Samstag, April 27, 2024
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EU-Beitritt im Eilverfahren? Diese Hürden müsste die Ukraine überwinden

Am Dienstag hat der ukrainische Präsident Wladimir Selenski mit einem emotionalen Appell im EU-Parlament eindringlich die Aufnahme seines Landes in die Europäische Union gefordert. Auch ein Antrag auf den Beitritt im Eilverfahren ist von Selenski bereits unterschrieben worden. Wie schnell kann es gehen?„Wir kämpfen für unsere Rechte, für unsere Freiheit, für unser Leben. Und nun kämpfen wir ums Überleben“, sagte Selenski am Dienstag per Videoschalte im EU-Parlament. „Aber wir kämpfen auch, um gleichwertige Mitglieder Europas zu sein.“ Die EU werde mit der Ukraine deutlich stärker werden, sagte er weiter. „Das steht fest.“ Die Ukraine habe ihre Stärke bewiesen. „Beweisen Sie, dass Sie bei uns sind“, forderte er vom EU-Parlament.

„Beweisen Sie, dass Sie tatsächlich Europäer sind.“Am Montagabend hatte Selenski auch einen entsprechenden Mitgliedschaftsantrag unterzeichnet, aufgrund des Krieges im Eilverfahren. In seinen Worten hieß es „unverzügliche Aufnahme der Ukraine nach einer neuen speziellen Prozedur“, anders als es normalerweise ist: lang und mit vielen Hürden. Denn zwischen der Ukraine und der EU gibt es bisher nur ein Assoziierungsabkommen, mit dem das Land an EU-Standards herangeführt werden soll.

Wer ist bereits dafür?

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen unterstützte die andauernde Forderung von Selenski bereits auf der Pressekonferenz am Sonntag. Auf eine Frage einer Reporterin des Senders Euronews nach einer Aufnahme des Landes in die Gemeinschaft sagte sie:

„Im Laufe der Zeit gehören sie tatsächlich zu uns. Sie sind einer von uns und wir wollen sie drin haben.“Über einen Beitritt entscheidet aber nicht die Kommissionschefin alleine. Das Europäische Parlament müsste zunächst dem Beitritt mit der absoluten Mehrheit der Mitglieder zustimmen. Danach müsste der Europatrat einstimmig zustimmen. Am Ende müssten die Staats- und Regierungschefs der EU und der Beitrittsländer die Beitrittsabkommen unterzeichnen.Die EU-Parlamentsfraktionen mit Ausnahme der rechtsnationalen ID-Fraktion stimmten am Dienstag über eine Resolution zum raschen Beitritt der Ukraine ab. In dem Text werden die EU-Institutionen aufgefordert, dem Land den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu verleihen. In der Zwischenzeit soll der Resolution zufolge weiter darauf hingearbeitet werden, den ukrainischen Markt in den Binnenmarkt der EU zu integrieren.Eine neue spezielle Prozedur wäre aber ein Präzedenzfall. Am Montagabend forderten auch die Präsidenten von acht ost- und zentraleuropäischen Staaten in einem offenen Brief, der Ukraine sofort den Status eines Beitrittskandidaten zur EU zuzubilligen und entsprechende Verhandlungen zu beginnen. Die Unterzeichner sind Staatschefs von Bulgarien, der Tschechischen Republik, Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowakei und Slowenien.

Was ist die Position der deutschen Bundesregierung?

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat sich bisher zurückhaltend zu einem raschen EU-Beitritt der Ukraine geäußert. Es sei allen bewusst, dass „ein EU-Beitritt nichts ist, was man in einigen Monaten vollzieht“, so Baerbock am Montag nach dem Treffen mit ihrem slowenischen Kollegen Anze Logar in Berlin. „Die Ukraine ist Teil des Hauses Europa“, sagte sie weiter, und die Türen der EU würden offen stehen. Es geben aber über die EU hinaus viele europäische Institutionen, die gemeinsam für Frieden und Sicherheit auf dem europäischen Kontinent sorgen würden. In der Ukraine werde das europäische Wertesystem aber bereits mit dem Blut der Ukrainer verteidigt, merkte der slowenische Außenminister Logar dazu an.Der EU-Ratspräsident Charles Michel hat der Ukraine eine ernsthafte Prüfung des Gesuchs um einen EU-Beitritt zugesagt. Es ist allerdings unklar, wie der EU-Beitritt in einem Eilverfahren aussehen könnte. In einem normalen Verfahren beauftragt der Europarat die EU-Kommission aber, die Fähigkeit des Landes zu einer EU-Mitgliedschaft zu überprüfen. Dafür gibt es gewisse Beitrittskriterien.

Bei welchen Kriterien hat die Ukraine Nachholpotential?

Vor allem, ein Land muss eine Demokratie sein, den Kriterien des EU-Binnenmarktes genügen und denen der Rechtsstaatlichkeit. Hier gibt es Defizite, vor allem bei der Korruption. Im Korruptionswahrnehmungsindex lag die Ukraine 2021 auf dem Platz 122. Zum Vergleich: Bulgarien liegt da auf dem 69 Platz. Dazu sei ein Großteil der ukrainischen Medien im Besitz von Oligarchen, schrieb der MDR im Dezember 2021. Diese hätten weniger eine unabhängige Berichterstattung, sondern vor allem ihre Geschäftsinteressen im Sinn.

Weitere Punkte sind Wahrung der Menschenrechte, einschließlich der Minderheitenrechte. Es bleibt damit unklar, ob das das ukrainische Sprachgesetz, das unter anderem das russische Zurückdrängen soll, mit dieser Forderung übereinstimmt. Dazu gilt noch, dass ein Land keine Grenzstreitigkeiten haben darf.Dazu kommt noch eine generell schwache Wirtschaft. Für das Jahr 2021 belief sich das BIP pro Kopf in der Ukraine auf rund 4384 Dollar. Zum Vergleich: in Bulgarien betrug das BIP pro Kopf 2021 11.332 Dollar und in Russland 11.331 Dollar. Es ist ganz offensichtlich, dass die Ukraine durch einen EU-Beitritt ein weiterer Nettoempfänger der EU würde.

Quelle!:

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