Sonntag, Mai 5, 2024
StartPolitikEuropa„Mutti“ tritt ab – Verwaist das deutsche Volk?

„Mutti“ tritt ab – Verwaist das deutsche Volk?

Mit Angela Merkel verabschiedet sich eine Politikerin von den Bundesbürgern, die seit Jahren den Spitznamen „Mutti“ trägt. Der Spitzname mag ironisch gemeint sein, ihr Abtreten dürfte aber für manche sicherlich einen schweren psychologischen Stress verursachen. Zum Teil erklärt das die politischen Krämpfe bei die Suche nach einem Ersatz.Zwar mag die Behauptung für manche etwas übertrieben klingen – in gewissem Sinne dürfte aber das Abtreten von Bundeskanzlerin Angela Merkel für viele in diesem Land mit dem Verlust einer engen Blutsverwandten vergleichbar sein. Kaum jemand wäre etwa auf die Idee gekommen, ihren Vorgänger Helmut Kohl als „Vati“ zu bezeichnen, obgleich er genauso lang wie Merkel an der Spitze der Bundesregierung gestanden hat. Kaum jemand konnte, geschweige denn wollte in ihm ein Familienmitglied sehen. Trotz des Wiedervereinigung-Hypes und seiner Würdigung als „Kanzler der Einheit“ wurde Kohl eines Tages abgewählt.Wäre Merkel an der CDU-Spitze geblieben, hätte die Union die Wahlen 2021 vermutlich recht problemlos gewonnen. Trotz des seit geraumer Zeit angekündigten Abtretens wird sie heute nicht als „lahme Ente“ abgeschrieben – sie ist laut Umfragen weiterhin die populärste Politikerin Deutschlands.Liegt das vielleicht nicht nur an ihr, sondern an den Deutschen selbst? Brauchten sie vielleicht gerade eine Frau an der Landesspitze, die ihre nicht realisierten mütterlichen Instinkte in einer auf politische Weise sublimierten Form auszuleben versuchte – was bei so manchen Bundesbürgern gut angekommen ist.

Was Siegmund Freud dazu sagen würde

„Mit dem Übernamen erneuerten die Deutschen in der Amtszeit Merkels nochmals ihre typische Erwartungshaltung: Mit dem Schnuller im Mund gibt man die Eigenverantwortung ab.“Dies ist ein Zitat aus dem kürzlich in der „Neuen Zürcher Zeitung“ veröffentlichten Artikel, der den Titel „Was wird aus den Deutschen, wenn Mutti weg ist“ trägt. Die Autorin, Claudia Schwartz, will gewisse Freud´sche Motive im Verhältnis zwischen der ersten Kanzlerin und dem deutschen Volk diagnostiziert haben.

Laut dieser Behauptung, die natürlich ziemlich überheblich, ja nahezu hämisch wirken mag, hätte sich „die große Mehrheit“ der Deutschen in den von Merkel geschaffenen „entpolitisierten Verhältnissen“ gerade „gut aufgehoben“ gefühlt, während die Kanzlerin diesen Infantilismus ausgenutzt und gefördert habe. Vielen Deutschen haben danach quasi ihre sanfte mütterliche Strenge und ihre fürsorgliche Bevormundung gefallen.

„Man kann ihrer Politik allerlei vorwerfen in der Flüchtlingsfrage, bei der Energiewende, bei vielen liegengebliebenen Themen von Bildung über Bürokratieabbau bis Bundeswehr“, schrieb die „NZZ“-Autorin.

„Es lässt sich dabei nicht von der Hand weisen, dass hier das mütterlich Fürsorgliche oft unvermittelt ins Autoritäre überging.“Momentan kann man sich unmöglich vorstellen, dass ein Armin Laschet (CDU) oder ein Olaf Scholz (SPD) – ob heute oder in vier Jahren, sollte einer von denen wiedergewählt werden – den Spitznamen „Vati“ bekommen würde. Das gleiche gilt auch für Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) – allein schon wegen ihres Alters und trotz ihrer ständigen Bemühungen, ihre Rolle und ihre Sorgen als Familienmutter zu betonen.Sollte die Theorie der „NZZ“-Autorin stimmen, würde diese auch eine Erklärung dafür sein, warum bis zu 40 wahlberechtigten Bundesbürgern eine Woche vor dem Wahltermin noch keine Entscheidung in Bezug auf ihre bevorstehende Stimmabgabe getroffen haben. Zwar liegt Scholz seit Monaten in den Umfragen vorne, wen der drei Top-Kandidaten die Deutschen als Kanzler vorziehen würden. Noch mehr Wahlberechtigte stimmen aber in dieser Umfrage für die Variante: „Keinen von denen.“

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