Montag, April 29, 2024
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„Linkskanzler“ Scholz und „Trotzkistin“ Wissler: Bei „Anne Will“ ging es wieder um „rote Socken“

Eigentlich sollten die „Anne Will“-Gäste am Sonntag laut dem angekündigten Talk-Thema über Mindestlohn, Reichensteuer und Schuldenbremse sprechen. Doch recht bald glitt die Runde zu dem tagesaktuellsten Thema ab: Was geschieht, wenn die SPD in der Tat die Bundestagswahl gewinnt? Das rot-rot-grüne Schreckgespenst trat in den Vordergrund.„Wenn Sie Scholz wählen, dann wählen Sie einen Linkskanzler„, behauptete der Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus gleich zu Beginn der Diskussion bei „Anne Will“ am Sonntag in der ARD. Aus Mangel an griffigen Argumenten, einem wirklich attraktiven Wahlprogramm und einem charismatischen Kanzlerkandidaten musste wohl die Union längst abgetragene „rote Socken“ aus der Mottenkiste hervorholen. Sie will anscheinenderneut den Bundesbürgern mit der Gefahr eines Linksrucks Angst einjagen.

„Gretchenfrage“ an Olaf Scholz

Seit sich ein Sieg des SPD-Kandidaten Olaf Scholz immer deutlicher abzeichnet, wird die Frage, ob die Wahlsieger notfalls mit der Linkspartei koalieren würden, zur „Gretchenfrage“ der jetzigen Wahlkampagne. Scholz selbst macht es anscheinend bewusst zusätzlich spannend, indem er eine klare Antwort auf diese Frage meidet.

„Ich lasse mich von Ihnen nicht in eine rot-rot-grüne Koalition treiben“, erklärte der SPD-Kovorsitzende Norbert Walter-Borjans in der „Anne Will“-Runde. „Das ist eine absolute Lachnummer, diese ‚Linksrutsch-Kampagne‘, die 20 Jahre alt ist.“Die SPD werde im Falle eines Wahlsieges „mit allen demokratischen Parteien“ Gespräche führen, betonte Walter-Borjans. Wörtlich: „Auch Gespräche mit der CDU“. Zugleich seien die Sozialdemokratendennoch geneigt, „etwas Neues“ zu probieren.

Eingeladen war auch die „FAZ“-Journalistin Helene Bubrowski. In der Sonntagsausgabe hatte ihre Zeitung – genau wie so manche andere zuvor – suggeriert, es seien in Wirklichkeit Walter-Borjans und die andere Parteivorsitzende Saskia Esken, die im Endeffekt entscheiden würden, mit wem die Partei eine künftige Koalition schließen kann und darf. Im Unterschied zu Olaf Scholz seien die beiden und der hinter ihnen stehende Parteiflügel in Bezug auf eine Koalition mit der Linkspartei wesentlich toleranter.

Die Co-Chefin der Partei Die Linken, Janine Wissler, bestätigte quasi diese Hypothese: „Ich gehe davon aus, dass über die Frage der Koalition nicht eine Person entscheidet (…) Am Ende entscheiden die Parteivorstände.“

Wechselstimmung in der Gesellschaft?

„FAZ“-Journalistin Bubrowski stichelte darauf: „Wir sehen, dass die Linkspartei, wo viele überhaupt nicht regieren wollten, jetzt offensichtlich sich auf das Regieren vorbereitet. Das ist eine interessante Neuigkeit.“Aus ihrer Sicht zeugt der sich anbahnende Wahlsieg der SPD keinesfalls von einer Wechselstimmung in der Gesellschaft. Im Gegenteil: Für viele Leute gehe der Prozess der Veränderung viel zu schnell.Wissler konterte in dem Sinne, dass zumindest eine Veränderung eben viel zu schnell gehe: Die Schere zwischen Arm und Reich gehe in den letzten Jahren immer weiter auseinander. Deshalb wären die Linken dafür, dass alle, die über eine Million im Jahr verdienen, ab dieser Million 75 Prozent Steuern zahlen. Immerhin betreffe dies nur ein Prozent der Bevölkerung.Für AfD-Spitzenkandidat Tino Chrupalla, der ebenfalls in der TV-Runde saß, wäre es wiederum besser, ziemlich alle Steuern – bis auf die Einkommens- und die Umsatzsteuer – abzuschaffen. Stattdessen sollte bei den Ausgaben gespart werden, etwa bei den Migranten und den EU-Beiträgen. Am besten sollte Deutschland überhaupt aus der Europäischen Union (EU) austreten.

„Viele Gemeinsamkeiten zwischen Grünen, SPD und Linken“

In der „Anne Will“-Runde hatte der AfD-Mann allerdings nicht viel zu reden, denn eine Koalition mit dieser Partei käme (vorerst?) für niemand in Frage. Ein rot- rot-grünes Konstrukt aber wird dafür immer wieder zur Sprache gebracht – zumindest als „Schreckgespenst“. Linkspartei Kovorsitzende Wissler gab dem Thema zusätzlichen Nährstoff, indem sie behauptete:

„Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen Grünen, SPD und Linken, um soziale Gerechtigkeit durchzusetzen.“Da sah sich die Talkmasterin anscheinend in der Pflicht einzugreifen, um dem „Schreckgespenst“ klare Konturen zu verleihen. „Sie sind 20 Jahre lang, bis September 2020, Mitglied eines trotzkistischen Netzwerkes ‚Marx21‘ gewesen, das in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird“, sagte Will zu Wissler.Sie zitierte dazu ein paar Passagen aus programmatischen Texten des Netzwerks, in denen es um eine „Überwindung des Kapitalismus“ und um eine „Entmachtung der herrschenden Klasse“ ging. Etwaige Regierungsbeteiligungen lehnte das Netzwerk zugleich ab.„Ich sehe überhaupt keinen Grund, mich von irgendetwas zu distanzieren“, entgegnete die Spitzenpolitikerin der Linkspartei. „Wir haben eine zutiefst ungerechte Weltwirtschaftsordnung (…) Außerdem rede ich hier für die Linke und nicht für irgendein Netzwerk.“Wie dem auch sei: Eine Präsenz von „Trotzkisten“ in der künftigen Bundesregierung erscheint spätestens nach diesem Intermezzo im Ersten schwer vorstellbar. Das Schreckgespenst geht weiterhin in Deutschland um – in roten Socken.

Quelle!:

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