Sonntag, April 28, 2024
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CO2-Preis „faktisch wie eine Steuer“ – Kritik am Klimaschutzgesetz

Das Klimaschutzgesetz sorgt zwar für mehr Transparenz, aber es bleibt, genau wie das „Klimapaket“, deutlich hinter den Erwartungen zurück. Dazu gehören der zu niedrige CO2-Preis und rechtliche Probleme. Das findet jedenfalls Simon Schäfer-Stradowsky, Geschäftsführer des Instituts für Klimaschutz, Energie und Mobilität, im Sputnik-Interview.

Das Klimaschutzgesetz wurde verabschiedet und hat neue Verbindlichkeiten in Sachen Klima rechtlich festgelegt, welche die Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie betreffen. Bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes waren Stimmen laut geworden, denen die Fassung des Gesetzes nicht weit genug geht.

Kein gemeinsamer Mechanismus für Sektoren

Simon Schäfer-Stradowsky ist Geschäftsführer des Berliner Instituts für Klimaschutz, Energie und Mobilität, dessen zentrales Anliegen die Energie- und Mobilitätswende darstellt. Auch Schäfer-Stradowsky  verwundert die verabschiedete Fassung des Gesetzes: „Dass die im Klimapaket getroffenen Vereinbarungen keinen Widerhall im Klimaschutzgesetz finden, überrascht schon. Denn das Klimaschutzgesetz thematisiert die Emissionsreduktionsziele pro Sektor und versucht verbindliche Vorgaben zu machen. Das hat aber unmittelbare Auswirkungen auf den im Klimapaket vereinbarten Emissionszertifikatehandel in den Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie“, findet er im Sputnik-Gespräch. Laut Schäfer-Stradowsky wäre das Klimaschutzgesetz der richtige Ort auch für die Schaffung eines „sektorenübergreifenden Mechanismus“ gewesen.

„…alles könnte der Bund zentral alles festlegen“

Zwar ziele das Klimaschutzgesetz auf Transparenz und Verlässlichkeit, beachte dabei aus Sicht des IKEM-Geschäftsführers aber zu wenig das föderale System der BRD. „Vielmehr wird so getan, als könnte der Bund zentral alles festlegen. Dabei betrifft der Gebäudesektor zum Beispiel in großem Umfang auch die Landes- und Kommunalebene. Ein Klimaschutz-Staatsvertrag wäre meines Erachtens nötig, um Brücken zwischen den Ebenen zu schlagen. Ähnlich wie beim Pariser Übereinkommen müssten die Länder Zielvereinbarungen und verpflichtende Maßnahmen hinterlegen“, so Schäfer-Stradowsky.

CO2-Preis? Zu niedrig – Alternativen? Ohne Rechtsrahmen

Auch das Ergebnis der Debatte rund um eine CO2-Steuer oder -Bepreisung betrachtet er mit gemischten Gefühlen. Es sei zwar „ein wichtiger Baustein zur Treibhausgasreduktion“. Doch für eine Wirkung sei der geplante Preis viel zu niedrig angesetzt. „Zudem wird offensichtlich der administrative Aufwand unterschätzt. Zur Einführung eines solchen Mechanismus und seiner effektiven Überwachung sind doch eine ganze Menge an Regelungen anzupassen, das braucht Zeit“, betont Schäfer-Stradowsky. „Daher wäre zum Einstieg eine Steuer womöglich die vielversprechendste Option, die dann schrittweise in ein Zertifikatehandelssystem überführt wird.“ Gleichzeitig gelte es, einen Rechtsrahmen für grüne Technologien zu schaffen. „Wenn zum Beispiel Erdgas teurer wird, muss die Produktion von grünem Gas rechtssicher ermöglicht werden. Da genügt eine CO2-Bepreisung mit Sicherheit nicht, angesichts des Paragraphendschungels im Energiewirtschaftsrecht“, merkt er an.

Doch eine CO2-Steuer? Emissionshandel „rechtlich kritisch“

Außerdem sieht der IKEM-Geschäftsführer die Einführung des Emissionshandels in der aktuellen Formulierung als „rechtlich kritisch“ an: „Zu Beginn dürfte er faktisch wie eine Steuer wirken. Dann müsste er aber auch genau wie eine Steuer ausgestaltet sein. Das geht verfassungsrechtlich derzeit wohl nur über eine Implementierung in die Energie- und Stromsteuern. Diesen Weg könnte man gehen. Dann hätte man auch genug Zeit einen echten Emissionshandel (also ohne feste Preisvorgaben) zu entwickeln, denn der birgt auch eine Vielzahl an rechtlichen Fallstricken. Bei einer rechtswidrigen Ausgestaltung droht natürlich eine Rückzahlungspflicht des Bundes“, glaubt der IKEM-Chef, der vor seiner Geschäftsführertätigkeit auch ein auf Energierecht spezialisierter Rechtsanwalt gewesen ist.

Ergebnisse des Klimarats sollten öffentlich sein

Die Schaffung eines sogenannten „Klimarats“ sieht Schäfer-Stradowsky positiv, denn schließlich soll jemand prüfen, welche Anstrengungen vorgenommen und welche Ergebnisse erreicht werden. Er gibt aber auch zu bedenken: „Wichtig wäre, dass die Ergebnisse der Kommission öffentlich sind. Dass man sich von einer Kommission nichts diktieren lassen will, ist dabei auch klar. Hier geht es immer auch um politische Kompromisse, die kann man nicht durch Expertenrat ersetzen. Ich frage mich nur, warum kein Rechtswissenschaftler in dem Gremium sitzen soll, wo es doch ganz offensichtlich um erheblichen rechtlichen Anpassungsbedarf mit hoher Verfassungsrelevanz geht“, legt der ausgebildete Jurist und in einem Promotionsverfahren befindliche Stromexperte den Finger in die Wunde.

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