Donnerstag, April 25, 2024
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Diskussion um Mundschutz-Pflicht: Wie gut helfen Masken?

In Österreich herrscht eine Mundschutz-Pflicht bei Einkäufen, auch die Stadt Jena möchte ab der kommenden Woche eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum einführen. Andere deutsche Orte könnten nachziehen. Doch die Wirksamkeit des Mund-Nasen-Schutz ist unter Experten mehr als umstritten.

Als erste Stadt Deutschlands führt Jena eine Schutzmasken-Pflicht ein. Aufgrund des Coronavirus sei das Tragen eines Mund-und-Nasenschutzes ab dem kommenden Montag in „Jenaer Verkaufsstellen, dem öffentlichen Nahverkehr und Gebäuden mit Publikumsverkehr“ verpflichtend, teilte die Stadt mit. Bürger sollen dort überall einen Mund-Nasen-Schutz tragen, wo der Mindestabstand von 1,5 Metern oft nicht eingehalten werden kann. Das kann eine selbstgenähte Maske sein, ein Tuch oder ein Schal. Der Thüringer Landkreis Nordhausen folgte wenig später diesem Beispiel.

Kein Schutz gegen Infizierung

Tatsächlich sind sich die Experten relativ einig, dass ein herkömmlicher Mund-Nasen-Schutz kein Schutz gegen eine Coivd-19-Infizierung ist. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu folge müssen gesunde Menschen keine Maske tragen, außer sie haben Kontakt mit einem Corona-Infizierten. Der gebotene Abstand von ein bis zwei Metern sei der beste Schutz. 

Frank Ulrich Montgomery, Präsident des Ständigen Ausschusses der Ärzte der Europäischen Union (CPME) und Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes (WMA), erklärt bei einem Pressegespräch:

„Wissenschaftlich erwiesen nutzen die Masken nichts. Sie verhindern nicht, dass Sie die Erkrankung von einem anderen bekommen, wenn Sie sie selbst nicht haben. Die sind aber für mich Ausdruck sozialer Solidarität und auch eines Wunsches, dass ich selber, angenommen, ich hätte die Erkrankung, was ich nicht glaube und nicht hoffe, nicht andere infizieren wollte. Damit meine ich diese selbstgestrickten Masken.“

Ein Ausdruck sozialer Solidarität

Deshalb trage Montgomery selbst einen Gesichtsschutz, wenn er in den Supermarkt gehe. So könnten alle sicher sein, wenn er mal huste oder niese, dass die Tröpfchen in der Maske bleiben und nicht weiterverbreitet würden.

Dies sei aber auch einer der Gründe warum die WHO vom Maskentragen abrate: Viren können sich in dem Gesichtsschutz konzentrieren und dann beim An- und Ablegen die Hände kontaminieren, woran man sich dann anstecken könne. Laut Aussage der WHO, sei das Risiko größer als die Chancen, die man durch einen Mund-Nasen-Schutz habe. Deswegen rät der dafür verantwortliche Arzt bei der WHO vom Tragen dieser Masken ab, wenn man selber nicht infiziert ist und keine Viren ausscheidet.

Mit Maske fühlt man sich zu sicher

Ein weiteres Risiko sei laut Montgomery: Wenn man selber eine Maske trägt, hält man sich nicht mehr an die zwei vorgeschriebenen Meter Abstand von anderen, weil man sich sicher fühlt. Dieses psychologisches Argument gegen Mundschutz sieht auch Béatrice Grabein, die leitende Ärztin an der Stabsstelle Klinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene am Klinikum der Universität München. Sie sagt gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ):

„Die Gefahr besteht. Deshalb empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation Masken auch nur sehr eingeschränkt. Ich befürchte ebenfalls, dass es nicht allen Menschen zu vermitteln ist, dass sie alle bisherigen Schutzmaßnahmen trotz der Masken weiterhin einhalten müssten – also intensives Händewaschen, die Hände vom Gesicht fernhalten, einen Abstand von mindestens 1,5 Metern zu anderen Personen wahren, das Einhalten einer Hust- und Nieshygiene.“

„For show is for show“

Deswegen schließen sich Montgomery und Grabein der Einschätzung der WHO an. Beide sind gegen eine Maskenpflicht. Der Weltärztebund-Chef erklärt aber, dass er trotzdem selber einen Schutz draußen im Supermarkt trage, „um damit auch meine Verbundenheit mit der Gesellschaft auszudrücken.“ Er betont aber:

„Wenn eine Maske sinnlos ist, dann ist es egal, ob sie aus der Apotheke, von Aldi oder aus einem Schal ist. Ich habe eine aus einem Einstecktüchlein, die eignet sich wunderbar. Meine Frau hat innendrin noch ein Vlies aufgebügelt. Das lässt sich sogar recht angenehm tragen. Aber: For show is for show und bleibt for show und hilft nichts.“

