Donnerstag, April 18, 2024
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Synagogenbau gegen Antisemitismus des Halle-Attentäters

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff, Bundesinnenminister Seehofer in Halle wurde sowohl der Toten und Verletzten des Amoklaufes von Halle gedacht als auch die Reaktionen der Polizei am Tattag erklärt und Konsequenzen angekündigt.

Das große Podium auf der Hallenser Pressekonferenz ist eigentlich für Journalisten ein Ärgernis, weil im Regelfall viel Zeit mit Stellungnahmen vergeht, bis sie ihre Fragen stellen können. Aber erstens redeten im Wesentlichen nur die drei Politiker und zweitens hatten dieselben Journalisten für Erklärungsbedarf gesorgt, denn vor allem Politik und Polizei war wegen ihres Einsatzes in Halle in die Kritik geraten. Hauptvorwurf: Sie hätten zu spät reagiert und es gab keinen Schutz der Synagoge.

Deshalb verwendete Holger Stahlknecht, Innenminister von Sachsen-Anhalt viel Zeit darauf, minutengenau zu schildern, wann die Einsatzkräfte welchen Kenntnisstand hatten und wann sie wie reagierten und handelten bis der Täter rund eineinhalb Stunden nach Eingang des Notrufes festgenommen werden konnte. Demnach vergingen zwischen dem ersten Notruf aus der Synagoge und dem Eintreffen erster Einsatzkräfte sieben Minuten. Stahlknecht räumte ein, dass Menschen in Todesangst ein gänzlich anderes Zeitgefühl haben, aber insgesamt verteidigte er das Vorgehen der Polizeikräfte. Er wies auch darauf hin, dass bei der Polizei 25 weitere Notrufe eingingen, die sich auf 23 sogenannte Ereignisorte bezogen, was in solchen Extremsituationen leider Normalität sei, aber die Arbeit der Polizei natürlich nicht leichter macht.

Dass sich kein Streifenpolizist vor der Synagoge befand, erklärte Stahlknecht mit der Bedrohungsanalyse, die von den Kriminalämtern des Bundes und des Landes regelmäßig erstellt werden. Und demnach sei es Tatsache gewesen, dass es gegen die Hallenser Synagoge seit sechs Jahren keine Bedrohungen und Anfeindungen gegeben habe. Deshalb sei dieses Gotteshaus in die Kategorie sechs für Schutzmaßnahmen eingeordnet worden. Diese Kategorie sieht eine „unregelmäßige Bestreifung“ vor, wie Stahlknecht sich ausdrückte. Die Polizei habe also exakt das getan, was sie unter Berücksichtigung der Bedrohungsanalysen von BKA und LKA tun mussten.

Hätte ein Streifenpolizist vor der Synagoge den zweiten Mord verhindern können?

Das erschien dem Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, dennoch nicht ausreichend. Für ihn war es einfach nur „großes Glück“, dass Deutschland jetzt „nur“ zwei Tote und zwei Verletzte beklagen müsse. Denn die mit mehr als 60 Personen gefüllte Synagoge sei offenbar nur wegen ihres guten baulichen Zustandes in Bezug auf die Türsicherung nicht zum Schauplatz eines Blutbades geworden, was angesichts der Ausstattung des Täters diesem leider ein Leichtes gewesen wäre, wie Schuster meinte. Eine Funkstreife vor der Synagoge, insbesondere am wichtigsten Hochfest im jüdischen Glauben, hätte nach Überzeugung Schusters mindestens dem Ermordeten im Döner-Imbiss das Leben gerettet, weil der Täter im Zweifel schon vorher unschädlich gemacht worden wäre. Schuster verwies auf entsprechende Regelungen in Bayern, wo Polizisten an besonderen Feiertagen, jüdische Einrichtungen besonders schützen.

Schusters Heimatgemeinde ist Würzburg. Die Schutzmaßnahmen für jüdische Einrichtungen in Bayern wurden noch unter Ministerpräsident Horst Seehofer beschlossen. Der nunmehrige Bundesinnenminister betrauerte wie alle Anwesenden die beiden Ermordeten, eine 40-jährige deutsche Frau aus Halle, die von dem Mörder auf dem Friedhof in unmittelbarer Nähe zur Synagoge erschossen wurde und einen 20-jährigen Mann aus Merseburg, der an einem Döner-Imbiss in der Ludwig-Wucherer-Straße das Opfer des Attentäters wurde.

„Eine Schande für unser ganzes Land“

Das brutale Verbrechen sei „eine Schande für unser ganzes Land“, sagte Seehofer und ergänzte: „Wir müssen der Wahrheit ins Gesicht blicken, schon seit längerem ist die Bedrohungslage durch Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in Deutschland sehr hoch.“ Die Gewaltbereitschaft, die Waffenaffinität dieser Leute sei sehr hoch und neben dem islamistischen Terror, „die zentrale Herausforderung unseres Landes“, so der Innenminister.

