Freitag, Mai 3, 2024
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Afghanistan-Drama bei „Maischberger“: Der „naive Liberalismus“ und die „verratenen Werte“

Ratlosigkeit und Verzweiflung, aber auch die Suche nach Schuldigen und Verantwortlichen des Afghanistan-Dramas haben den „Maischberger“-Talk am Mittwochabend geprägt. Auch ein Rücktritt der Bundesregierung wurde gefordert. Was fehlte, war der logische Schluss, den Deutschland daraus für sein außenpolitisches Grundkonzept endlich ziehen sollte.Als Einstieg in die Sendung am Mittwoch in der ARD kam eine Anreihung von zum Verwechseln ähnlichen Bildern: Wie Vietnamesen vor einem halben Jahrhundert über die Mauern zum Flughafen kletterten und in aller Hektik die letzten amerikanischen Flugzeuge erstürmten – und wie Tausende von Afghanen im August 2021 in Kabul das Gleiche taten.„Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich manchmal“, kommentierte der ZDF-Moderator Theo Koll die Bildreihe. Das Schlimmste dabei sei: „Wir haben unsere Werte verraten, indem wir nicht dafür gesorgt haben, dass wir die Menschen retten, die uns dort unterstützt haben.“ Und:

„Die Werte, die, wie wir meinten, diesem Land guttun, haben dort nicht gegriffen (…) Uns wird vor Augen geführt, dass die westlichen Werte nicht überall die Attraktivität haben, von denen wir dachten, es sei so.“

„Es klebt an Biden“

An Schuldzuweisungen hat es bei „Maischberger“ nicht gemangelt. Angeprangert wurden die Sicherheitsdienste, die vom „Blitzkrieg“ der Taliban* in blamabler Weise überrascht waren, die Bundesregierung, die sich einer „Nachsorgepflicht“ für die afghanischen Unterstützter der westlichen „Demokratisatoren“ entledigt hat, und der „naive Liberalismus der USA“.

Die Hauptverantwortung „klebt an Biden“, sagte „Welt“-Chefreporterin Anna Schneider. Diese Einschätzung teilte der aus Bonn zugeschaltete CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. „Die entscheidende Verantwortung liegt nicht in Deutschland, sie liegt leider im Weißen Haus in Washington“, erklärte er und fügte hinzu: „Es ist für mich ganz bitter festzustellen (…) Joe Biden hat sich als Vollstecker der irrsinnigen Politik von Donald Trump betätigt.“Ganz entschieden wies Röttgen aber die Verantwortung der Unionsfraktion ab, die einen im Mai gestellten Antrag der Opposition zurückgewiesen hatte, „Ortskräfte und Botschaftsangehörige“ aus Afghanistan zurückzuholen. Sein fadenscheiniges Gegenargument lautete: „Ich habe dagegen gestimmt, weil dies nicht mit Anträgen im Bundestag beschlossen wird. Es hat am aktuellen Regierungshandeln gefehlt.“„Ich darf darauf hinweisen, dass wir eine parlamentarische Demokratie sind“, konterte der Linke-Urgestein Gregor Gysi bissig. „Wenn das Parlament mit einer Mehrheit beschlossen hätte, die Ortskräfte sofort zurückzuziehen, dann hätte die Regierung die Demokratie verletzt, wenn sie das nicht gemacht hätte.“

„Ein Scheitern des Westens und Deutschlands“

Zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr hatten Gysi und Röttgen grundverschiedene Standpunkte: „Es hat keinen Sinn, mit militärischen Mitteln Afghanistan umstülpen zu wollen“, betonte Gysi, der außenpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke, der von Anfang an gegen den Einsatz gestimmt hatte. Röttgen (CDU) als Chef des Auswärtigen Bundestag-Ausschusses meinte dagegen, die Truppen hätten das Land viel zu früh verlassen: „Afghanistan war noch nicht so weit.“

„Das ist eine so schwere Niederlage der Bundesregierung, dass sie eigentlich zurücktreten müsste“, so Gysi, der allerdings im gleichen Atemzug einräumen musste, dies wäre wenige Wochen vor den Bundestagswahlen sinnlos.Zumindest hinsichtlich der Verantwortung der Bundesregierung musste Röttgen dem Konterpart zustimmen: „Die Verantwortung der Bundesregierung habe ich öffentlich benannt (…) Das ist ein Scheitern des Westens und ein Scheitern Deutschlands (…) Es ist ein Versagen, wo es auch die deutsche Verantwortung gibt, und das ist eine der Regierung.“Dennoch wäre er dagegen, dass das Debakel in Afghanistan zu einem Thema der Bundestagswahl wird. Sein Argument klang aber recht demagogisch: „Die Lage ist so ernst und dramatisch, dass ich diese Parteipolitisierung im Wahlkampf abstoßend finde.“Was bei der ganzen der Afghanistan-Debatte in der ARD, bei der es an den Schuldzuweisungen nicht fehlte, so gut wie ausgeblendet wurde: Hatte es Deutschland wirklich nötig, das Unterfangen der USA in Afghanistan 20 Jahre lang mitzumachen, dazu noch ohne jede Möglichkeit, sein Verlauf mitzubestimmen? Wird die nächste Bundesregierung vielleicht einsehen, dass es weder für die Bundesrepublik, noch für die „westlichen Werte“ einträglich ist, alles mitzumachen, was der jeweilige US-Präsident beschließt – sei das der verhasste Donald Trump oder der angehimmelte Biden?

*Unter anderem von der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (Armenien, Kasachstan, Kirgisistan, Russland, Tadschikistan, Belarus) als Terrororganisation eingestuft, deren Tätigkeit in diesen Ländern verboten ist.

Quelle!:

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