Weniger „Fummelei“ im Gesicht

Der Schriftsteller und Chinakenner Christian Y. Schmidt hingegen ist Maskenbefürworter. Immerhin, so erklärt er auf Facebook, hindert eine Maske den Träger daran, sich ins Gesicht zu greifen:

„Der Mensch fasst sich fünfundzwanzig Mal in der Stunde (oder auch öfter) an Mund und Nase. Auch auf diese Weise ist es möglich sich zu infizieren (Schmierinfektion). Die Maske hindert uns aber daran, an diesen Öffnungen rumzufummeln (sic).“

Atemschutzmasken – Ja oder Nein? Weil hier jetzt schon wiederholt über das Pro und Kontra von Atemschutzmasken…

Gepostet von Christian Y. Schmidt am Donnerstag, 27. Februar 2020

Auch das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte am Donnerstag seine Einschätzung für das Tragen von Mundschutz geändert und diese nun doch als zumindest in bestimmten Umständen hilfreich eingeschätzt: Wenn Menschen – auch ohne Symptome – vorsorglich eine Maske tragen, könnte das das Risiko einer Übertragung von Viren auf andere mindern, heißt es auf der Internetseite der Bundesbehörde. Auch wenn es keine „hinreichende Evidenz“ dafür gebe, dass sich das eigene Ansteckungsrisiko durch Masken verringere. Zuvor hatte das RKI den Mundschutz nur Menschen mit akuten Atemwegserkrankungen empfohlen.

Abmahn-Anwälte verhindern Maskenproduktion

Tatsächlich würde sich bei einer weitreichenden Maskenpflicht ein weiteres Problem verstärken: Schon jetzt gibt es viel zu wenig Masken für alle, die den Schutz benötigen. Dieser Mangel ist auch hausgemacht, wie die Textilunternehmerin Sina Trinkwalder im Interview mit ntv.de berichtet. Ihre Näherei in Augsburg könnte 60.000 dringend benötige Nasen-Mund-Schutzmasken liefern – täglich. Das dürfen sie und Tausende andere, die gerne helfen würden, aber nicht, weil „Abmahn-Anwälte zu viel Freizeit“ hätten und Politiker sie im Stich lassen würden.

Trinkwalder sagt gegenüber ntv.de:

„Wir nähen bereits rund 10.000 Mund-Nase-Abdeckungen – hier muss ich schon aufpassen, dass ich nicht ‚Schutz‘ oder etwas Ähnliches sage. Aber es könnten auch 50.000 oder 60.000 sein. Wir dürfen sie im Moment aber nur im offiziellen Auftrag von Behörden oder systemrelevanten Einrichtungen im Rahmen der Notversorgung abgeben. Das heißt, wir produzieren zum Beispiel mehrere zehntausend Stück gerade im Auftrag der Stadt Augsburg, das geht. Edeka, die als Lebensmittelhändler als systemrelevant gelten und ihre Mitarbeiter versorgen möchten, dürfen wir auch beliefern. Aber jede kleine Anfrage von privaten Pflegediensten etwa oder Kinderhospizen müssen wir ablehnen.“

Ignoranz der Politik

Da die Masken nicht als Medizinprodukte zertifiziert seien, dürfe man diese nicht in den Umlauf bringen, ohne sich unter Umständen strafbar machen. Das würde sogar gelten, wenn man sie verschenkt oder zum Selbstkostenpreis abgeben würde. Trinkwalders Aussage nach sei dann das Problem „Abmahn-Anwälte, die im Homeoffice gerade offenbar zu viel Freizeit haben“. Zum Aufruf des bayerischen Wirtschaftsminister Aiwangers, Masken zu nähen meint die Unternehmerin:

„Die Ignoranz der Politiker regt mich besonders auf im Moment: Bei Presseterminen und auf Twitter geben sie wohlfeile Ratschläge. Aber tatsächlich kümmert sich gerade niemand darum, den wohl dringendsten Engpass im Gesundheitswesen zu beseitigen. Das bayerische Wirtschaftsministerium hat uns auf Anfrage an das Gesundheitsministerium verwiesen. Da heißt es, wir sollen unser Anliegen bitte schriftlich einreichen. Auf die Antwort warten wir jetzt. In dieser ganzen Zeit infizieren sich jeden Tag Menschen oder verbreiten das Virus gerade bei den am stärksten Gefährdeten, den alten und kranken Patienten in Pflegeheimen, weil diese einfachsten Hygiene-Hilfsmittel fehlen.“

Am Mittwoch postete sie auf Twitter:

Man kann davon ausgehen, dass der Kontakt zum Gesundheitsministerium unbefriedigend verlaufen ist.

Quelle!:

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