Samstag, April 20, 2024
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Der Wandel der Grünen: Habeck, Baerbock und die Zwangsimpfung

Die Impfpflicht bewegt Deutschland: Neben CSU-Chef Söder hatten auch einige Experten die verpflichtende Corona-Impfung angeregt. Doch wie stehen eigentlich die Grünen zu dem Thema? Die Partei könnte nach der kommenden Bundestagswahl einen Teil der neuen Regierung stellen. Unsere Recherche zeigt: Die Grünen sind einer Impfpflicht nicht abgeneigt.Anthroposophen, Waldorfschüler, Radfahrer und Homöopathen: Klischees über die Grünen gab es viele. Doch wie halten es die vermeintlichen Ökos mit der Impfung? Was ist noch übrig von dem Sonnenblumen-Charme der 80er Jahre? Wer die jüngste Politik der Bündnisgrünen verfolgt, der weiß: nicht viel.

Außen grün, innen schwarz?

Dabei hatte die Partei einst Werte, die als unzerstörbar galten. Im Fokus: Umwelt, Frieden und die Selbstbestimmung. Jedenfalls von den letzten beiden Punkten ist nicht mehr viel übrig, und selbst die ökologische Komponente der Grünen hat zumindest in den Bundesländern gelitten, in denen die Grünen mit in der Regierung sitzen.

Bei dem Thema Impfung verhält es sich ähnlich. Noch im Jahr 2009 hieß es in einem Positionspapier zur Schweinegrippe seitens der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen unmissverständlich:

„Eine Impfpflicht – nicht nur für die Schweinegrippe, sondern für jede Impfung – lehnen wir Bündnisgrünen strikt ab. Dies gilt auch für Vorschläge, die eine solche Pflicht für bestimmte Personengruppen, wie z.B. Gesundheitsberufe, fordern.“Das entsprechende Dokument wurde SNA-News freundlicherweise vom ehemaligen Grünen-Politiker und jetzigen Bundespolitischen Koordinator der Partei „Die Basis“, David Claudio Siber, zur Verfügung gestellt. Er erklärte, dass die Grünen sogar noch 2012 im Bundestag erklärt hätten, mit ihnen werde es niemals eine Impfpflicht geben.

Die eigenen Ansprüche wachsen…

Doch seitdem ist anscheinend einiges passiert. Aus der Opposition ging es für die Grünen in die Landesregierungen. Grüne Regierungsbeteiligungen gibt es aktuell in Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Berlin, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Also in zehn von 16 Bundesländern. Und mit der Macht kamen die Ansprüche, man sieht sich auf dem Weg zur Volkspartei.Parteichef Robert Habeck fordert schon seit längerem eine Kanzlerkandidatur seiner Partei. Und auch seine Co-Vorsitzende Annalena Baerbock hat den Anspruch der Grünen in dieser Woche gegenüber der ARD noch einmal klargemacht:

„Ja, es wird richtig anders werden in diesem Bundestagswahlkampfjahr. Weil erstmalig eine dritte Kraft, eine dritte Partei, die um die Führung dieses Landes kämpft.“

Annalena Baerbock (Archivbild) - SNA

Annalena BaerbockBundesvorsitzende der GrünenBaerbock und Habeck sehen sich also als „dritten Weg“ in der Bundesrepublik Deutschland. Die neue Volkspartei stellt bald einen Kanzlerkandidaten oder eine Kanzlerkandidatin auf und hofft damit, sogar die CDU/CSU zu überholen. Dazu müssten die Grünen allerdings nach jetzigem Stand das Ergebnis der Bundestagswahl 2017 vervierfachen.Zurück zum Thema Impfung: Was 2012 für die Grünen noch wichtig war, schien bereits 2019 nicht mehr zu gelten. Es war die Grüne Jugend, der Jugendverband der Partei, der als erstes umschwenkte. Diese ansonsten so aufmüpfige antifaschistische und antikapitalistische Grüne Jugend entschied im April 2019 in einem Beschlusspapier vom 52. Bundeskongress in Leipzig:

„Impfungen für alle – und zwar kostenlos!“Aber nicht nur die Grüne Jugend entwickelte sich zu einem Impf-Befürworter. Auch die sogenannte Altpartei schwenkte im gleichen Jahr um. Auf der Webseite der Partei heißt es in einem Eintrag von Mai 2019:

„Impfen ist ein Gebot der Solidarität.“Im Jahr 2019 ging es allerdings noch nicht um das Corona-Virus. Es ging um die Masern-Impfung.Ein kurzer Blick auf die Statistik: In Deutschland gab es 2018 laut Robert-Koch-Institut 540 Masernfälle ohne einen einzigen Todesfall. Im Vorjahr waren es 929 an Masern erkrankte Menschen und ein Todesfall. Dennoch wurden in der Politik die Rufe nach einer Impfpflicht laut. Und die Grünen handelten nach ihrem Motto: Impfen ist ein Gebot der Solidarität.

