Montag, Mai 6, 2024
StartPolitikEuropaFür Nawalny und gegen „Unrechtsregime“: FDP-nahe Naumann-Stiftung fantasiert über Strafen für Putin

Für Nawalny und gegen „Unrechtsregime“: FDP-nahe Naumann-Stiftung fantasiert über Strafen für Putin

Die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung macht sich Sorgen um den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny und die Menschenrechte in Russland. Das erscheint legitim, bis die Diskutanten die Ampel-Regierung dann plötzlich indirekt auffordern, selbst die Kinder der „Gruppierung um Putin“ zu sanktionieren.Am Montagabend hat der Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung und einstige Finanzminister von Sachsen-Anhalt, Karl-Heinz Paqué, ein Büchlein mit vier Reden von Alexej Nawalny vor Gericht in einer Online-Veranstaltung vorgestellt. Es heißt wörtlich: „Alexei Nawalny: Schweigt nicht! Reden vor Gericht“. Sein kleines Buch sei ein großer Ruf nach Freiheit, schrieb Paqué zuvor in einer Rezension zu dem Buch.Die 50-seitige Broschüre wurde vom Droemer-Verlag allerdings nur für das deutsche Publikum zusammengestellt und nicht von Nawalny selbst geschrieben. In seinen Auftritten vor Gericht im Januar und Februar 2021 äußert Nawalny seine Empörung über Präsident Putin persönlich, den „diebischen Opa“, sowie über das politische und das Rechtssystem Russlands, ohne an Beleidigungen zu sparen. Für Paqué steht jedoch fest: Mit diesen Reden steht Nawalny in der Reihe der Dissidenten von Solschenizyn bis Sacharow.Nun hat sich Paqué mit dem deutschen Rechtsanwalt von Nawalny, Dr. Nikolaos Gazeas, der ehemaligen FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der ehemaligen Auslandskorrespondentin für das Deutschlandradio in Moskau Dr. Gesine Dornblüth getroffen, um über die Presse-, Medien- und Meinungsfreiheit in Russland zu diskutieren – mit Nawalnys Reden als Aufhänger. Nawalny selbst wurde in der Beschreibung zum Event als „unbeugsame Stimme“ präsentiert, die sich für die Menschenwürde und „ein freies, glückliches Russland“ einsetze.

Fragen unerwünscht?

Über eine Stunde lang diskutierten Paqué und seine Gäste also über das aus der Sicht des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs unrechtmäßige Urteil Nawalnys im Fall des französischen Kosmetikkonzerns Yves Rocher, warfen Putin und den russischen Sicherheitsdiensten erneut die Vergiftung Nawalnys vor, kritisierten die Einstufung der „Antikorruptionsstiftung FBK“ von Nawalny als extremistische Organisation und prangerten generell das Procedere der Einstufung seiner und anderer Organisationen als „ausländische Agenten“ an. Dieses Procedere lehnt sich an ein US-Gesetz aus den 1930er Jahren an, das die Einflussnahme von Nazideutschland in den USA unterbinden sollte – und wird eingeleitet, wenn eine Organisation etwa sogar teilweise aus dem Ausland finanziert wird. Im Grunde genommen überschneidet sich die Kritik der Redner am russischen Staat mit der von internationalen Menschenrechtsorganisationen und ist nicht ganz unbegründet.

Die Tatsache, dass man sich solch eine Veranstaltung zwar anschauen darf, aber jegliche Fragen aus dem Publikum dabei unerwünscht sind, hinterlässt jedoch einen schlechten Nachgeschmack. Anders als bei den früheren Diskussionen mit Russland-Bezug, haben die Veranstalter diesmal den Teilnehmer-Chat ausgeschaltet und damit auch schriftliche Fragen an die Diskutanten unmöglich gemacht.Als die Redner dann noch zu dem Schluss kamen, dass der russische Staatsapparat alle Merkmale eines „Unrechtsregimes“ habe und es „keine richtig hoffnungsfrohe Perspektive“ gebe, fragten sie: Was kann man dagegen tun? Leutheusser-Schnarrenberger erzählte von ihren Ratschlägen an das Auswärtige Amt, Russland aus dem Europäischen Rat auszuschließen – und bemängelte, dass da nichts passiert sei.

