Donnerstag, April 25, 2024
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Corona-Krise: Aufklärung statt Angstmache notwendig – Expertengruppe kritisiert Politik

Was haben die Beschränkungen des öffentlichen Lebens in der Corona-Krise gebracht? Wie sicher sind die Daten, auf die sich die Regierenden und ihre Berater stützen? Welche Alternativen gibt es, um mit dem Virus Sars-Cov 2 und der von ihm ausgelösten Krankheit Covid-19 umzugehen? Antworten hat eine Gruppe von Gesundheitsexperten erneut gesucht.

Die Krankheit Covid-19, die laut Weltgesundheitsorganisation WHO vom Virus Sars-Cov 2 ausgelöst wird, stellt keinen Anlass dafür dar, „alle Regeln, alles Gemeinsame, alles Soziale in Frage zu stellen oder sogar außer Kraft zu setzen.“ Das schreiben sechs Gesundheitsexperten in einem neuen Thesenpapier zur Corona-Krise. Sie hatten sich bereits Anfang April dazu zu Wort gemeldet.

Covid 9 sei eine „typische Infektionskrankheit“, die „enorme Auswirkungen auf die Gesundheit“ wie auf das Gesundheitswesen und die sozialen Systeme habe. Aber sie erfordere bessere gesellschaftliche Antworten als nur den „mechanistischen Reflex zu ‚Kontaktsperren‘ und ‚sozialer Isolation‘“. Dazu sei auch eine bessere und genauere Datenlage ebenso wie eine bessere politische Strategie und Kommunikation notwendig.

Zu den Autoren des neuen Papiers gehören Matthias Schrappe von der Universität Köln, ehemaliger Vize-Vorsitzender des Sachverständigenrates Gesundheit, Hedwig François-Kettner, Pflegemanagerin und Beraterin, Franz Knieps aus Berlin, Jurist und Vorstand eines Krankenkassenverbands, Holger Pfaff von der Universität Köln, Zentrum für Versorgungsforschung, Klaus Püschel vom Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sowie Gerd Glaeske von der Universität Bremen, Ex-Mitglied im Sachverständigenrat Gesundheit.

Konstruktive Kritik

In 23 Thesen schlagen sie in ihrem 77-seitigen Papier eine andere Vorgehensweise von Politik und Behörden in der Corona-Krise vor. Zugleich machen sie deutlich, warum ein Kurswechsel notwendig ist und warnen wie andere Experten ebenfalls vor den Kollateralschäden des bisherigen Vorgehens. Das haben sie unter das Motto „Datenbasis verbessern – Prävention gezielt weiterentwickeln – Bürgerrechte wahren“ gestellt. Sie stützen sich dabei auf zahlreiche Untersuchungen und Studien.

Die Wissenschaftler vermissen weiterhin repräsentative Studien zur Ausbreitung von Virus und Krankheit. Diese könnten darüber Auskunft geben, wie stark die bundesdeutsche Bevölkerung tatsächlich betroffen ist. Ebenso müssten sogenannte Hochrisikogebiete genauer untersucht werden, nicht nur der Hotspot im Landkreis Heinsberg, sondern auch zunehmend betroffene Gesundheitseinrichtungen und Pflegeeinrichtungen.

„Der Anteil der positiven Testergebnisse fällt wohl ab, aber die Zahlenangaben sind widersprüchlich und verwirrend“, stellen die Experten unter anderem fest. „Zur Beurteilung der Sachlage ist ganz besonders die Zahl der asymptomatisch Infizierten notwendig, da diese als Kennzahl der Krankheitslast und als Treiber der Epidemie eine besondere Rolle spielen.“

Zudem sei die Zahl der inzwischen „Genesenen“ irreführend, da die Zahl der Erkrankten nicht bekannt sei und nicht jeder vom Virus infizierte Mensch auch daran erkrankt.

Zurückgehaltene Daten

Mehrfach wird in dem Papier das tonangebende Robert-Koch-Institut (RKI) kritisiert, das dem Bundesgesundheitsministerium unter Jens Spahn (CDU) untersteht und vom Tiermediziner Lothar Wieler geleitet wird. Die sechs Experten erinnern daran, dass die Öffentlichkeit „das Recht auf eine verständliche, aktuelle und zutreffende Information hat“. Dem werde das Berliner Institut aber nicht gerecht. Inzwischen fordern auch Journalisten etablierter bundesdeutscher Medien bessere „Corona-Daten“ vom RKI.

