frankfurter Rundschau“, dass Belarus nun auch „Polen unter Druck setzt“, indem es Flüchtlinge aus dem arabisch-asiatischen Raum an die Grenzen dieses EU-Landes bringe.

Selbst in Deutschland seien schon einige Flüchtlinge über die Belarus-Route gelandet, wie der Münchner „Merkur“ jüngst berichtete.Die beiden AfD-Abgeordneten legten einen Kranz auf einem Deutschen Soldatenfriedhof in Litauen nieder. Vielleicht wird es in naher Zukunft hinsichtlich der Probleme in der Region noch einen weiteren Austausch ihrer Partei mit Grenzschutz und Behörden in Belarus geben, kündigten sie im SNA-Interview an.

Quelle!:

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