Impfpflicht? Klar!

Die Impfpflicht gegen Masern wurde am 14. November 2019 im Deutschen Bundestag diskutiert und abgestimmt. Und entgegen ihrer Aussage, es werde mit den Grünen nie eine Impfpflicht geben, hat die Partei im Bundestag nicht dagegen gestimmt. Die Fraktion der Bündnisgrünen hat sich bei der Abstimmung nahezu komplett enthalten. Warum? Weil die Impfpflicht gegen Masern ihnen nicht weit genug ging. Die grüne Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche forderte stattdessen eine umfassende Impfstrategie. Das Gesetz beinhalte zwar sinnvolle Regelungen, das Kernproblem werde aber nicht aufgegriffen: die Erwachsenen, die nicht geimpft seien.Von einer impfkritischen Partei sind die Grünen bei der Masernimpfung also zu einer Partei geworden, die unbedingt jeden impfen möchte und auch die Impfpflicht befürwortet. So wurde es dann auch Gesetz. Mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und einigen Linken kam die Masern-Impfpflicht und sie gilt seit dem 1. März 2020 für Kinder, Erzieher, Lehrer, Mediziner und Pflegepersonal.Eigentlich ist die Masern-Impfpflicht sogar eine Pflicht zur Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln gleich mit. Zugelassen sind in Deutschland nämlich nur Dreifach-Impfstoffe, oder zusammen mit einem Wirkstoff gegen Windpocken als Vierfach-Impfstoff. Und das entgegen der Empfehlung des deutschen Ethikrates. Der hatte angemahnt, dass rechtzeitig ein Monoimpfstoff gegen Masern zur Verfügung gestellt werden müsse. Doch so kam es nicht. Im Infektionsschutzgesetz heißt es in Paragraph 20 Absatz 8:

„(…) gilt auch, wenn zur Erlangung von Impfschutz gegen Masern ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die auch Impfstoff-Komponenten gegen andere Krankheiten enthalten.“So viel also zur Impfhistorie von Bündnis 90/Die Grünen. Von Heilpraktikern und alternativer Medizin setzt man sich seit Jahren Stück für Stück ab. Eine Anti-Kriegspartei sind die Grünen seit Jugoslawien ohnehin nicht mehr, und auch die Verteidigung am Hindukusch passierte mit grüner Zustimmung.Da 2021 ein Jahr des Wahlkampfes ist, wird die Corona-Impfpflicht derzeit bei den Grünen zumindest nicht öffentlich groß diskutiert. Doch das könnte sich nach den diesjährigen Urnengängen schon bald ändern. Die Rhetorik verschiedener grüner Spitzenpolitiker lässt das vermuten. So erklärte der grüne Ministerpräsident in Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, Mitte Dezember im Stuttgarter Landtag:

„Es gibt eine klare Perspektive, und das heißt, die Bevölkerung wird durchgeimpft, und dann ist es rum mit dieser Pandemie!“

Winfried Kretschmann (Archivbild) - SNA

Winfried KretschmannMinisterpräsident von Baden-WürttembergDas klingt nicht wirklich nach Freiwilligkeit. Noch weniger Interpretationsspielraum ließ der grüne Parteivorsitzende Robert Habeck bereits am 22. April 2020 in einem Video-Interview mit dem „Spiegel“:„Wenn alle Menschen sich freiwillig impfen lassen, wäre es natürlich immer besser. Sollte das unter den Erwartungen bleiben, dann müsste man auch eine Impfpflicht durchsetzen an dieser Stelle.“

 Bundesvorsitzender der Grünen Robert Habeck (Archivbild) - SNA

Robert HabeckBundesvorsitzender der GrünenMit dieser Aussage trifft Habeck den gleichen Ton wie Markus Söder in diesen Tagen. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist der Frage nach einer Impfpflicht häufig mit den Worten ausgewichen, dass er an eine ausreichende Freiwilligkeit in der Bevölkerung glaube. Eine weitere Aussage des CDU-Politikers ist die, dass es in dieser Pandemie keine Impfpflicht geben werde.

Das Ziel ist erkennbar…

Doch was, wenn WHO und Bundesregierung diese Pandemie aufgrund gesunkener Fallzahlen für beendet erklären? Die Masern-Impfpflicht wurde schließlich auch erst nach einer abgeebbten Infektionswelle beschlossen. Und sollte es nach der kommenden Bundestagswahl im Herbst die Mehrheit für eine schwarz-grüne Regierungskoalition geben, dürfte die Impfpflicht bei Corona nur eine Frage der Zeit sein. Denn die jüngste Geschichte zeigt vor allem bei den Grünen: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?

Quelle!:

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