„Leider reichen die Daten, die das Robert Koch-Institut bisher veröffentlicht, dafür nicht aus“, stellt eine ganze Reihe von ihnen in einem gemeinsamen Appell fest. Zuvor hatte der Sender „Norddeutscher Rundfunk“ (NDR) berichtet, „viele wichtige Corona-Daten sind Journalisten nur schwer oder gar nicht zugänglich, weil das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin sie zurückhält oder nur tröpfchenweise herausgibt“.

Das Institut sitze „auf einem Datenschatz, der für die öffentliche Meinungsbildung zur Epidemie und zur Corona-Politik Gold wert wäre“. Laut NDR hat das RKI mehrere Bitten um Datensätze „ohne stichhaltige Gründe abgelehnt, Fragen dazu beantwortete das Institut ausweichend oder gar nicht“.

Irreführende Darstellungen

Die sechs Gesundheitsexperten kritisieren in ihrem Thesenpapier unter anderem, die täglich vom RKI gemeldete Gesamtzahl der Infizierten werde ebenso wie die der Sterbefälle nicht in das entsprechende Verhältnis zur Zahl der getesteten Personen gesetzt. Immer noch werde die jeweilige Gesamtzahl seit dem ersten Tag der Erfassung angegeben und in den Mittelpunkt der offiziellen Kommunikation gestellt. Das führe in der Öffentlichkeit zu einer „überzeichneten Wahrnehmung“ der tatsächlichen Lage, die aktuell von zurückgehenden Fallzahlen gekennzeichnet sei.

„Die Aussagekraft der täglich gemeldeten Neuinfektionen in der jetzigen Form ist (sehr) gering“, stellen die Experten fest. „Sie sollte dringend um die Zahl der im gleichen Zeitraum getesteten Personen ergänzt werden, damit sich die informierte Öffentlichkeit ein zutreffendes Bild über die Situation machen kann.“

Sie machen darauf aufmerksam, dass die täglichen Situationsberichte des RKI den Eindruck erwecken, dass die Covid-19-Epidemie eine „durch tägliche Messungen abbildbare homogene Entwicklung darstellt (wie der Peilstab bei einsetzender Flut)“. Diese Annahme sei jedoch nicht zutreffend, „denn es handelt sich um ein inhomogenes, herdförmig ablaufendes Geschehen. Die Experten schlagen deshalb vor, Daten wie die Zahl der durch Schwererkrankte belegten Intensivbetten und die der Infizierte in Pflegeheimen als Maßstab zu nehmen.

Fehlende Einordnung

Um die Situation einschätzen zu können, müsse genauer angegeben werden, wie schwer die in den Kliniken aufgenommenen Infizierten erkrankt sind. Das RKI führe schon Husten als Symptom der Erkrankten auf, während die „entscheidende Zahl, bei wie viel Prozent der Patienten gar keine Symptome vorliegen“, fehle. Die Experten fordern, täglich über die Zahl der asymptomatischen Infizierten und die Patienten in Intensivbehandlung zu berichten. „Diese Angaben können der Öffentlichkeit die realistische Beurteilung der Situation enorm erleichtern.“

Zugleich wird kritisiert, dass die seit längerem genannte Zahl der Genesenen nicht ins Verhältnis zu den tatsächlich Erkrankten gesetzt wird. Nur dann könne dieser Wert sinnvoll interpretiert werden. Ebenso machen die Experten in ihrem Papier darauf aufmerksam, dass die Sterblichkeit im Zusammenhang mit Covid-19 „unvollständig und irreführend“ dargestellt werde. Das RKI setze die Zahl der Sterbefälle nur ins Verhältnis zur Zahl der gemeldeten Fälle der Infizierten. Und: „Auch für die epidemiologisch zentrale Frage, ob die beobachtete Sterblichkeit wirklich auf die Erkrankung zurückzuführen ist (attributable mortality), ist keine den wissenschaftlichen Standards entsprechende Entwicklung sichtbar.“

Die sechs Autoren betonen, dass aus ihrer Sicht in der Bundesrepublik „wegen des Eingreifens der Politik, der Selbstdisziplin der Bürger und wegen der relativ guten Ausstattung des Gesundheitswesens eine massive Erhöhung der Sterblichkeit“ vermieden werden konnte. Dennoch müsse das tatsächliche Geschehen genauer analysiert werden, auch durch Obduktionen der sogenannten Corona-Toten, von denen das RKI lange Zeit abgeraten hatte. Diese seien ein „unverzichtbares Mittel zur Klärung der Todesursache bei Patienten mit Covid-19-Infektion“.

