Samstag, Mai 4, 2024
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EU-Parlament wirft Putin Geschichtsverzerrung vor

Abgeordnete des Europaparlaments haben Äußerungen von Russlands Präsident Wladimir Putin zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges scharf verurteilt. Eine längere Auseinandersetzung zwischen Russland und der EU bezüglich der Gründe des Zweiten Weltkrieges nimmt damit wieder Fahrt auf.

Bei der Diskussion „Verzerrung der europäischen Geschichte und des Andenkens an den 2. Weltkrieg“ sagte EVP-Fraktionschef Manfred Weber am Mittwoch in Straßburg, jeder Politiker trage die Verantwortung, nicht mit der Geschichte zu spielen. „Auch Putin nicht.“ Dessen Versuche, die Geschichte „neu zu schreiben“, seien nicht hinnehmbar, so Weber. Die Diskussion wurde übrigens auf der Webseite des EU-Parlaments ausgestrahlt.

Obwohl die Sowjetunion während des Krieges enorme Verluste erlitten habe und ihre Soldaten Heldentum gezeigt hätten, könne nicht geleugnet werden, dass der Molotow-Ribbentrop-Pakt zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geführt habe, so Weber weiter.

Zuletzt hatte es auch einen Streit zwischen Warschau und Moskau gegeben, weil Putin Regierungsvertretern von Vorkriegspolen Antisemitismus und eine anbiedernde Haltung gegenüber Nazi-Deutschland vorwarf. Unter anderem nannte er den polnischen Botschafter in Berlin der Jahre 1933 bis 1939, Josef Lipski, einen „Lumpen und ein antisemitisches Schwein“. Polen warf Russland eine Umdeutung der Geschichte vor.

Brüssel geht weiter vom Hitler-Stalin-Pakt als Kriegsursache aus

EU-Kommissarin Vera Jourova sagte ihrerseits während der Diskussion, dass die „Verdrehung historischer Fakten“ eine Gefahr für die Gesellschaft sei. Desinformation müsse entschlossen entgegengetreten und abgelehnt werden. Der Molotow-Ribbentrop-Pakt, in Europa mehr als Hitler-Stalin-Pakt zwischen Nazi-Deutschland und der damaligen Sowjetunion bekannt, hat laut der Kommissarin den Weg für den Zweiten Weltkrieg geebnet„Das sind die Fakten“, wurde Jourova von der dpa zitiert. Sie meinte weiter, das „Bündnis mit Josef Stalin“ habe Adolf Hitler 1939 den Angriff auf Polen ermöglicht und die Wehrmacht vor einem Zweifrontenkrieg geschützt sowie die Expansion nach Westeuropa unter Vorherrschaft der Nazis ermöglicht. Kommissarin Jourova zufolge solidarisierten sich die EU-Parlamentarier mit Polen und stuften Versuche als nicht akzeptabel ein, das von den Nazis in die Knie gezwungene Land als Schuldigen hinzustellen.

„Die EU-Kommission wird derartige Angriffe auf Polen nicht dulden“, so die tschechische Politikerin.

Ihre Argumenation enspricht damit der im September vom EU-Parlament gebilligten Resolution, die den Hitler-Stalin-Pakt zur Ursache für den Zweiten Weltkrieg erklärt und die Sowjetunion zu Stalin-Zeiten mit dem NS-Regime gleichsetzt hatte. Das Dokument wurde auf Initiative Litauens und mit Einsatz polnischer PiS-Politiker erarbeitet. Laut „Radio Polen“ strichen die Abgeordneten dabei vor der Abstimmung einige selbstkritische Punkte wie das Münchner Abkommen 1938. Am 9. Januar hatte der polnische Sejm dazu noch eine Resolution verabschiedet, der zufolge die Sowjetunion zusammen mit Hitlerdeutschland für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verantwortlich war. Das Vorgehen der „beiden damaligen totalitären Mächte“ habe zum Ausbruch des Krieges geführt, so das Dokument. Polen und andere Staaten Mittel- und Osteuropas seien nach dem Molotow-Ribbentrop-Pakt die „ersten Opfer“ gewesen, hieß es.

Nichtangriffspakt der Sowjetunion mit Hitler-Deutschland kam zuletzt

Präsident Putin hatte die Bedeutung des Pakts mehrfach mit Blick auf die historischen Kasualitäten erklärt. Er wies unter anderem darauf hin, dass die Sowjetunion der letzte Staat Europas war, der mit Hitler einen Nichtangriffspakt geschlossen hatte. Polen habe dies bereits 1934 getan. Kurz vor Kriegsbeginn hätten auch Vertreter der baltischen Länder ihre Unterschriften unter entsprechende Dokumente mit Hitler gesetzt. Der russische Präsident wies die Behauptung, wonach Josef Stalin eine Mitschuld am Kriegsbeginn habe, als „Gipfel des Zynismus“ zurück. „Als hätte um vier Uhr morgens am 22. Juni (1941) die Sowjetunion Deutschland überfallen, und nicht umgekehrt“, betonte er.

Auch unabhängige deutsche Historiker stellten die Interpretation der Ursache des Zweiten Weltkrieges durch das EU-Parlament in Frage.  So sagte Erich Später von der Heinrich-Böll-Stiftung Saar gegenüber Sputnik, die Ursache des Zweiten Weltkrieges liege in der Expansion des weltweiten Faschismus seit 1931 begründet.

„Zu Beginn des Krieges hatten selbst Rumänien, Ungarn und die baltischen Staaten ein autoritäres und antisemitisches Regime; sie haben zusammen mit den deutschen, aber auch italienischen und spanischen Truppen in Europa den Krieg mitgeführt und die Sowjetunion überfallen“, so Später.

Bekannt ist auch, dass Stalin sich nie mit Hitler getroffen hat. Der Forscher am Deutschen Historischen Institut in Moskau, Dr. Matthias Uhl, bestätigte seinerseits, dass Hitler und Stalin trotz des Eindrucks keine Verbündeten gewesen seien und der Pakt nicht als Bündnis interpretiert werden könne.

„Natürlich hat Hitler Stalin ein unmoralisches Angebot gemacht“, sagte Uhl gegenüber Sputnik.

„Stalin als Realpolitiker konnte da laut Uhl aus verschiedenen Gründen nicht nein sagen.“ Es habe ihm auf der Hand gelegen, lieber den Nichtangriffspakt mit Deutschland zu unterzeichnen als auf die weiteren Verhandlungen mit den Franzosen und Engländern zu warten, die sich „ziemlich geziert haben, ein Bündnis mit Stalin einzugehen“, so der Historiker.

am/lk

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