„Nawalny und sein Team haben uns eine klare Empfehlung gegeben“

Paqué stellte sich auf die Seite Nawalnys und zitierte völllig begeistert aus der Broschüre den direkten Aufruf Nawalnys zu Protesten. „Das Einzige, was das Böse zu seinem Triumph braucht, ist die Untätigkeit guter Menschen. Bleibt nicht untätig, das ist der Tenor dieses dieses kleinen Büchleins“, wiederholte Paqué. „Ihr müsst aufstehen“ – dann reiche es vielleicht für eine landesweite große Protestbewegung. Was die neue Ampel-Regierung mit Beteiligung der FDP angeht, redete Paqué weiter, müsste sie Putin klare Kante zeigen. Wie denn?„Nawalny und sein Team haben uns eine klare Empfehlung gegeben. Sie haben 40 Namen genannt. Und das ist natürlich die Gruppierung rund um Putin. Die wirklich reichen Menschen, die auch Putins Projekte finanzieren, die müsst ihr sanktionieren, weil die genießen im Augenblick ihr Geld weiterhin ungehindert an der Côte d’Azur und in London“.Auch Leutheusser-Schnarrenberger sprach sich vehement für eine Politik der gezielten Sanktionen aus. Sie sehe keinen Weg, wie man von der Sanktionspolitik wegkomme, auch wenn Sanktionen nicht zur Verhaltensänderung beitragen dürften. Und hier glänzte schon der Rechtsanwalt Gazeas mit einem Vorschlag, der an demokratischen Grundsätzen wohl kaum zu überbieten ist:

„In vielerlei Hinsicht hatten wir bislang in der Hinsicht nur symbolische Sanktionen“, so Gazeas. „Denn wenn ich jemanden mit einem Einreiseverbot und mit Sperrung von Konten bedrohe, der in den letzten zehn Jahren nicht in der EU war und nicht beabsichtigt, in die EU zu reisen und ebenso keinen kontrolliert, dann geht das nur ins Leere“.Wenn man dies aber bei Oligarchen tun würde, die vor allem die Vorzüge der freien Welt genießen würden, „in dem sie nämlich in London shoppen gehen und an der Côte d’Azur gerne Urlaub machen“ und indem deren Kinder an den entsprechenden Universitäten im europäischen Ausland studieren wollen oder in den USA“ <…> „Wenn das nicht mehr möglich ist“, führte Gazeas aus, dann bringe es vielleicht eine Veränderung.„Wenn diejenigen, die das Putin-Regime unterstützen, wissen, mit welchen Einbußen sie dann zu rechnen haben, denkt man vielleicht auch über die Frage der Unterstützung noch mal etwas anders nach.“

Diejenigen, die Putin unterstützen..?

Und gerade an dieser Stelle bleiben viele Fragen offen. Wer gilt als Unterstützer Putins? Vielleicht gleich alle, die Putin gewählt haben? Als Nawalny noch in Deutschland war, plädierte er in der „Bild“-Zeitung für Sanktionen gegen alle „Profiteure des Putin-Regimes“. Ein „ermutigendes“ Sanktionsangebot an den „lieben Präsidenten“ Joe Biden gegen 35 mögliche Verantwortliche im Fall Nawalny übermittelte dann auch Nawalnys Vertrauter Wladimir Aschurkow als „Teil Ihres allgemeinen Umgangsansatzes für Russland“.

Nawalny forderte aber sogar gegen den Star-Dirigenten Valeri Gergijew, weil dieser Putin seit Jahren unterstützt, Einreisesperren in Europa. „99 Prozent aller Russen werden das begrüßen“, beharrte Nawalny ohne jede Begründung. Auch die FBK-Leiterin für Ermittlungsarbeit, Maria Pewtschich, sorgte z.B. mit hasserfüllten Versprechen für Aufsehen. „Schurken, Lügner, schamlose Huren und Feinde Russlands. Wir werden ausnahmslos alle Beteiligten hinter Gitter schicken“, schrieb sie auf Twitter. Wen sie mit „allen Beteiligten“ meinte, blieb unklar. Es wäre also schon wünschenswert, wenn die Naumann-Stiftung sich auch mit Nawalnys Team, auf dessen Empfehlungen es so achtet, einmal kritisch auseinandersetzen würde.

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