Ungenaue PCR-Teste

Die so gewonnenen Erkenntnisse könnten insbesondere bei der Therapie der Erkrankten helfen, stellen die Gesundheitsexperten klar. Sie bedauern: „Im Fall von Covid-19 bieten allerdings derzeit weder das RKI noch die WHO, die CDC (Center of Diseases Control, USA) oder andere Organisationen eine klare Definition der Covid-19 bedingten Letalität an – jedenfalls keine, die über die diagnostischen Kriterien bei lebenden Patienten hinausgeht.“

Aus ihrer Sicht wird mit den in der Bundesrepublik durchgeführten Corona-Testungen die Häufigkeit der Infektionen überschätzt. Gleichzeitig werde in Folge der Art und Weise, wie getestet wird, wenig über die Verbreitung in der Gesamtbevölkerung ausgesagt. Zudem bestätigen sie die Kritik anderer Experten wie des Lungenarztes Wolfgang Wodarg an den PCR-Testen. Diese vor allem vom Virologen Christian Drosten entwickelten und geförderten Methoden seien zu ungenau, um tatsächliche Angaben zu gewinnen, wie lange ein Mensch infektiös ist.

Ebenso nehmen sie die in den Berichten des RKI und von Politikern wie Kanzlerin Angela Merkel immer wieder als Maßstab genannte Reproduktionszahl R in ihren kritischen Blick. Die Methode, wie diese Zahl ermittelt werde, sei viel zu ungenau, stellen die Autoren fest. Mehr Testungen würden zudem zu einem steigenden R-Wert führen, „ohne dass diesem Anstieg eine Zunahme des Infektionsgeschehens gegenüberstehen würde“. Es sei „wenig hilfreich“, wie das RKI sowie die Regierung diese Zahl und die Methode, mit denen sie ermittelt wird, in der Öffentlichkeit kommuniziere.

Ungenaue Zahlen

Die Gesundheitsexperten machen darauf aufmerksam, dass laut RKI-Zahlen der Wert von R bereits vor dem seit dem 23. März geltenden Kontaktverbot auf 1 gesunken war. Seitdem bewege sich R auf diesem Niveau. Erst Mitte April sei Bundesgesundheitsminister Spahn darauf eingegangen.

Und: „Der Einwand, der Effekt vor dem 21.3. sei bereits durch die reine Ankündigung des Lockdown erzielt worden, kann in keiner Weise überzeugen, denn die zur Berechnung des R-Wertes notwendigen Infektionsfälle beziehen sich auf Ansteckungen, die bereits zwei Wochen zurückliegen.“

Der Kinder- und Jugendmediziner Steffen Rabe aus München betreibt die Webseite impf-info.de, auf der er „Beiträge zu einer differenzierten Impfentscheidung“ leistet. Er hat gleichfalls die Daten des RKI zur Reproduktionszahl R analysiert und schrieb dazu am Sonntag in seinem „Coronoia-Blog“: Nach den Anfang Mai aktualisierten Angaben des RKI habe der Umkehrpunkt von R etwa zwischen dem 9. und 11. März gelegen. Die Ansteckungsrate von Covid-19 in Deutschland sei demnach bereits ab etwa dem 1. März rückläufig — „10 Tage vor den ersten ergriffenen Maßnahmen“.

Wirkungsloses Kontaktverbot

Die sechs Gesundheitsexperten stellen in ihrem Thesenpapier außerdem fest, dass mit den seit dem 23. März verschärften Einschränkungen kein weiteres Sinken von R zu verzeichnen sei: „Die Beobachtung ist ja durchaus mit der Annahme vereinbar, dass von diesen Maßnahmen keine weitere Wirkung ausgegangen ist.“ Es gebe keine nachweisbare zusätzliche Wirkung des Kontaktverbotes, das die Bundeskanzlerin aber bis nach Pfingsten verlängern ließ.

In ihren Thesen weisen die Experten zudem daraufhin, dass Kinder „eine besondere Rolle“ spielen. Die Jüngeren würden deutlich seltener infiziert und nicht schwer krank in Folge einer Infektion. Deshalb könnten aus wissenschaftlicher Sicht die Betreuungs- und Bildungseinrichtungen wieder geöffnet werden. Zugleich wird davor gewarnt, dass die durchgesetzten Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen dazu führt, dass soziale Benachteiligung verstärkt wird. Auch deshalb sollten die Einrichtungen so schnell wie möglich wieder geöffnet werden.

