Montag, April 29, 2024
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„Sehr rücksichtslos“: Aktivistin stellt Ghani und Biden mit Blick auf Afghanistan an den Pranger

Eine der prominenten afghanischen Aktivistinnen, Fatima Gailani, hat die derzeitige US-Regierung und den ehemaligen afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani für die Machtübernahme der Taliban* im Land verantwortlich gemacht. Darüber und über ihre Zukunftsvision für Afghanistan sprach sie im jüngsten Interview mit der Deutschen Welle (DW).Fatima Gailani ist eine von den vier Frauen, die in den vergangenen elf Monaten in der katarischen Hauptstadt Doha Friedensgespräche mit den Taliban geführt haben. Nachdem Kabul am 15. August in die Hände der militanten Islamisten fiel, scheinen diese Bemühungen nun ferne Vergangenheit zu sein.Nach dem Sturz des Taliban-Regimes durch die US-geführte Intervention im Jahr 2001 wurde Fatima Gailani Verfassungskommissarin und half bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung Afghanistans, die nach dem Einmarsch der Taliban faktisch für nichtig erklärt wurde.

Ghani und Biden sind mitverantwortlich

Im Interview mit dem deutschen Auslandssender Deutsche Welle zeigte sich die Frauenrechtlerin „schockiert“ darüber, dass Aschraf Ghani, der ehemalige afghanische Präsident, sein Land kurz vor einer „nahen geordneten Machtübergabe“ verlassen habe.

Zur Last legte Gailani ihm unter anderem, dass er, „um sein Geld zu retten“, geflohen sei, und schob ihm die Schuld für die jetzige Lage in Afghanistan in die Schuhe. Dieser Verräter werde nicht ungeschoren davonkommen, so die Aktivistin.

Ferner sprach sie sich dahingehend aus, dass man die ganze Schuld für das sich in den letzten vier Jahrzehnten in Afghanistan Abspielende natürlich nicht auf eine einige Person abwälzen könne – da lägen nämlich „Schuldketten“ vor. In der derzeitigen Situation habe aber Ghani sein Land und seine Menschen verraten, „die ihm sehr nahe standen“. Seine „Oscar-würdige Schauspielerei“ habe die Menschen glauben lassen, dass er bis zur letzten Minute bleiben werde.Darüber hinaus teilte die Aktivistin dem Sender mit, dass sie nach ihrer Behandlung nach Kabul zurückkehren werde, weil dort ihr Mann und ihre beiden Brüder zurückgeblieben seien. Zuerst wolle sie aber nach London zu ihrem Onkologen fahren und sich dort ein paar Wochen ausruhen, weil sie „furchtbar erschöpft“ sei.Auf die Frage, was Gailani dem US-Präsidenten, Joe Biden, im Moment sagen würde, verurteilte sie sein Verhalten aufs Schärfste und meinte, dass alles, was Biden Afghanistan angetan habe, „sehr, sehr rücksichtslos“ gewesen sei:„So sehr wir Ashraf Ghani die Schuld geben und ich ihn offen einen nationalen Verräter nenne, so würde ich Biden auch sagen, dass sich eine Supermacht nicht so verhalten sollte.“

„Wir müssen vergessen, wer Gewinner und wer Verlierer ist“

Nach Gailanis Meinung liegt es derzeit vor allen Dingen an den Taliban und an der internationalen Gemeinschaft, was nun aus Afghanistan wird. Die Taliban, so die Aktivistin, müssten die Menschen in Afghanistan an erste Stelle setzen, um den Frieden zu sichern. Diese Sicherung sieht sie nämlich in „einer echten, integrativen Regierung“.Zudem drückte sie ihre Besorgnis darüber aus, dass die Taliban in gepanzerten Autos patrouillieren und Daesh** (das arabische Wort für die Terrormiliz „Islamischer Staat“ in Afghanistan – Anm. d. Red.) Bomben auf die Straße legen könnten, sollten keine Maßnahmen ergriffen werden.Sollte es nicht dazu kommen, würden einfache, unschuldige Zivilisten auf den Kabuler Straßen sterben.„Wir müssen wirklich vergessen, wer der Gewinner und wer der Verlierer ist. Alles, was uns heute wichtig sein sollte, sind die Menschen in Afghanistan“, appellierte Fatima Gailani.Die Aktivistin bat unter anderem nachdrücklich, ihre Worte zu veröffentlichen:„Ich wollte nicht, dass ausländische Soldaten in Afghanistan bleiben. Was ich wollte, war: an erster Stelle Frieden. Also, zuerst die Ruhe zu sichern und dann dorthin zu gehen, wo man hin will. Als wir über den geordneten Abzug ausländischer Truppen sprachen, meinten wir nicht, dass die Soldaten der Nato für den Rest ihres Lebens bleiben sollten. Nein! Sie haben in Doha einen Vertrag mit den Taliban geschlossen und es gehörte eine politische Regelung dazu. Aber wo ist diese politische Lösung? Wo ist sie?“

Afghanischer Ex-Präsident auf der Flucht

Die Lage in Afghanistan eskalierte, nachdem US-Präsident Joe Biden im April seine Entscheidung bekannt gegeben hatte, die US-Mission in Afghanistan zu beenden. Danach erhöhten die Taliban-Kämpfer das Tempo ihrer Offensive und etablierten am 15. August innerhalb von mehreren Stunden kampflos die volle Kontrolle über Kabul.

Daraufhin legte der afghanische Präsident, Aschraf Ghani, sein Amt nieder und floh laut früheren Berichten mit großen Geldsummen aus Afghanistan – nach seinen Worten, „um ein Blutvergießen zu verhindern“. Der Betrag belief sich einigen Spekulationen zufolge auf etwa 169 Millionen Dollar.

Zunächst wurden Tadschikistan und Usbekistan als seine Aufenthaltsorte angegeben, bevor das Außenministerium der Vereinigten Arabischen Emirate am Mittwoch bestätigte, dass Ghani und seiner Familie die Einreise in das Land aus „humanitären Gründen“ gestattet wurde.Letzte Woche hatte sich Ghani über die sozialen Netzwerke an die Nation gewendet und erklärt, er wolle in naher Zukunft nach Afghanistan zurückkehren, um allen Staatsangehörigen „Gerechtigkeit“ zu gewährleisten. Ferner hatte der Ex-Präsident versprochen, er werde die Ereignisse, die ihn zur Flucht bewegt hätten, zu einem späteren Zeitpunkt erläutern.

*Unter anderem von der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (Armenien, Kasachstan, Kirgistan, Russland, Tadschikistan, Belarus) als Terrororganisation eingestuft, deren Tätigkeit in diesen Ländern verboten ist.

**Islamischer Staat (IS, auch Daesh) – Terrorvereinigung, in Deutschland und Russland verboten.

Quelle!:

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