Als Konsequenz aus den Ereignissen von Halle will Horst Seehofer das konsequent umsetzen, was er schon vor einer Weile angekündigt hatte, die erhebliche personelle Verstärkung der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern, denn der Kampf gegen Rechtsterroristen dürfe nicht zu Lasten anderer Aufgaben gehen. Darüber hinaus will er rechten Hass und rechte Hetze im Internet, Aufrufe zur Gewalt intensiver als bisher angehen. Das betreffe auch präventive Maßnahmen, weshalb er es gutheiße, dass Projekt gegen rechte Umtriebe und Ideologien weiterhin aus Bundesmitteln gefördert werden. Er will Konsequenzen aus dem Terroranschlag von Halle mit den Innenminister der Länder und den Experten der entsprechenden Einrichtungen auf Bundes- und Länderebene schon in den nächsten Tagen erörtern und einer Entscheidung zuführen.

Nach Israel auswandern ist keine Lösung für Deutsche jüdischen Glaubens

Seehofer möchte aber auch, „dass die Demokraten aufstehen“, wie er es nannte. Denn Deutschland habe sich und der Welt einen Schwur geleistet, „nie wieder, und gerade in solchen Stunden fühlen wir uns diesem Schwur ganz besonders verbunden.“ Und dann versicherte Seehofer dem neben ihm sitzenden Zentralratspräsidenten Schuster: „diese Bundesregierung wird alles tun, damit Juden in Deutschland ohne Angst, ohne Bedrohung leben können.“

Seehofer und Schuster bezeichneten die Aufforderung des israelischen Botschafters in Deutschland an hier lebende Juden, nach Israel auszuwandern als „nicht sinnvoll“. Josef Schuster erklärte, Rechtsextremismus wie in Deutschland erlebe er zwar in Israel nicht, aber ob er gegen antisemitischen Terror in Israel besser geschützt sei als in Deutschland wolle er „nicht unterschreiben“. Horst Seehofer hält es für sinnvoller, „in der Bildungspolitik die Grundlagen zu legen, für das Verständnis von Judentum oder den Holocaust.“ Und im Übrigen müsse die Antwort auf Terror wie den von Halle „Dialog und Rechtsstaat sein, nicht Flucht, dann hätten Terroristen ihr Ziel erreicht.“

Sachsen-Anhalt will zwei neue Synagogen auch als Zeichen gegen Antisemitismus bauen

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hatte für das „Aufstehen der Demokraten“, wie Horst Seehofer es von der deutschen Zivilgesellschaft erwartet, ein konkretes Beispiel. Sachsen-Anhalt halte jetzt erst recht am Neubauprojekt für zwei Synagogen im Land fest. „Diese Gesellschaft lässt sich nicht auseinanderbringen“, zeigte sich Haseloff überzeugt. Dass sich die Mitglieder der jüdischen Gemeinden in Sachsen-Anhalt und Deutschland sich so sicher fühlen können, dass sie sich nicht davon abgehalten fühlen, ihrem Alltag, auch dem religiösen offen nachzugehen, das sei eine geschichtliche Verantwortung dieses Staates.

„Wir wollen Gewaltverbrechen verhindern, nicht Bürgerrechte einschränken“

Haseloff erinnerte auch daran, dass den Sicherheitsbehörden dieses Landes rund 12.000 gewaltbereite Rechtsextremisten bekannt sind, die ganz offensichtlich skrupellos genug seien, auch mit brutalster Gewalt vorzugehen, um ihre politischen Ziele durchzusetzen. Dagegen müsse der Rechtsstaat vorgehen. Doch dazu müsse dieser Rechtsstaat auch die entsprechenden Mittel und Instrumentarien zur Verfügung haben. Das in die Gesellschaft zu vermitteln und mehrheitsfähig zu machen, sei nach Überzeugung Haseloffs auch Aufgabe der Medien.

Darin wurde er von Horst Seehofer unterstützt, der noch einmal eine Lanze für deutlich ausgeweitete Kompetenzen der Strafverfolgungsbehörden brach. Es sei eine gewaltige neue Herausforderung, der Vernetzung und den Aktivitäten rechter Gruppen im Internet zu begegnen, sagte Seehofer, wir „haben dort nicht die gleichen Möglichkeiten“ wie außerhalb des Internets. Aber wenn er das einfordere, dann „heißt es immer sofort, der will Bürgerrechte beschneiden“. Doch „wir wollen Gewaltverbrechen verhindern, das sind keine Einschränkungen von Bürgerrechten, da merken die Bürger gar nichts von, auch nicht sie Journalisten“, versicherte Seehofer.

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