Ebenso gehen die Autoren darauf ein, dass zunehmend Infektionsherde aus Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gemeldet werden. Deshalb seien vorbeugende und schützende Maßnahmen für Patienten und Personal notwendig, ohne die Betroffenen einfach zu isolieren. Die Experten betonen, die Covid-19-Epidemie zeige, dass nur ein gut entwickeltes Gesundheitswesen solchen Herausforderungen gewachsen sei. Hohe Sterbefallzahlen in anderen Ländern seien auch eine Folge der dort in den letzten Jahren erfolgten Sparpolitik im Gesundheitswesen.

Uneffektive Maßnahmen

In ihrem Thesenpapier widmen sich die Gesundheitsexperten ausführlich dem Thema der Prävention, der Vorbeugung. Sie stellen klar:

„Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Zeithorizont mehrere Jahre umfasst, auch wenn im kommenden Jahr eine Impfung zur Verfügung stehen sollte. Die Gesellschaft würde einen irreparablen Schaden erleiden, müsste man einen allgemeinen Lockdown über einen so langen Zeitraum aufrechterhalten. Daher ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, die Präventionsstrategie grundlegend zu überdenken.“

Die derzeitigen Maßnahmen, die verhindern sollen, dass sich das Virus Sars-Cov 2 unkontrolliert ausbreitet, haben sich aus ihrer Sicht als „nicht effektiv“ erwiesen. Im internationalen Vergleich gebe es bei den reinen Infektionszahlen und den Verläufen keine Unterschiede zwischen Deutschland und Schweden auf der einen und Ländern wie Frankreich oder Italien auf der anderen Seite. Für die Experten gibt es weiterhin Grund, an der Effizienz der Maßnahmen zu zweifeln.

Massive Kollateralschäden

Es gebe nicht nur massive Nebeneffekte für die Bürger und die sozialen Strukturen ebenso wie für die Wirtschaft und die Berufstätigen. Die soziale Ungleichheit und die Unterversorgung gefährdeter Bevölkerungsgruppen wird durch allgemeine und unterschiedslos angewandte Regeln „deutlich vertieft“, so Schrappe und Kollegen mit Verweis auf internationale Analysen. Ebenso verwiesen sie auf die Folgen für die medizinische Versorgung der Bevölkerung, nachdem das Gesundheitswesen einseitig auf die möglichen Covid-19-Patienten ausgerichtet wurde.

Gleichfalls fordern sie von der Politik, die psychosozialen Folgen der Maßnahmen nicht aus dem Blick zu verlieren. „Die damit verbundene starke soziale Isolation und die damit einhergehenden Einsamkeitsgefühle, vor allem auch bei den älteren Risikogruppen (z.B. Trennung alter Menschen von den Angehörigen), aber auch bei den Angehörigen, die sich z.B. nicht von den sterbenden Menschen verabschieden können, äußern sich kurz-, mittel- und langfristig in Depressivität, Ängstlichkeit, Wut, Stress, posttraumatische Belastungen und Stigmatisierung“, betonen die Experten.

„Die Folgen solcher Belastungen können von Beeinträchtigungen der Lebensqualität und des Wohlbefindens über erhöhte Krankheitsanfälligkeit bis hin zu erhöhtem Mortalitätsrisiko führen.“ Zu den bereits von anderen festgestellten Kollateralschäden gehöre auch: „Das Risiko, einen vorzeitigen Tod zu erleiden, ist bei sozial isolierten alten Menschen gegenüber nicht isolierten alten Menschen – deutlich höher.“

Die Gesundheitsexperten sprechen sich gegen eine einseitig auf technische Lösungen wie die sogenannte Corona-App orientierte Vorgehensweise in der Corona-Krise aus. Das entspreche nicht dem Stand von Praxis und Wissenschaft im Zusammenhang mit Epidemien. Es müssten komplexere und mehrere Faktoren einschließende Lösungen gesucht werden. Dazu zählen sie zielgruppenorientierte Vorbeugungsmaßnahmen, die für die Betroffenen nicht zu Angst vor Isolation und Zwang führen dürften. „Für die Risikogruppen muss aus dem daran geknüpften Vorgehen ein Vorteil erwachsen, z.B. durch bevorzugte und geschützte Nutzung des öffentlichen Raumes oder durch besondere Unterstützung bei der Pflege.“

