Donnerstag, April 25, 2024
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Esken und Walter-Borjans: So sähe Außenpolitik unter neuer SPD-Führung aus

Ende November soll die neue Führungsspitze der SPD feststehen. Das Duo aus Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hat gute Chancen, das Rennen für sich zu entscheiden. Unterstützt wird ihre Kandidatur unter anderem von den Jusos. Doch wofür stehen beide eigentlich außenpolitisch? Und wie ist ihr Blick auf Russland? Sputnik hat nachgefragt.

Am Dienstagabend hat die SPD das erste von insgesamt zwei Duellen zwischen den verbliebenen Spitzenkandidaten zum SPD-Vorsitz veranstaltet. Im Berliner Willy-Brandt-Haus standen sich somit Vizekanzler Olaf Scholz und die Brandenburgerin Klara Geywitz auf der einen, sowie Ex-NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans und die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken auf der anderen Seite gegenüber. Das Rennen könnte knapp werden, Umfragen sehen mal das eine und mal das andere Duo in der Beliebtheit vorne.

Wer soll die SPD erneuern?

Dabei sind die politischen Rollen recht klar verteilt: Das Duo Scholz steht für den eher konservativen Flügel der Partei, das Duo Walter-Borjans – das unter anderem von den Jusos unterstützt wird – für einen linkeren und GroKo-feindlicheren Kurs. Über die außenpolitischen Bestrebungen von Saskia Esken und Norbert Walter Borjans ist dagegen nicht viel bekannt. Sputnik hat beide getroffen und nachgehakt. So erklärte Esken bei einer Pressekonferenz für ausländische Journalisten, die SPD habe sich immer schon an Völkerfreundschaften und Frieden orientiert:

„Willy Brandt hat das berühmte Zitat geprägt ‚Wir wollen ein Volk guter Nachbarn sein‘. und das gilt genauso gegenüber Russland, wie gegenüber anderen Nachbarn und international gewichtigen Akteuren.“ 

Bei allen politischen Differenzen müsse man laut Esken aber auch immer trennen zwischen der Kritik an Regierungshandeln und der Freundschaft zum russischen Volk.

Wirtschaftssanktionen als Problem…

Deutlicher wird Walter-Borjans. Seine Position in Sachen Krim sei klar: Laut dem SPD-Politiker habe es sich um eine Annexion gehandelt, was international verurteilt werden müsse. Mit leichtfertig ausgesprochenen Wirtschafssanktionen habe er aber ein Problem. Diese würden in erster Linie die Lebensverhältnisse der Bevölkerung verschlechtern:

„Außerdem hat die Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass solche Sanktionen – genauso wie Steuerschlupflöcher – immer neue Kreativität entwickeln, wie man sie am Ende umgehen kann. Und dass sie dann weder wirken, die Bevölkerung aber trotzdem in Mitleidenschaft ziehen.“  

Der ehemalige NRW-Finanzminister betont aber ausdrücklich, dass es manchmal keine Alternativen zu Wirtschaftssanktionen gebe. Im Fall von Russland verstehe er jedoch die Haltung vieler führender Sozialdemokraten, die eine schrittweise Abschaffung der Sanktionen forderten:

„Wir müssen in Europa wirklich zueinander rücken. Wir sehen, dass sich die wirtschaftlichen Gewichte der Welt durchaus auch an anderer Stelle anders entwickeln. Und wenn wir uns hier in Europa alle zerlegen – inklusive Russland – wir unser Gewicht nicht gerade stärken.“   

Damit spielt Walter-Borjans auch auf das wirtschaftlich immer stärkere China an, sowie auf den jüngsten Handelsstreit mit den USA.

​Auch das Thema Syrien beschäftigt das potentielle neue Führungs-Duo der SPD. Saskia Esken beurteilt das jüngste Vorgehen der deutschen Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer als grundlegend falsch. Dabei geht es konkret um die Forderung der CDU-Politikerin nach einer Sicherheitszone im Norden Syriens:

„Ohne Absprache mit dem Koalitionspartner, ohne Absprache mit dem Außenminister, der lediglich per SMS eine Ankündigung erhalten hatte. Auch ohne Absprache mit möglichen Bündnispartnern oder Betroffenen. So einen Vorschlag zu machen, das ist eine Art von Außenpolitik, die ich für die Zukunft nicht empfehlen kann. Ich halte das für verantwortungslos.“

Esken will dabei die Idee einer Sicherheits- oder Schutzzone an sich aber nicht bewerten. Sollten sich alle Bündnispartner in dieser Frage einig sein, wäre dies etwas anderes. Eine Außenpolitik ohne jegliche Absprache würde dagegen beispielsweise in den USA gemacht, sie selbst halte davon nichts, so die Bundestagsabgeordnete.

AKK unter Beschuss…

Norbert Walter-Borjans ergänzt, der Vorstoß Kramp-Karrenbauers sei nicht nur eine Einmischung in die Außenpolitik gewesen, sondern gleichzeitig sogar eine Militarisierung von Außenpolitik. Er halte das für fatal:

„Insofern war das weniger eine Positionierung, als der Versuch einer Profilierung. Man sieht ja geradezu an diesem Versuch, dass es auch um die Stärkung der eigenen Rolle in der eigenen Partei ging. Dafür ist das Thema Außen- und Sicherheitspolitik der falsche Platz.“

Der 67-Jährige Politiker erwartet laut eigenen Aussagen eine auf Frieden ausgerichtete Außenpolitik, auch weil er aus der frühen Nachkriegs-Generation stamme. Deutschland habe mit seiner Geschichte einen besonderen Auftrag zur Sicherheitspolitik der Welt:

„Dass es nicht eine Normalisierung ist, wenn man sagt, wir machen es jetzt wieder wie alle anderen. Sondern dass es auch ein Modell sein kann, seine Aktionen mehr auf Konfliktvermeidung zu lenken, auch mehr auf die Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit. Das müssen wir dann aber auch spürbar und sichtbar für alle Partner machen.“   

Deutschland dürfe laut Walter-Borjans nicht den Eindruck erwecken, mit zweierlei Maß zu messen: Einerseits aus geschichtlicher Verantwortung heraus bei bestimmten Konflikten eine Rolle einzunehmen, aber sich andererseits der Entwicklungszusammenarbeit zu entziehen.

Neustart oder „weiter so“?

Beide Kandidaten, sowohl Saskia Esken als auch Norbert Walter-Borjans sehen ihre mögliche Rolle als Parteivorsitzende auch darin, die Interessen von Parteiführung, Parteibasis und SPD-Fraktion im Bundestag in Einklang zu bringen – nicht nur bei außenpolitischen Fragen. Bis zum 29. November können die Parteimitglieder per Brief oder online für Ihr Favoriten-Duo abstimmen, das Ergebnis soll dann am 30. November verkündet werden. Das Rennen ist offen. Für die Sozialdemokraten dürfte es dabei um nicht weniger als den Fortbestand der ältesten Partei Deutschlands gehen.

Quelle!:

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