Offizielle „Fake News“

Neben Vorschlägen für eine bessere Unterstützung der konkret handelnden Institutionen und Organisationen sind in dem Thesenpapier ebenso Vorschläge für eine bessere Risiko- und Krisenkommunikation zu finden. Die Experten sprechen sich gegen Aussagen von aus, „die unbelegte Voraussagen im positiven und negativen Sinne als Fakten darstellen“. Diese werden aber nicht irgendwelchen „Fake-News“-Medien zugeschrieben, sondern dem RKI, dessen Chef Wieler Ende März vor „italienischen Verhältnissen“ warnte, und Bundesgesundheitsminister Spahn, der Ende März von einem bevorstehenden Sturm auf die Intensiv-Stationen der Krankenhäuser sprach.

Aber auch die Aussagen von Kanzlerin Merkel über die „Öffnungsdiskussionsorgien“ und „zu forsche“ Lockerungen werden als Beispiele für eine Sprache genannt, „die eher Unsicherheit und Angst schürt als umsichtig erklärt und abwägt“. Dazu würden ebenso neben den gezielt eingesetzten Bildern aus Italien die „zielgerichteten negativen Botschaften“ in den täglichen Meldungen des RKI und der vielzitierten Johns-Hopkins-Universität aus den USA beitragen.

„Damit drängt sich aber beim Leser oder Hörer der Eindruck auf, dass die Bedrohung jeden Tag größer wird, obwohl dies seit mehreren Wochen nicht mehr der Fall ist. Die Botschaft liegt hier in der Dramatisierung und nicht in einer abwägenden, vergleichenden, die Entwicklung erklärenden Einordnung, die es dem Bürger ermöglicht, die Entscheidungen nachzuvollziehen und zu vertreten.“

Die Experten erinnern dabei an die bekanntgewordenen Belege aus Regierungskreisen in Österreich und der Bundesrepublik, in denen davon gesprochen wurde, gezielt auf die Angst der Bevölkerung zu setzen und diese zu nutzen. Das gelte ebenso für die Medien:

„Allzu oft wird eine schockierende Aussage eine höhere mediale Wahrnehmung mit sich bringen als ein abgewogenes Statement. Die Wirkung solcher Worte, Bilder oder Strategien sind Angst, Hamsterkäufe, bis hin zu psychiatrischen und psychosozialen Belastungen und Grundprägungen bei Kindern und Jugendlichen – mit noch nicht absehbaren Folgen für unsere gesellschaftliche Kultur.“

Statt einer Kommunikation, die dauerhaft auf das Gefühl der Bedrohung setze, sind aus Sicht der sechs Experten positive Botschaften notwendig. Die Bürger müssten in die Suche nach Lösungen einbezogen werden. Deren grundlegende Rechte in der Pandemie beschäftigen die Autoren des Thesenpapiers gleichfalls ausführlich. Niemand dürfe sich hinstellen und wie einst zu Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 der Reichskanzler Theobald von Bethmann-Hollweg erklären: „Not kennt kein Gebot!“

Gefährliche Ignoranz

Der in Artikel 1 des Grundgesetzes festgeschrieben Grundsatz, die Würde des Menschen zu schützen, gelte auch in der Pandemie. „Der Mensch darf dabei nicht zu einem Objekt staatlichen Handels herabgewürdigt werden“, so die Experten. Doch viele der ergriffenen Maßnahmen, „speziell die noch weitgehend unerforschten gesundheitlichen und sozialen Wirkungen, bergen zumindest das Potenzial dazu“, warnen sie.

In ihrer letzten These heißt es: „Die deutsche Verfassung kennt für den Fall einer Pandemie keinen Ausnahmezustand, der eine Abweichung von Aufgabenzuordnungen und Kompetenzen des föderalen Staatsaufbaus und der demokratischen Gewaltenteilung erlauben würde.“

Zwar könne in Grundrechte eingegriffen werden, doch nicht ohne legitime Rechtfertigung und nicht, ohne dass zwischen konkurrierenden Grundrechten sowie zwischen Grundrechten und Schutzpflichten des Staates abgewogen werde. Je länger Beschränkungen andauern, umso mehr müssten sie daraufhin geprüft werden, ob sie noch verhältnismäßig sein.

Quelle!:

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